TE OGH 1947/2/19 1Ob98/47

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Veröffentlicht am 19.02.1947
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Norm

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §56
EO §109
EO §111
EO §349
JN §42
KO §83
KO §84
Strafgesetz §101
Verwaltergesetz 1945 §10
Verwaltergesetz 1946 §5
Verwaltergesetz 1946 §6
Verwaltergesetz 1946 §7
Verwaltergesetz 1946 §10
Verwaltergesetz 1946 §11
Verwaltungsvollstreckungsgesetz §5
Verwaltungsvollstreckungsgesetz §7
ZPO §471 Z7
ZPO §477 Z6

Kopf

SZ 21/18

Spruch

Unzulässigkeit des Rechtsweges für die Räumungsklage des Eigentümers einer unter öffentlicher Verwaltung stehenden Liegenschaft gegen den öffentlichen Verwalter, der sie ohne Rechtstitel eigenmächtig bewohnt.

Entscheidung vom 19. Februar 1947, 1 Ob 98/47.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien.

Text

Das Erstgericht hat der auf Räumung des Hauses Wien, XVIII., Hstraße 27, samt zugehörigem Garten Folge gegeben, weil die Beklagte nach den Beweisergebnissen zwar vom Amerikanischen Property Control Office zur öffentlichen Verwalterin dieser Liegenschaften bestellt sei, jedoch keinen Rechtstitel zur Benützung des Hauses für ihre Zwecke besitze und somit dort ohne einen solchen Titel wohne. Aus Anlaß der von der Beklagten gegen dieses Urteil ergriffenen Berufung hob das Berufungsgericht gemäß § 477, Z. 6 ZPO., § 42 JN. das Urteil sowie das vorangegangene Verfahren als an der Nichtigkeit des § 477, Z. 6 ZPO. (Unzulässigkeit des Rechtsweges) leidend nach § 471, Z. 7 ZPO. auf und wies die Klage zurück. Gegen diese Entscheidung haben die Kläger Rekurs ergriffen mit dem Antrage, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Der Rekurs der klagenden Partei hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Das Berufungsgericht gelangte zu seiner Entscheidung aus der Erwägung, daß dem bisher Verfügungsberechtigten wohl nicht nach dem Wortlaute des Verwaltergesetzes vom 26. Juli 1946, BGBl. Nr. 157, das diese Frage nicht regle, aber nach dessen Zweck der ordentliche Rechtsweg gegen Verfügungen des öffentlichen Verwalters nicht offenstehe. Es stellte in Übereinstimmung mit dem Erstgericht fest, daß die Beklagte ohne Rechtsgrund die klägerischen Liegenschaften benütze, da sie weder mit den Klägern einen Mietvertrag abgeschlossen habe, noch gemäß § 10 VerwG. befugt sei, mit sich selbst zu kontrahieren, und ihr schließlich ein Wohnrecht nicht auch etwa gemäß § 11 VerwG. als eine Art Entlohnung für ihre Verwaltertätigkeit zugewiesen worden sei. Zu einer Abstellung ihres widerrechtlichen Verhaltens sei jedoch im Sinne des § 7 VerwG. nur die Aufsichtsbehörde berufen, weil nur sie dem Verwalter Weisungen erteilen könne, an welche er gebunden sei. Ein Eingreifen der ordentlichen Gerichte in Streitigkeiten zwischen dem öffentlichen Verwalter und dem Eigentümer sei aber unzulässig, und würde nur zu einer Zweigeleisigkeit von Administrativverfahren und Rechtsweg führen. Der Rechtsanspruch der Kläger sei darum im Verwaltungsverfahren vor der Aufsichtsbehörde des öffentlichen Verwalters durchzusetzen.

Der Oberste Gerichtshof tritt in der Frage der Rechtswidrigkeit der von der Beklagten eigenmächtig in Anspruch genommenen Benützung der klägerischen Liegenschaften der Rechtsansicht der Unterinstanzen aus deren zutreffenden Gründen bei.

