TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/16 2002/04/0085

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Veröffentlicht am 16.02.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §7 Abs1;
GewO 1994 §7 Abs2;
GewO 1994 §7 Abs5;
GewO 1994 §7 Abs6;
VwGG §34 Abs1;
WKG 1998 §137 Abs1;
WKG 1998 §137;
WKG 1998 §138 Abs2;
WKG 1998 §44 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der W GmbH & Co KG in W, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Grazbachgasse 39/III, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 16. Oktober 2001, Zl. 38.590/15-III/A/5/01, betreffend Fachgruppenmitgliedschaft nach dem Wirtschaftskammergesetz (mitbeteiligte Parteien: 1.) Wirtschaftskammer Österreich, 1045 Wien, Wiedner Hauptstraße 63, 2.) Wirtschaftskammer Steiermark, 8021 Graz, Körblergasse 111-113, 3.) Österreichischer Gewerkschaftsbund in Wien, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach und Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Köllnerhofgasse 6/2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der drittmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der drittmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im aufsichtsbehördlichen Verfahren ergangenen Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 19. Oktober 2001 wurde dem Antrag der drittmitbeteiligten Partei Folge gegeben und ausgesprochen, dass die Zuordnung der beschwerdeführenden Partei zur Fachgruppe der Tischler bei der Wirtschaftskammer Steiermark rechtswidrig ist. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die drittmitbeteiligte Partei habe mit Schriftsatz vom 21. Oktober 1997 die Einberufung eines paritätischen Ausschusses bei der Landeskammer und Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung innerhalb von drei Monaten dahingehend beantragt, dass die beschwerdeführende Partei der Fachgruppe Industrie, innerhalb der für sie zuständigen Wirtschaftskammer zugeordnet werde. Begründend sei vorgebracht worden, es würde u.a. die beschwerdeführende Partei ihre Tätigkeit zwar in Form eines Industriebetriebes ausüben, tatsächlich aber innerhalb ihrer Kammerorganisation nicht dem Fachverband der Holz verarbeitenden Industrie, sondern der Innung der Tischler angehören. Dies bringe dem Unternehmen zu Lasten der bei ihm beschäftigten Arbeiter und Angestellten den Vorteil, dass die Arbeitnehmer lediglich nach dem Kollektivvertrag für das holz- und kunststoffverarbeitende Gewerbe oder nach dem Kollektivvertrag für Angestellte des Gewerbes entlohnt werden müssten. Die Entgeltgestaltung in diesen Kollektivverträgen sei ungünstiger als jene im Kollektivvertrag für die Holz verarbeitende Industrie oder für Angestellte der Industrie. Da weder der bei der Wirtschaftskammer Steiermark noch in der Folge der bei der Wirtschaftskammer Österreich eingerichtete paritätische Ausschuss innerhalb der gesetzlichen Frist zu einer einvernehmlichen Regelung gelangt seien, sei der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zur Entscheidung berufen; dieser könne dabei von den Unternehmensdaten ausgehen, die von den paritätischen Ausschüssen eingeholt und von der beschwerdeführende Partei unbestritten gelassen worden seien. Es sei sohin festzuhalten, dass die beschwerdeführende Partei mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftige. Voraussetzung für eine aufsichtsbehördliche Entscheidung gemäß § 137 Wirtschaftskammergesetz (WKG) sei neben der Aufsichtsbeschwerde durch eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer, ob die Fachgruppenzugehörigkeit der von der Aufsichtsbeschwerde betroffenen beschwerdeführenden Partei die Interessen der in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer berühre, wobei bereits ein überblicksweiser Vergleich der in Betracht kommenden Kollektivverträge eine solche Schlechterstellung als möglich erscheinen lasse. Im Zuge des Verfahrens sei das Gutachten eines gewerbetechnischen Amtssachverständigen eingeholt worden. In diesem - im Einzelnen dargestellten - Gutachten sei der Amtssachverständige nach Einsichtnahme in den gewerbebehördlichen Betriebsanlagenakt - eine Besichtung des Betriebes sei von der beschwerdeführenden Partei verweigert worden - zum Ergebnis gelangt, die im Betrieb verwendeten Maschinen und Geräte ebenso wie die Betriebsgröße zeigten einen hohen Anlage- und Betriebskapitaleinsatz. Für den Betriebsablauf wesentliche Maschinen und Einrichtungen (Fertigungsstraßen, Heizungsanlagen bis 60 MW, Absauganlagen bis ca. 28 m3/s, Trockenkammer etc.) sowie die Größe und Vielzahl an Maschinen und Einrichtungen (mehrere Parkettfertigungsstraßen, 26 Trockenkammern, 6 Sägespänesilos, 95.000 m2 Lagerplatz) sprächen für eine industrielle Fertigung. Das Schwergewicht des Betriebes liege auf serienmäßigen Erzeugungen und damit verbundenen typisierten Verrichtungen in voll- oder teilautomatisierter Betriebsweise; an den Parkettstraßen laufe die Produktion großteils vollautomatisch ab, die Arbeit der Mitarbeiter beschränke sich auf Tätigkeiten wie Werkstücke einlegen und vorsortieren, Fertigungsvorgänge überwachen, Paletten versorgen, Endkontrollieren und Verpacken. Die beschwerdeführende Partei sei der größte Parketthersteller Österreichs, die Durchführung von Arbeiten wie Lohntrocknung und Lohnschleiferei, der Vertrieb der Produkte über Händler sowie das Zahlenverhältnis zwischen Meistern und Arbeitern von 4:221 sprächen für das Vorliegen eines Industriebetriebes. Auf Grund der maschinellen Ausstattung und Größe des Betriebes sei von einer weit gehenden Arbeitsteilung im Rahmen eines vorbestimmten Arbeitsablaufes sowie von regelmäßig wiederkehrenden Teilverrichtungen der Arbeitskräfte auszugehen. Selbst wenn insbesondere bei Spezialanfertigungen noch handwerkliche Tätigkeiten durchgeführt würden, so liege das Schwergewicht doch auf der voll- oder teilautomatisierten Betriebsweise. Es sei daher festzustellen, dass es sich insbesondere auf Grund der Art des Arbeitsablaufes um einen Industriebetrieb handle.

Im Zuge des Verfahrens sei weiters eine die Kollektivverträge im Holz verarbeitenden Gewerbe mit jenen der Holz verarbeitenden Industrie vergleichende Stellungnahme der Sektion "Arbeitsrecht" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit eingeholt worden. Dieser - im Einzelnen dargestellte - Vergleich lasse die theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung von Arbeitnehmerinteressen durch Einstellung von Mitarbeitern zu den Bedingungen des Kollektivvertrages des Gewerbes erkennen. Dass die Mitarbeiter der beschwerdeführenden Partei - wie behauptet - überkollektivvertraglich entlohnt würden, ändere daran nichts, weil es nicht um tatsächliche Schlechterstellungen gehe, sondern die Möglichkeit einer Beeinträchtigung von Arbeitnehmerinteressen genüge. Gleiches gelte für das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, die Mitarbeiter würden in einigen Punkten auch bei Anwendung des Kollektivvertrages "Industrie" benachteiligt. Dass bestimmte Interessen der beschwerdeführenden Partei ausschließlich durch die Sektion "Gewerbe", nicht aber durch die Sektion "Industrie" vertreten werden könnten, habe die beschwerdeführende Partei, obwohl sie dazu ausdrücklich befragt worden sei, nicht vorgebracht. Was jedoch die Auffassung der beschwerdeführenden Partei anlange, die Fachgruppenzugehörigkeit sei in Bindung an die Gewerbeberechtigung vorzunehmen, übersehe sie, dass die Wirtschaftskammer bei der Zuordnung von Kammermitgliedern an die Entscheidung der Gewerbebehörden nicht gebunden sei. Schließlich werde auch die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, die Antragslegitimation des Österreichischen Gewerkschaftsbundes verletze das Recht der Wirtschaftskammern auf Selbstverwaltung, nicht geteilt.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 10. Juni 2002, B 1631/01, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die drittmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird; die erst- und zweitmitbeteiligte Partei beteiligten sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge im Recht auf Unterbleiben der aufsichtsbehördlichen Entscheidung, ihre Zuordnung zur Fachgruppe der Tischler bei der Wirtschaftskammer Steiermark sei rechtswidrig, verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, die Veranlassung der Überprüfung der Fachgruppenzugehörigkeit eines Mitgliedes der Wirtschaftskammer über Antrag der drittmitbeteiligten Partei sei unzulässig, weil diese Überprüfung einem Instanzenzug an eine außerhalb der Selbstverwaltung angesiedelte Behörde gleichkomme. Weiters sei das Verfahren zur Ausübung des Aufsichtsrechtes nicht näher bestimmt, zumal das AVG nicht anzuwenden sei und diese "planwidrige Lücke" durch Analogie nicht geschlossen werden könne. Schließlich zähle die Frage, welcher Fachgruppe ein Mitgliedsbetrieb zuzuordnen sei, zu den "Kernbereichen des eigenen Wirkungsbereiches". Eine Parteistellung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer in diesem Bereich sei sachlich nicht zu rechtfertigen. Die Interessenvertretung der Arbeitgeber müsse frei von Einflüssen durch die Interessenvertretung der Arbeitnehmer sein. Was die Zugehörigkeit zur Fachgruppe der Industrie angehe, werde diese nach der Ausübung in Form eines Industriebetriebes bestimmt. Da bei der Parkettproduktion der beschwerdeführenden Partei eine "zunehmend auftragsbezogene Fertigung" vorliege, wie das auch in der gutachtlichen Stellungnahme dargestellt worden sei, d.h. den Wünschen jedes einzelnen Auftraggebers angepasste Parketten hergestellt würden, seien die Kriterien des § 7 GewO, insbesondere hinsichtlich des Erfordernisses der Serienproduktion, nicht erfüllt. Konkrete Feststellungen in diesem Punkt habe die belangte Behörde jedoch unterlassen. Unberücksichtigt sei auch geblieben, dass in der Gewerbeberechtigung eine Vorfragenentscheidung für die Fachgruppenzuordnung liege. Wenn daher die beschwerdeführende Partei unbestrittener Maßen über die Gewerbeberechtigung zur Ausübung Holz verarbeitenden Gewerbes verfüge, so komme eine Zuordnung zur Fachgruppe Industrie nicht in Betracht. Die Fachgruppenzuordnung richte sich zwingend nach der Gewerbeberechtigung. Schließlich sei das Verfahren mangelhaft geblieben, weil Feststellungen über die Anzahl der Arbeitnehmer der beschwerdeführenden Partei im Zeitpunkt der Antragstellung durch die drittmitbeteiligte Partei nicht getroffen worden seien. Es fehlten auch Feststellungen betreffend die nachteilige Berührung von Arbeitnehmerinteressen als Antragsvoraussetzung. Dass Kollektivverträge in verschiedenen Fragen von einander abweichende Regelungen träfen, bedeute noch nicht zwingend eine nachteilige Berührung von Arbeitnehmerinteressen. Auch der Kollektivvertrag "Industrie" sei für die Mitarbeiter mit - im Einzelnen genannten - Nachteilen verbunden. Die belangte Behörde habe es jedoch unterlassen, entsprechend dem in der Arbeitsrechtlehre entwickelten Günstigkeitsprinzip einen Gruppenvergleich der in Frage kommenden Regelungen vorzunehmen. Erst dann hätte die Antragslegitimation der drittmitbeteiligten Partei beurteilt werden können. Schließlich habe in der Sache eine Behörde und nicht ein unabhängiges und unparteiisches auf Gesetz beruhendes Gericht entschieden, obwohl zivilrechtliche Ansprüche im Sinne des Art. 6 EMRK betroffen seien und es wirkten die mit den unterschiedlichen Fachgruppenzuordnungen verbundenen finanziellen Folgen (Höhe der Beiträge, anzuwendender Kollektivvertrag) wettbewerbsverzerrend, was einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 lit. d EGV bedeute.

