TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/26 2002/08/0195

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.01.2005
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §33 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der N in W, vertreten durch Dr. Alexander Schoeller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reischachstraße 3/12A, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. März 2002, Zl. LGSW/Abt. 10- AlV/1218/56/2002, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Laut Ausweis des Verwaltungsaktes beantragte die Beschwerdeführerin am 15. Juni 2000 unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Formulars die Gewährung von Arbeitslosengeld, welches sie vom 15. Juni bis 27. August 2000 bezogen hat.

Mit dem am 7. Dezember 2000 ausgegebenen Antragsformular beantragte sie die Gewährung der Notstandshilfe. In der mit ihr am 10. Jänner 2002 aufgenommenen Niederschrift beantragte sie bezüglich der Antragstellung vom 7. Dezember 2000 den bescheidmäßigen Abspruch über den Beginn des Leistungsanspruches.

Mit Bescheid vom 10. Jänner 2002 stellte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice fest, der Beschwerdeführerin werde auf Grund der erfolgreichen neuerlichen Geltendmachung ihres Anspruches am 7. Dezember 2000 Notstandshilfe ab diesem Zeitpunkt gewährt.

In ihrer Berufung vom 23. Jänner 2002 führt die Beschwerdeführerin aus, ihr Dienstverhältnis bei der Firma B. im August 2000 sei lediglich geringfügig gewesen, weshalb keine Arbeitsbescheinigung habe erbracht werden können. Anlässlich ihrer persönlichen Vorsprache bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 23. Oktober 2000 sei ihr aus unerklärlichen Gründen kein neuer "Antrag" ausgefolgt worden.

Am 27. Februar 2002 wurde von der belangten Behörde mit der Beschwerdeführerin eine Niederschrift anlässlich ihrer Berufung aufgenommen. Darin ist unter anderem Folgendes zu lesen:

"Danach gefragt, wie es zu meinem Verlangen nach Ausstellung eines Feststellungsbescheides am 10.01.2002 für das Jahr 2000 kam, gebe ich an, dass ich früher nicht gewusst habe, dass man S 2.000,-

bis 3.000,- dazuverdienen kann und man nicht abgemeldet wird. Ich weiß nicht, warum mich Herr K. damals abgemeldet hat."

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 2002 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. In ihrer Begründung führt die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe nach ihrer Beschäftigung bis 11. Juni 2000 (Arbeitsbescheinigung) am 15. Juni 2001 (gemeint: 2000) die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes beantragt. Der Anspruch sei ab 15. Juni 2000 in einer Höhe von S 247,10 täglich und einer Bezugsdauer von 140 Tagen anerkannt worden. Im Zuge einer Kontaktaufnahme mit der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 18. Juli 2000 habe sie erklärt, sie habe gedacht, am Job Coaching nicht teilnehmen zu müssen, weil sie am 28. August 2000 zu arbeiten beginne. Daraufhin sei eine Abmeldung vom Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung ab 28. August 2000 vereinbart und in der Meldekarte vermerkt worden. Sie habe Arbeitslosengeld bis (einschließlich) 27. August 2000 erhalten. Es seien 66 Resttage geblieben. Am 23. Oktober 2000 habe sich die Beschwerdeführerin nach einem kurzen Dienstverhältnis wieder arbeitslos gemeldet. Anlässlich dieser Kontaktaufnahme sei vereinbart worden, das Arbeitsmarktservice werde nach Erhalt der Arbeitsbescheinigung von Seiten der Beschwerdeführerin die nötigen Veranlassungen treffen. Eine solche Arbeitsbescheinigung sei jedoch nie vorgelegt worden, späteren Behauptungen der Beschwerdeführerin und den Versicherungsdaten zufolge habe es sich bei der von der Beschwerdeführerin vom 23. August bis 25. Oktober 2000 ausgeübten Beschäftigung bei der I. KEG um ein geringfügig entlohntes Dienstverhältnis gehandelt. Nach der Erklärung der Beschwerdeführerin vom 7. Dezember 2000, welche sie am 27. Februar 2002 bestätigt habe, habe sich die Beschwerdeführerin von 23. Oktober bis 30. November 2000 im Krankenstand befunden. Nach einer weiteren Erklärung vom 8. März 2002 unter Bezugnahme auf eine ärztliche Bestätigung habe der Krankenstand von 16. Oktober bis 24. November 2000 gedauert. Im Zuge einer weiteren Kontaktaufnahme mit dem Arbeitsmarktservice am 7. Dezember 2000 sei ein "Antrag auf Leistungsgewährung" an die Beschwerdeführerin ausgegeben und wieder fristgerecht abgegeben worden, weshalb ein Anspruch ab 7. Dezember 2000 gewährt worden sei. "Umstände wie Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit mit Krankengeldbezug oder arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung" seien Umstände, die dem Arbeitsmarktservice zu melden seien, und würden ein Ruhen bzw. einen Wegfall des Leistungsanspruches bewirken. Im Falle der Beschwerdeführerin (Arbeitslosengeldbezug bis einschließlich 27. August 2000, verbleibende 66 Resttage sowie Krankenstand in der Dauer von 39 bzw. 40 Tagen) sei die Geltendmachung eines weiteren Leistungsanspruches zum 7. Dezember 2000 jedenfalls formgebunden mittels Antragsformulares erforderlich gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die Beschwerdeführerin führt aus, sie erachte sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gewährung von Arbeitslosengeld verletzt. Am 18. Juli 2000 habe sie dem Arbeitsmarktservice bekannt gegeben, dass sie ab 28. August 2000 geringfügig beschäftigt werde. Dieses Dienstverhältnis habe am 22. Oktober 2000 geendet, woraufhin sie sich am darauf folgenden Tag beim Arbeitsmarktservice erneut persönlich arbeitslos gemeldet habe. Der zuständige Referent, Herr K., habe ihr keinen Antrag auf Leistungsgewährung ausgefolgt, was sie auch in ihrer Berufung gerügt habe. Auf dieses Vorbringen sei die belangte Behörde jedoch nicht eingegangen. Herr K. hätte Auskunft darüber geben müssen, aus welchen Gründen er zum besagten Zeitpunkt den entsprechenden Antrag nicht ausgefolgt habe bzw. ihr Vorbringen, es habe sich um eine geringfügige Beschäftigung gehandelt, unberücksichtigt geblieben sei. Die belangte Behörde selbst habe festgestellt, dass ein geringfügig bezahltes Arbeitsverhältnis vorgelegen sei. Schon deswegen hätte ihr ab 23. Oktober 2000 Arbeitslosengeld gewährt werden müssen. Auf Grund ihrer "Wiedermeldung am 23.10.2000 hätte der Bezug von Arbeitslosengeld nicht unterbrochen werden dürfen".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat laut der Niederschrift vom 10. Jänner 2002 beantragt: "Bezüglich meiner Antragstellung vom 07.12.2000 ersuche ich um Ausstellung eines Feststellungsbescheides bezüglich Datum der Geltendmachung". In ihrem Rechtsmittel vom 23. Jänner 2002 hat sie "Berufung gegen den Bescheid vom 10.01.2002" erhoben.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin das ihr am 7. Dezember 2000 ausgefolgte Antragsformular innerhalb der gesetzten Frist persönlich abgegeben hat. Der Beginn einer Leistung ab 7. Dezember 2000, also ab Ausgabe des Antragsformulars ist daher nicht rechtswidrig.