Für die Entscheidung des Zuständigkeitsstreites erweist sich jedoch nicht die Beschaffenheit des Rechtsschutzanspruches als bestimmend, sondern der Charakter der zwischen dem Eigentümer, dem öffentlichen Verwalter und der Aufsichtsbehörde bestehenden Rechtsbeziehungen. Daß die Entfernung eines ohne Rechtsgrund sich auf einer in öffentlichen Verwaltung gezogenen Liegenschaft aufhaltenden Dritten im ordentlichen Rechtswege durchzuführen sei und daß die Anbringung von Räumungsklagen, welche diesem Zwecke dienen, in den Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes des öffentlichen Verwalters fällt, ist freilich klar genug (vgl. § 6 VerwG., § 1 der DurchführungsV. v. 25. November 1946, BGBl. Nr. 7/1947, § 111 EO., Neumann - Lichtblau, S. 422). Allein entscheidend ist nicht, daß im vorliegenden Falle durch die widerrechtliche Benützung der verwalteten Liegenschaften ein Eingriff in das klägerische Eigentum bewirkt wurde, sondern daß der Eingreifer hier der öffentliche Verwalter selbst ist. Mit Recht stellt das Berufungsgericht an die Spitze seiner Erwägungen die Bestimmung des § 7, Abs. 1 VerwG., in welchem das Verhältnis zwischen Verwalter und Aufsichtsbehörde geregelt wird. Nach dieser Gesetzesstelle ist der öffentliche Verwalter bei seiner Tätigkeit an die Weisungen des zuständigen Bundesministeriums und jener Behörden gebunden, denen dieses Ministerium seine Befugnisse delegiert hat. Er ist demnach ein Organ der öffentlichen Verwaltung und besitzt in den Grenzen seines Amtsauftrages die Rechtsstellung eines Amtsorgans im Sinne des § 101 StG. Seine Stellung findet in gewissen Einrichtungen des Zivilrechtes, vor allem in der Institution des Konkursmasseverwalters, Ausgleichsverwalters und Zwangsverwalters ein Gegenstück. Gleich diesen Organen ist der öffentliche Verwalter im Sinne des Verwaltergesetzes nicht Vertreter des Eigentümers der von ihm verwalteten Vermögenschaft und hat auch keineswegs dessen Interessen wahrzunehmen. Er vertritt vielmehr das Unternehmen nach außen (§ 6, Abs. 1 VerwG.) und übt seine Funktion im öffentlichen Interesse aus, was immer der Anlaß seiner Bestellung gewesen sein mag. In der Erfüllung dieser Aufgabe wird er von der Aufsichtsbehörde überwacht, welche seine Handlungen zu überprüfen und wenn möglich gegen Verletzungen seiner Amtspflicht Abhilfe zu schaffen hat. Die Ähnlichkeit seiner Rechtsstellung mit jener der oben erwähnten zivilrechtlichen Verwalter und die innere Verwandtschaft der Absichten des Gesetzgebers in diesen Fällen läßt es als zulässig erscheinen, jene Bestimmungen der KO., AO. oder EO. im Wege der Gesetzesanalogie heranzuziehen, welche die Rechtsstellung der Verwalter regelt. Die Bestimmungen des Verwaltergesetzes sind in dieser Hinsicht lückenhaft und lassen eine Ergänzung im Wege der Gesetzesanalogie zu (Helbling, ÖJZ. 1946, S. 430).