Gemäß § 43 Abs. 1 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG) sind die Landeskammern nach Maßgabe der Fachorganisationsordnung berechtigt, Fachgruppen zu errichten, wenn es die wirtschaftliche Bedeutung des Berufszweiges erfordert und die Bedeckung des Aufwandes gewährleistet ist.

Die Fachgruppen haben gemäß § 43 Abs. 3 WKG im eigenen Wirkungsbereich die fachlichen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten.

Die Mitgliedschaft zu einer Fachgruppe wird gemäß § 43 Abs. 5 WKG durch die Fachorganisationsordnung bestimmt.

Die Zuordnung eines Unternehmens zu einer oder mehreren Fachgruppe(n) erfolgt gemäß § 44 Abs. 1 WKG durch die Landeskammer durch Eintragung in das Mitgliederverzeichnis.

Die Zugehörigkeit zu den Fachgruppen der Industrie bestimmt sich gemäß § 44 Abs. 5 WKG nach der Ausübung in Form eines Industriebetriebes. Die Spartenordnung kann auf der Grundlage des § 7 GewO 1994 nähere Grundsätze für die Zuordnung von Unternehmen zu den betreffenden Sparten festlegen.

Erhebt eine in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer eine Aufsichtsbeschwerde in einer Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes, ist gemäß § 137 Abs. 1 WKG ein paritätischer Ausschuss einzurichten.

Kommt der Ausschuss gemäß Abs. 1 nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Antragstellung zu einer einvernehmlichen Regelung, ist gemäß § 137 Abs. 2 WKG ein solcher paritätischer Ausschuss bei der Bundeskammer einzurichten.

Kommt der Ausschuss gemäß Abs. 2 nicht innerhalb von weiteren drei Monaten zu einer einvernehmlichen Regelung oder wird die einvernehmliche Lösung nicht vollzogen, hat gemäß § 137 Abs. 3 WKG die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu entscheiden.

Im aufsichtsbehördlichen Verfahren haben gemäß § 138 Abs. 1 WKG die nach diesem Bundesgesetz errichteten Organisationen der gewerblichen Wirtschaft einschließlich der Sparten und Fachvertretungen sowie die betroffenen Organe und Organwalter und das betroffene Mitglied Parteistellung sowie das Recht, gegen aufsichtsbehördliche Bescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof oder dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen. Dies gilt gemäß § 138 Abs. 2 WKG auch für die in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer, wenn in einem aufsichtsbehördlichen Verfahren über die Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes mit mehr als 250 Arbeitnehmern Arbeitnehmerinteressen berührt sind.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf sachverständiger Grundlage gewonnene Anschauung zu Grunde, die von der beschwerdeführenden Partei in ihrem Betrieb ausgeübte Tätigkeit erfülle die im § 7 GewO 1994 dargestellten, für einen Industriebetrieb typischen Merkmale. Zufolge Erfüllung der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zur Fachgruppe "Industrie" sei die Zuordnung der beschwerdeführenden Partei zur Fachgruppe der Tischler bei der Wirtschaftskammer Steiermark rechtswidrig.

Die beschwerdeführende Partei ist den auf dem eingeholten gewerbetechnischen Gutachten beruhenden Annahmen der belangten Behörde weder im Verwaltungsverfahren noch selbst in der vorliegenden Beschwerde konkret und fachlich fundiert entgegen getreten. Sie meint vielmehr, es könne aus dem Hinweis im Gutachten, es bestehe im Bereich ihrer Parkettproduktion "zunehmend auftragsbezogene Fertigung", abgeleitet werden, dass sie im Sinn des § 7 Abs. 6 GewO 1994" überwiegend an die Einzelperson angepasste Waren erzeuge", weiters, dass diesfalls § 7 Abs. 1 bis 5 GewO 1994 auf sie keine Anwendung finden und folglich auch nicht angenommen werden könne, dass es sich bei ihrem Betrieb um einen Industriebetrieb handle.

Gemäß § 7 Abs. 1 GewO 1994 wird ein Gewerbe in der Form eines Industriebetriebes ausgeübt, wenn für den Betrieb im Wesentlichen nachfolgende Merkmale bestimmend sind:

1.

hoher Einsatz von Anlage- und Betriebskapital;

2.

Verwendung andersartiger als der dem Handwerk und dem gebundenen Gewerben gemäßen Maschinen und technischen Einrichtungen oder Verwendung einer Vielzahl von Maschinen und technischen Einrichtungen gleichen Verwendungszweckes;

              3.              Einsatz von Maschinen und technischen Einrichtungen überwiegend in räumlich oder organisatorisch zusammenhängenden Betriebsstätten;

4.

serienmäßige Erzeugung, typisierte Verrichtungen;

5.

weit gehende Arbeitsteilung im Rahmen eines vorbestimmten Arbeitsablaufes;

              6.              größere Zahl von ständig beschäftigten Arbeitnehmern und Überwiegen der nur mit bestimmten regelmäßig wiederkehrenden Teilverrichtungen beschäftigten Arbeitskräfte oder automatisierte Betriebsweise;

              7.              organisatorische Trennung in eine technische und eine kaufmännische Führung, wobei sich die Mitarbeit des Gewerbetreibenden im Wesentlichen auf leitende Tätigkeiten beschränkt.

Die Merkmale nach Abs. 1 müssen gemäß § 7 Abs. 2 GewO 1994 nur insoweit vorliegen, als sie für die Gestaltung des Arbeitsablaufes bedeutsam sind; sie müssen auch nicht alle vorliegen, doch müssen sie gegenüber den für eine andere Betriebsform sprechenden Merkmalen überwiegen.

Die Abs. 1 bis 5 des § 7 finden gemäß § 7 Abs. 6 GewO 1994 auf die Handelsgewerbe, Verkehrsgewerbe, Tourismusgewerbe, ferner auf Gewerbe, die überwiegend an die Einzelperson angepasste Waren erzeugen, die persönliche oder überwiegend an die Einzelbedürfnisse angepasste Dienstleistungen erbringen und schließlich auf Gewerbe, die Waren im Wege der Vergabe der Arbeit an Unternehmer oder unselbstständige Heimarbeiter herstellen, jedenfalls keine Anwendung.

Die beschwerdeführende Partei übersieht bei ihrem Vorbringen zunächst, dass "auftragsbezogene Fertigung" nicht zwanglos mit der Erzeugung von "an die Einzelperson angepasste Waren" im Sinne des § 7 Abs. 6 GewO 1994 gleichgesetzt werden kann. Sie übersieht vor allem aber, dass § 7 Abs. 6 GewO 1994 es keineswegs ausschließt, eines der hier genannten Gewerbe in Form eines Industriebetriebes im Sinn des § 7 Abs. 1 bis 5 GewO 1994 zu betreiben. Der normative Inhalt dieser Bestimmung liegt vielmehr darin, die hier genannten Gewerbe von den gewerberechtlich für die Gewerbeausübung in Form eines Industriebetriebes (privilegierenden) Rechtswirkungen - insbesondere vom Verzicht auf den Befähigungsnachweis (vgl. § 7 Abs. 5 GewO 1994) - auszunehmen. Der (tatsächlichen) Ausübung der hier genannten Gewerbe in Form eines Industriebetriebes steht diese Bestimmung jedoch keineswegs hindernd entgegen.

Da es nach § 44 Abs. 5 WKG auf die tatsächliche Ausübung des Gewerbes in Form eines Industriebetriebes ankommt, hindert bei Erfüllung der dafür maßgeblichen, im § 7 Abs. 1 bis 5 GewO 1994 genannten Kriterien der Umstand, dass für das Gewerbe gemäß § 7 Abs. 6 GewO 1994 eine Ausübung in Form eines Industriebetriebes nicht angemeldet werden könnte, eine Beurteilung der Tätigkeit als Industriebetrieb i.S.d. § 44 Abs. 5 WKG nicht. Bei überwiegender Erfüllung der im § 7 GewO 1994 genannten, für die Betriebsform eines Industriebetriebes sprechenden Merkmale (davon kann bei der beschwerdeführenden Partei angesichts der - unbestritten gebliebenen - Darlegungen des gewebetechnischen Sachverständigen über Betriebsausstattung und Betriebsweise unbedenklich ausgegangen werden) ist es daher ohne Belang, ob im Betrieb - wie die beschwerdeführende Partei behauptet - überwiegend "an die Einzelperson angepasste Waren" erzeugt werden.

