RS OGH 2008/5/8 15Os6/08h (15Os7/08f), 15Os10/08x (15Os23/08h, 15Os24/08f), 15Os172/08w (15Os173/08t

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 08.05.2008
beobachten
merken

Norm

ABGB §1330 A
ABGB §1330 BI
MRK Art10 Abs2 IV3c
MRK Art10 Abs2 IV4a
StGB §111

Rechtssatz

Bei der Feststellung des Bedeutungsinhalts ist stets nicht bloß die inkriminierte Äußerung selbst, sondern auch das Anlass dafür gebende Ereignis zu beachten. Wie der EGMR bereits im Fall Lingens gegen Österreich (EuGRZ 1986, 424) betont hat, besteht unter dem Aspekt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 MRK - das bereits auf der Tatbestandsebene in die Prüfung einzufließen hat - eine Wechselwirkung zwischen der Bedeutung des kritischen Anliegens und der Schärfe der Kritik, die bei der Einschätzung der politischen Kontroverse zu berücksichtigen ist.

Entscheidungstexte

  • 15 Os 6/08h
    Entscheidungstext OGH 08.05.2008 15 Os 6/08h
    Beisatz: Bei künstlerischen Ausdrucksformen wie Kabarett, Karikatur, Parodie, Satire etc ist stets deren charakteristisches Stilmittel, nämlich die Verfremdung der Realität in Rechnung zu stellen. Zur Beurteilung eines allenfalls tatbestandsmäßigen ehrverletzenden Aussagekerns ist eine solche Darstellung bzw Darbietung zunächst ihres überzeichnenden Gewandes zu entkleiden. (T1)
  • 15 Os 10/08x
    Entscheidungstext OGH 11.09.2008 15 Os 10/08x
    Vgl; Beisatz: Bei einer auf einen Spitzenfunktionär einer politischen Partei bezogenen Karikatur spricht schon der Umstand, dass sie im Politikteil einer Tageszeitung abgedruckt ist, für die unmittelbare Verbindung zu den von eben diesem bzw seiner Partei vertretenen politischen Positionen, auch wenn die Zeichnung bzw der Text nicht ausdrücklich darauf Bezug nehmen. (T2)
    Beisatz: Ein Eingriff in Art 10 MRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR nur dann zulässig, wenn derselbe „in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich ist und einem dringenden gesellschaftlichen Bedürfnis entspricht" (EGMR 22.2.2007, Nr 5266/03, Nikowitz/Verlagsgruppe News GmbH gg Österreich [= MR 2007, 71] § 21). Bezieht sich eine Satire auf die öffentliche Position einer Person als Politiker, so hat dieser gegenüber solcher Kritik mehr Toleranz aufzubringen (EGMR 25.1.2007, Nr 68354/01, Vereinigung bildender Künstler gg Österreich [= MR 2007/124]). (T3)
  • 15 Os 172/08w
    Entscheidungstext OGH 24.06.2009 15 Os 172/08w
    Beisatz: Dabei ist zu berücksichtigen, dass der EGMR in seiner Rechtsprechung die Grenzen für die nach Art 10 Abs 2 MRK zulässigen Einschränkungen von politischen Äußerungen in Medien äußerst eng zieht. (T4)
    Beisatz: Bei einem auf einen Spitzenfunktionär einer politischen Partei bezogenen satirischen Beitrag spricht die darin enthaltene politische Kritik an von zum Teil hochrangigen Repräsentanten dieser Partei vertretenen, infolge öffentlicher Diskussion und medialer Berichterstattung bekannten extremen Positionen dafür, dass von der Aussage, (auch) in seinem „Umfeld wimmelt es von braunen Ratten" nicht nur das persönliche, von ihm selbst ausgewählte Umfeld betroffen ist, sondern die von ihm geführte Partei. (T5)
    Beis wie T3
  • Bsw 24773/94
    Entscheidungstext AUSL EGMR 21.03.2000 Bsw 24773/94
    Vgl aber; Veröff: NL 2000,57
  • Bsw 28525/95
    Entscheidungstext AUSL EGMR 26.02.2002 Bsw 28525/95
    Vgl auch; Veröff: NL 2002,29
  • Bsw 66298/01
    Entscheidungstext AUSL EGMR 13.12.2005 Bsw 66298/01
    Vgl auch; Veröff: NL 2005,298
  • 15 Os 151/10k
    Entscheidungstext OGH 29.06.2011 15 Os 151/10k
    Vgl auch; Beis ähnlich wie T4; Beisatz: Die Grenzen strafloser Kritik an einem Politiker sind jedenfalls überschritten, wenn ein abfälliges Werturteil ohne hinreichendes Tatsachensubstrat geäußert wird. (T6)
  • Bsw 27209/03
    Entscheidungstext AUSL EGMR 06.10.2009 Bsw 27209/03
    Vgl auch; Veröff: NL 2009,287
  • Bsw 20981/10
    Entscheidungstext AUSL EGMR 17.04.2014 Bsw 20981/10
    Vgl auch; nur: Bei der Feststellung des Bedeutungsinhalts ist stets nicht bloß die inkriminierte Äußerung selbst, sondern auch das Anlass dafür gebende Ereignis zu beachten. (T7)
    Veröff: NL 2014,130
  • 6 Ob 134/19b
    Entscheidungstext OGH 24.10.2019 6 Ob 134/19b
    Beisatz: Hier: Eine politische Wertung, die nicht den Vorwurf eines persönlich unehrenhaften Verhaltens des politischen Gegners enthält, ist nicht tatbildlich im Sinne des § 1330 Abs 1 oder Abs 2 ABGB. (T8)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:RS0123666

Im RIS seit

07.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten