TE OGH 1947/4/26 1Ob158/47

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Veröffentlicht am 26.04.1947
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Norm

ABGB §366
ABGB §1096

Kopf

SZ 21/30

Spruch

Wenn der Hauseigentümer eine vermietete Wohnung bei vorübergehender Abwesenheit des Mieters, obwohl der Bestandvertrag niemals aufgelöst worden ist, an einen anderen Mieter weitervermietet, so kann der erste Mieter auch bei Gutgläubigkeit des in der Wohnung befindlichen neuen Mieters den Bestandgeber auf Zuhaltung des Vertrages klagen.

Entscheidung vom 26. April 1947, 1 Ob 158/47.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Klägerin hat die von ihr gemietete Wohnung vorübergehend infolge der Luftangriffe geräumt; sie hat den Mietvertrag nicht gelöst, sondern weiter den Zins bezahlt. Der Bestandgeber (Beklagter) vermietete die Wohnung an die gutgläubige Frau K. Klägerin begehrt nun vom Beklagten Übergabe der Wohnung und Verurteilung des Beklagten, ihr das Bewohnen der von ihr gemieteten Wohnung zu ermöglichen.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil Frau K. auf Grund des von ihr gutgläubig abgeschlossenen Mietvertrages den Bestandgegenstand inne habe, und damit die Befriedigung der Forderung der Klägerin auf den ausschließlichen Gebrauch des Bestandgegenstandes unmöglich geworden sei. Frau K. sei durch die Ausübung des Mietrechtes und den hiedurch erlangten Rechtsbesitz auch vor allfälligen Beeinträchtigungen seitens der Klägerin und dritter Personen überhaupt geschützt. Aus dem Vorhergesagten ergebe sich, daß die Klägerin auf Erfüllung des Bestandvertrages durch Verschaffen des Gebrauches von seiten des Beklagten nicht mehr dringen könne, weil die Erfüllung dieses Anspruches für den Beklagten durch den Abschluß des zweiten Mietvertrages über die gleiche Bestandsache im Hinblick auf den bereits erlangten Gebrauch der Bestandsache durch Frau K unmöglich geworden sei.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Der Beklagte habe seinerseits keine Unmöglichkeit der Leistung eingewendet. Von Amts wegen sei das Gericht nicht verpflichtet, die Möglichkeit der begehrten Leistung durch den Beklagten zu überprüfen. In welcher Weise sich der Beklagte mit der zweiten Mieterin auseinandersetzen wolle, sei seine Sache, könne aber nicht in dem zwischen Klägerin und Beklagtem anhängigen Prozeß geschehen, wo nur die Vertragsbeziehungen zwischen diesen beiden Parteien zu berücksichtigen seien. Erst in einem eventuell anhängig werdenden Exekutionsverfahren können die Vertragsbeziehungen zwischen Beklagten und Frau K. von Bedeutung werden.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:

Wenn auch die Rechtsprechung, so insbesondere in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 21. September 1946 (JBl. 1946, S. 507), dem Mieter petitorischen Rechtsschutz gewährt und die Zulässigkeit einer dem § 366 ABGB. gleichartigen Klage für den aus dem Rechtbesitz verdrängten Mieter zur Wiedererlangung des ihm rechtswidrig entzogenen Mietgegenstandes anerkennt, so ist damit doch keineswegs gesagt, daß dem aus seinem Rechtsbesitz verdrängten Mieter nur dieser Rechtsweg offen steht. Insbesondere in jene Fällen, in denen sich eine Person eigenmächtig in den Besitz eines Bestandgegenstandes setzt oderddies tut, weil er durch eine hiezu nicht befugte Person oder Körperschaft eingewiesen wurde, wird allerdings die gegen den Eindringling unmittelbar gerichtete Klage zur Wiederherstellung des gestörten Rechtsbesitzes am Platze sein. In jenen Fällen aber, in denen der Hauseigentümer trotz fortbestehend eines rechtsgültig abgeschlossenen Mietvertrages einen zweiten Mietvertrag mit einer anderen Person über denselben Mietgegenstand abschließt, wird es dem Kläger überlassen bleiben müssen, welchen Weg er als den zweckmäßigeren erachtet, den der Klage gegen den späteren Mieter oder den der Klage gegen den Hauseigentümer.

Dabei ist daran festzuhalten, daß, wie auch in der angeführten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zum Ausdrucke gebracht ist, von konkurrierenden Forderungsrechten, die infolge Doppelvermietung ein und desselben Bestandgegenstandes an zwei verschiedene Personen entstanden, nur dann die Rede sein kann, wenn der Hauseigentümer dieselbe Wohnung an zwei Personen vermietet, noch ehe er sie einer von ihnen übergeben hat. Dieser Fall kommt in der vorliegenden Streitsache überhaupt nicht in Frage, da die Klägerin die Wohnung bereits im Jahre 1925 übernommen und ihr Recht aus dem Mietvertrag nie aufgegeben hat.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Beklagte die der Klägerin vermietete Wohnung trotz aufrechten Bestehens des im Jahre 1925 abgeschlossenen Mietvertrages an Frau K. vermietet. In den Rahmen der dem Vermieter gemäß § 1096 ABGB. zustehenden Verpflichtungen fällt auch die Verpflichtung, über den Bestandgegenstand nicht in einer Weise zu verfügen, die einer Störung des Bestandnehmers in dem bedungenen Gebrauch gleichkäme. Dem solcherart in seinen Rechten verletzten ersten Bestandnehmer steht das Recht zu, vom Bestandgeber zu verlangen, daß er für die Beseitigung einer dem bestehenden Mietvertrage mit ihm zuwiderlaufenden, sonach rechts- und vertragswidrigen Verfügung über den Bestandgegenstand, die durch den Abschluß eines zweiten Mietvertrages erfolgte, Sorge trage.

Die von der Klägerin eingebrachte Klage war sonach weder hinsichtlich der Person, gegen die sie sich richtet, noch im Begehren verfehlt, auch entspricht die vom Berufungsgericht gefällte Entscheidung vollkommen der Sach- und Rechtslage, weshalb der Revision der Erfolg versagt

Anmerkung

Z21030

Schlagworte

Besitzesschutz des Mieters gegen Dritte, Bestandvertrag Klage des Mieters gegen den Vermieter auf Zuhaltung des, B., Doppelvermietung, Gutgläubigkeit des neuen Mieters gegenüber früherem Mieter, petitorischer Rechtsschutz des Mieters, Rechtsbesitz des Bestandnehmers, Schutz gegen Dritte, Rechtsschutz petitorischer, des Bestandnehmers, Zuhaltung eines Bestandvertrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1947:0010OB00158.47.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19470426_OGH0002_0010OB00158_4700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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