Gleichfalls nicht zu folgen ist der Auffassung der beschwerdeführenden Partei, es habe die Fachgruppenzuordnung in Bindung an die erteilte Gewerbeberechtigung zu erfolgen, eine Zuordnung zur Fachgruppe "Industrie" komme daher nur in Betracht, wenn eine Gewerbeberechtigung für die Gewerbeausübung in Form eines Industriebetriebes erworben worden sei. Die einem Gewerbeberechtigten erteilte Gewerbeberechtigung schließt es nämlich keineswegs aus, dass dieser sein Gewerbe industrieförmig ausübt; der Wortlaut des Gewerbescheines allein besagt daher insofern über die Fachgruppenzugehörigkeit noch nichts. Vielmehr ist die Erfüllung der diesbezüglich normierten Voraussetzungen einer selbstständigen Beurteilung zu unterziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 94/04/0247). Von einer gebundenen Entscheidung kann insoweit daher nicht die Rede sein.

Dem eine Verletzung des Rechtes auf Selbstverwaltung geltenden machenden Beschwerdevorbringen genügt es zu entgegnen, dass ein solches Recht des Selbstverwaltungskörpers gegebenenfalls von diesem releviert werden kann; der beschwerdeführenden Partei kommt dieses Recht allerdings nicht zu. Soweit die beschwerdeführende Partei jedoch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet - auf das Verfahren der belangten Behörde war gemäß Art. II Abs. 4 EGVG das AVG anzuwenden - hat sie nicht sogleich auch dargetan, zu welchem im Ergebnis anderen Bescheid die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel gelangt wäre. Im Übrigen hängt - im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Partei - die Legitimation einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer zur Aufsichtsbeschwerde gemäß § 137 WKG nicht von der Beschäftigung von mehr als 250 Arbeitnehmern durch das Kammermitglied ab; dies hat erst für die Parteistellung im aufsichtsbehördlichen Verfahren und für die Befugnis zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof oder vor dem Verfassungsgerichtshof Bedeutung (vgl. § 138 Abs. 2 WKG).

In Ansehung des Vorliegens einer "Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit" hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 99/04/0072, bzw. vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/04/0069, ausgesprochen, dass darunter nicht nur ein Sachverhalt zu subsumieren ist, der eine tatsächliche Schlechterstellung von Arbeitnehmern im Einzelfall bereits zur Folge hatte, sondern jeder Sachverhalt, der geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen. Die Annahme der belangten Behörde, dass eine Anwendung des Kollektivvertrages "Gewerbe" statt einer Anwendung des Kollektivvertrages "Industrie" geeignet ist, im vorliegenden Fall Arbeitnehmerinteressen zu beeinträchtigen, ist auf dem Boden des - im angefochtenen Bescheid dargestellten - Vergleiches nicht als rechtswidrig zu beanstanden; dass der Kollektivvertrag "Gewerbe" in einzelnen Punkten - so die Beschwerde - günstiger sei als der Kollektivvertrag "Industrie" ändert an dieser Möglichkeit der Beeinträchtigung von Arbeitnehmerinteressen nichts. Entscheidend ist nämlich nicht, ob der zufolge der Fachgruppenzuordnung anzuwendende Kollektivvertrag eine Schlechterstellung von Arbeitnehmern bereits konkret mit sich gebracht hat, sondern lediglich, ob - wie dargestellt - die bloße Möglichkeit besteht, dass dadurch Arbeitnehmerinteressen beeinträchtigt werden können.

Soweit die beschwerdeführende Partei eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet, ist sie auf den oben zitierten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, mit dem die Behandlung ihrer an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde abgelehnt wurde. Zur Geltendmachung einer Verletzung von Gemeinschaftsrecht ist jedoch zu sagen, dass angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Unbedenklichkeit der Mitgliedschaft zur Wirtschaftskammer (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2003, Zl. 2001/04/0035) unerfindlich bleibt, inwieweit die ordnungsgemäße Zuordnung zu einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer "wettbewerbsverzerrend" - so die beschwerdeführende Partei - sein solle.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren der drittmitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im zuerkannten Pauschbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 16. Februar 2005

Schlagworte

Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002040085.X00

Im RIS seit

14.03.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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