Den früher erwähnten Gesetzen liegt aber durchwegs der Rechtsgedanke zugrunde, daß durch die Verhängung einer Verwaltung dem Eigentümer die Dispositionsbefugnis über das verwaltete Vermögen, soweit der Zweck der Verwaltung reicht, entzogen und diese Befugnisse auf den Verwalter übertragen werden, der sie im öffentlichen Interesse unter Kontrolle der ihn bestellenden Behörde ausübt. Dies gilt auch für den öffentlichen Verwalter im Sinne des Gesetzes vom 26. Juli 1946, BGBl. Nr. 157, denn § 5, Abs. 1 VerwG. bestimmt, daß für die Dauer der Verwaltung die Befugnisse des Eigentümers hinsichtlich des verwalteten Unternehmens usw. "ruhen". Darin liegt eine Beschränkung der Handlungs- und Dispositionsfähigkeit des Eigentümers, die auch im gleichen Umfang eine Beschränkung der Prozeßfähigkeit herbeiführt. Dem Eigentümer steht aber auch keineswegs das Recht zu, in die Amtstätigkeit des Verwalters hemmend oder korrigierend einzugreifen, ohne Unterschied ob diese Amtsführung gesetzmäßig oder pflichtwidrig ist und, letzterenfalls, ob sie gegen gesetzliche Bestimmungen oder die ihm erteilten Aufträge der Aufsichtsbehörde verstößt. Auch die pflichtwidrig geführt Verwaltung verliert darum noch nicht den Charakter einer öffentlichen Verwaltung und läßt die durch das Gesetz bestimmte Suspension der Eigentümerbefugnisse unberührt. Gegen Übergriffe oder Gesetzesverletzungen des Verwalters vermag sich der Eigentümer nur bei der Aufsichtsbehörde zu beschweren. Es kann daher auch nicht der Auffassung des Rekurses zugestimmt werden, das durch keinen Auftrag gedeckte Vorgehen der Beklagten sei deliktisch und stelle darum keinen Akt der öffentlichen Verwaltung dar, weshalb die Beklagte zwar nicht als Verwalterin, wohl aber als Privatperson vor dem ordentlichen Gericht belangt werden könne. Eine derartige Unterscheidung müßte zu unhaltbaren Ergebnissen führen. Nicht darauf kann es ankommen, ob die Handlungen des Verwalters gesetzmäßig oder rechtsverletzend sind, sondern ob sie in den Grenzen seines Amtsauftrages sich bewegen und auf den Gegenstand der Verwaltung beziehen. Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit, den der Rekurs gegen die angefochtene Entscheidung erhebt, weil sie feststellt, daß die Beklagte die Liegenschaft als öffentliche Verwalterin benütze, trifft somit nicht zu. Denn nur kraft der ihr übertragenen, wiewohl im vorliegenden Fall rechtswidrig ausgeübten Befugnisse, vermochte die Beklagte sich in den Besitz der Wohnung und des Gartens zu setzen, in dem sie sich noch heute befindet. Sie hat übrigens diesen Standpunkt ursprünglich selbst in ihrem Parteivorbringen eingenommen. Wenn sie in der Berufungsschrift von ihm abweicht und zur Begründung ihres Standpunktes ihr früher bestandenes Eigentumsrecht und ihre Anwartschaft auf Wiederherstellung des früheren Rechtszustandes auf Grund der zueerlassenden Rückstellungsgesetze heranzieht, kann ihr nicht gefolgt werden, da diese Rechtsansicht völlig abwegig ist.

Nur dann, wenn eine Handlung des öffentlichen Verwalters offenbar und schon äußerlich mit dem Zwecke der Verwaltung in keinem Zusammenhang steht und sich somit auf eine Rechtssphäre bezieht, in welcher die dem Eigentümer auferlegten Beschränkungen seiner Handlungsfähigkeit nicht gelten, bleibt dem Eigentümer die Abwehr des Rechtseingriffes im ordentlichen Rechtsweg vorbehalten. Ein Anrufen der Aufsichtsbehörde würde in diesem Falle erfolglos bleiben, weil der Verwalter, wenn er außerhalb seiner Amtsgrenzen handelt und über die Zwecke einer öffentlichen Verwaltung hinausgeht, einer direkten Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde nicht unterliegt. Dieser bleibt dann nur die Möglichkeit der Abberufung des pflichtwidrig handelnden Verwalters. Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht vor. Die Verwaltung der Liegenschaft umfaßt auch alle die Verwendung der Wohnräume und des Gartens betreffenden Verfügungen wie Vermietung, Verpachtung, Gebrauchsleihe, Übergabe in prekaristische Benützung oder Eigengebrauch. Auch wenn solche Verfügungen im Einzelfalle pflicht- und rechtswidrig sind, fallen sie dennoch in die Amtsgrenzen des Verwalters, solange sie noch mit dem Amtszweck vereinbart sind (§ 83 KO., Bartsch - Pollak, Kommentar, S. 522; § 109 EO., Neumann - Lichtblau, S. 411 ff.). Für eine Räumungsklage des Eigentümers gegen die Beklagte fehlt nach dem Gesagten die gesetzliche Grundlage. Der Umkehrschluß der Rekurswerber aus der Abschaffung der Norm des § 10 VerwG. 1945 durch das neue Verwaltergesetz ist weder zwingend, noch trifft es den Kern des Problems. Nur die Aufsichtsbehörde vermag durch entsprechende Verfügung die Beklagte zur Räumung der widerrechtlich besetzten Wohnung zu verhalten, so wie das Konkursgericht im analogen Fall durch den Konkurskommissär einen Gerichtsbefehl erläßt, der einen Exekutionstitel darstellt (Bartsch - Pollak, § 84 KO., Anm. 5). Sinngemäß obliegt es der Aufsichtsbehörde, dem pflichtwidrig handelnden öffentlichen Verwalter durch Verwaltungsbescheid (§ 56 AVG.) die Räumung aufzutragen und diesen Bescheid sodann nach § 5 oder § 7 VVG. gegen ihn in Vollzug zu setzen (Helbling a. a. O. S. 426).

An diesem Ergebnis kann auch die Tatsache nichts ändern, daß die Beklagte von der amerikanischen Militärbehörde zur Verwalterin bestellt wurde. Das Rekursgericht stellt mit Recht eine unmittelbar von einer Besetzungsmacht angeordnete öffentliche Verwaltung jener gleich, die auf Grund des Gesetzes vom 26. Juli 1946, BGBl. Nr. 157, von der zuständigen österreichischen Verwaltungsbehörde angeordnet wird. Es ist unnötig, zu erörtern, welche Möglichkeiten der amerikanischen Militärbehörde in dieser Hinsicht zu Gebote stehen. Auf jeden Fall wird sie entweder die Verwaltung in eine solche nach dem Verwaltegesetz überleiten und sie dadurch der Kompetenz der österreichischen Verwaltungsbehörden unterstellen oder aber die Beklagte abberufen und an ihre Stelle einen anderen Verwalter bestellen können. Äußerstenfalls wird dann dieser Verwalter gegen die Beklagte als unbefugten Dritten mit der Räumungsklage vorgehen können.

Die vorliegende Klage ist auch schon deswegen mit dem Zwecke der Verwaltung unvereinbar, weil sie niemals die Rückgabe der Liegenschaft an die Kläger herbeiführen kann. Dadurch würde der Zweck der öffentlichen Verwaltung vereitelt, der darin besteht, dem Eigentümer die Verfügung über die verwaltete Vermögenschaft zu entziehen. Wenn die Kläger, offenbar in Erkenntnis dieses Umstandes, das Klagebegehren dahin formulierten, daß sie nur die Räumung der Liegenschaft begehrten, geraten sie wieder in unlösbaren Widerspruch mit § 349 EO. Gerade diese Gesetzesstelle verpflichtet, das Vollstreckungsorgan, nicht nur die erforderliche Entfernung von Personen von der zu räumenden Liegenschaft vorzunehmen, sondern auch den betreibenden Gläubiger in ihren Besitz zu setzen. Ein auf Grund dieser Klage geschaffener Exekutionstitel stunde somit im Widerspruch mit dem Zwecke der öffentlichen Verwaltung.

Anmerkung

Z21018

Schlagworte

öffentliche Verwaltung, Fall einer Unzulässigkeit des Rechtsweges Prozeßfähigkeit des Eigentümers einer unter öffentlicher Verwaltung stehenden Liegenschaft Räumungsklage des Liegenschaftseigentümers gegen den öffentlichen Verwalter unzulässig Rechtsweg Unzulässigkeit des Rechtsweges für Räumungsklage des Eigentümers einer Liegenschaft gegen den öffentlichen Verwalter derselben Unzulässigkeit des für Räumungsklage des Eigentümers einer Liegenschaft gegen den öffentlichen Verwalter derselben Verwaltung öffentliche (Fall einer Unzulässigkeit des Rechtsweges)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1947:0010OB00098.47.0219.000

Dokumentnummer

JJT_19470219_OGH0002_0010OB00098_4700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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