Die belangte Behörde hat aber übersehen, dass der Zuerkennung von Notstandshilfe Folgendes entgegenstand:

Einerseits ist nach der Begründung des angefochtenen Bescheides auf Grund der Antragstellung der Beschwerdeführerin vom 15. Juni 2000 ein - nicht verbrauchter - Anspruch auf Arbeitslosengeld gegeben. Andererseits ist daraufhin zu weisen, dass sich die Beschwerdeführerin in der Niederschrift vom 10. Jänner 2002 vor der regionalen Geschäftsstelle (siehe dazu auch den Amtsvermerk der regionalen Geschäftsstelle von diesem Datum), im Punkt 1 der Berufung vom 23. Jänner 2002 und in der Niederschrift vor der belangten Behörde vom 27. Februar 2002, dagegen ausgesprochen hat, dass sie vom Leistungsbezug im August 2000 abgemeldet worden ist. Dieser Antrag auf bescheidmäßigen Abspruch über das Ende des mit 15. Juni 2000 begonnenen Leistungsanspruches (zur Zulässigkeit eines solchen Antrages vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, 99/08/0023) ist nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes erstmals im Berufungsverfahren gestellt worden; die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat darüber noch nicht entschieden. Die Auffassung der belangten Behörde, trotz eines (Rest-)Anspruches auf Arbeitslosengeld und trotz eines nicht erledigten Antrages über diesen Anspruch eine Entscheidung herbeizuführen, bereits die Zuerkennung der Notstandshilfe aussprechen zu können, ist rechtswidrig, weil ein solcher Zuspruch die Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld voraussetzt (§ 33 Abs. 1 AlVG).

Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im fortzusetzenden Verfahren wird die regionale Geschäftsstelle diesbezüglich zu beachten haben, dass in der Ankündigung der Beschwerdeführerin, wieder zu arbeiten zu beginnen, kein Einstellungsgrund im Sinne des § 24 Abs. 1 AlVG gelegen ist.

Die Mitteilung der Beschwerdeführerin ist lediglich als Anzeige im Sinne des § 50 AlVG anzusehen. Auf Grund einer solchen Anzeige hat die regionale Geschäftsstelle des AMS zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist. Die Ankündigung kann in dieser Form nicht mit der Meldung einer die Arbeitslosigkeit gemäß § 12 AlVG ausschließenden Beschäftigung gleichgesetzt werden. Vielmehr hat in einem solchen Fall die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice entsprechend der ihr obliegenden amtswegigen Ermittlungspflicht nach den §§ 37, 39 Abs. 2 AVG zu klären, ob tatsächlich ab dem genannten Zeitpunkt die Tatbestandsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit wegen Eintrittes der Beschwerdeführerin in ein die Arbeitslosigkeit ausschließendes Arbeitsverhältnis weggefallen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. September 1995, 94/08/0043, vom 26. März 1996, 94/08/0013, und vom 31. Mai 2000, 98/08/0387). Es wäre nach § 12 Abs. 1, Abs. 3 lit. a und Abs. 6 lit. a AlVG i.V.m. § 10 Abs. 1 ASVG einerseits der tatsächliche Antritt der Arbeit und andererseits ein Entgeltanspruch bzw. ein tatsächliches Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze erforderlich gewesen, um als Einstellungsgrund im Sinne des § 24 Abs. 1 AlVG herangezogen werden zu können (dazu, dass die Einstellung nur mit Bescheid erfolgen kann, vgl. die hg. Erkenntnisse vom 31. Mai 2000, 98/08/0387, und vom 19. Jänner 1999, 96/08/0399).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer (vgl. Mayer, B-VG, § 48 VwGG I.4.), sodass das darauf gerichtete Begehren abzuweisen war.

Wien, am 26. Jänner 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002080195.X00

Im RIS seit

04.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten