TE OGH 1948/3/3 1Ob66/48

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Veröffentlicht am 03.03.1948
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Norm

Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch Art21 30 EinfG, §1717
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §5
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §12
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18

Kopf

SZ 21/77

Spruch

§ 12 der 4. DVzEheG. findet auch im Verhältnis zu Deutschland Anwendung; Zulassung der Einrede des Mehrverkehrs nach § 1717 DBGB., wenn ein deutsches Kind einen Inländer auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft belangt.

In Österreich kann neben der Vaterschaftsklage nach § 1717 DBGB. eine besondere Klage auf Feststellung des blutmäßigen Vaters nicht erhoben werden.

Entscheidung vom 3. März 1948, 1 Ob 66/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Urfahr; II. Instanz: Landesgericht Linz-Nord.

Text

Sämtliche Instanzen wiesen die Klage auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft und Unterhaltsleistung ab.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe des Obersten Gerichtshofes:

Das klagende Kind Eva Maria B. wurde am 11. August 1941 von der unverehelichten Charlotte B. geboren. Es ist unbestritten, daß der auf Anerkennung der Vaterschaft beklagte Josef F. der Kindesmutter innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat. Ebenso hat das Erstgericht festgestellt, daß die Kindesmutter innerhalb der kritischen Zeit auch mit anderen Männern Geschlechtsverkehr hatte. Auch diese Feststellung ist unbekämpft geblieben.

Das Prozeßgericht hat die Klage unter Hinweis auf die Bestimmung des § 12 der 4. DVzEheG. und die im Sinne dieser Vorschrift anzuwendende Bestimmung des § 1717 DBGB. abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat der auf die Berufungsgrunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung nicht Folge gegeben.

Dagegen wird von der Klägerin Revision erhoben. Die Revision wird auf die gleichen Gründe gestützt wie die Berufung und der Antrag gestellt, entweder nach dem Klagebegehren zu erkennen oder das Urteil des Berufungsgerichtes, allenfalls auch jenes des Prozeßgerichtes aufzuheben.

Für die Entscheidung der vorliegenden Rechtssache ist die Lösung dreier Fragen maßgebend:

1. der Frage, ob die Bestimmung des § 12 der 4. DVzEheG., deren Wirksamkeit in Österreich unbestritten ist, auch im Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland anzuwenden ist.

2. falls die Frage 1 bejaht wird, ob die Einrede des Mehrverkehres von einem österreichischen Gerichte im Hinblick auf die Vorbehaltklausel § 18 der 4. DVzEheG. beachtet werden kann und

3. ob nach den Bestimmungen des DBGB. neben der Klage des § 1717 DBGB. noch eine Statusklage auf Feststellung der blutmäßigen Vaterschaft stattfinde.

Zum Verständnis und zur richtigen Auslegung der Bestimmungen der §§ 5 bis 18 der 4. DVzEheG. ist festzustellen, daß diese Vorschriften die Übertragung gewisser, im Einführungsgesetz zum DBGB. enthaltener Bestimmungen des internationalen Privatrechtes auf die besetzten Gebiete, insbesondere auf Österreich, darstellen. Dies gilt insbesondere für die hier in Frage kommenden Vorschriften der §§ 12 und 18, die im wesentlichen den Artikeln 21 und 30 des Einführungsgesetzes zum DBGB. entsprechen, wobei zu bemerken ist, daß die Vorbehaltsklausel des § 18 der 4. DVzEheG. dem Artikel 30 Einführungsgesetz zum DBGB. wörtlich gleichlautend ist.

1. Die Vorschrift des § 12 der 4. DVzEheG. konnte, solange das besetzte Österreich als Bestandteil des Deutschen Reiches galt, nicht angewendet werden, da es sich um eine Bestimmung des internationalen Privatrechtes handelt und die Rechtsverschiedenheit zwischen dem sogenannten Altreich und Österreich nach dem damaligen Rechtszustand nur interlokaler Art war.

Dadurch aber, daß Österreich mit seiner Befreiung wieder ein selbständiger Staat und Deutschland gegenüber Österreich Ausland geworden ist, folgt, daß die mehrerwähnte Bestimmung des § 12 auch im Verhältnis zu Deutschland angewendet werden muß.

Der Oberste Gerichtshof hat diese Ansicht bereits in seiner Entscheidung vom 21. September 1946, 1 Ob 213/46, ausgesprochen, und findet keinen Grund, von ihr abzugehen, insbesondere ist er nicht in der Lage, sich der in der Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 31. August 1946, 41 R 18/46, EvBl. 1946, Nr. 547, ausgesprochenen Ansicht anzuschließen, daß die Befreiung Österreichs keinen Anlaß zur Änderung der einheitlichen Rechtsübung der österreichischen Gerichte in der Anwendung des österreichischen Rechtes im Falle eines Rechtsstreites über die uneheliche Vaterschaft zwischen österreichischen und deutschen Prozeßparteien biete.

Der Oberste Gerichtshof ist daher der Ansicht, daß in einem solchen Rechtsstreit § 12 der 4. DVzEheG. grundsätzlich einzuwenden sei; der gegenwärtige Rechtsstreit ist allerdings begonnen worden, als Österreich noch ein Bestandteil des Deutschen Reiches war. Dieser Umstand schließt aber die Anwendung des § 12 der 4. DVzEheG. nicht aus, da es auf das zur Zeit der Urteilsfällung geltende Recht ankommt.

2. Es ist daher zu untersuchen, ob derzeit bei Anwendung des § 12 die Einrede des Mehrverkehres vom Standpunkte der Vorbehaltklausel des § 18 der 4. DVzEheG. zulässig ist oder nicht.

Nach der übereinstimmenden Ansicht der deutschen Lehre und Rechtsübung ist der Sinn der Vorbehaltsklausel des Artikels 30 EGzBGB. der, daß das ausländische Recht von einem inländischem Gerichte dann nicht angewendet werden darf, wenn es dem ordre public widerspricht. Der Begriff "gute Sitten" bereitet der Auslegung keine Schwierigkeiten. Dagegen ist die Auslegung der Worte "gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde" in Lehre und Rechtsprechung keineswegs einheitlich. Die mitunter vertretene Meinung, daß es sich hier um eine bloße Tautologie handle, das heißt, daß die beiden Ausdrücke gleichbedeutend sind, wird abgelehnt. Mehr oder weniger allgemein wird aber zugegeben, daß eine einheitliche Regel, wann dieser Widerspruch anzunehmen sei, sich nicht finden lasse. Dies ist insbesondere die Meinung von Ernst Zitelmann in seinem Internationalen Privatrecht, in dem er sich - Band I, S. 368 ff. - sehr eingehend mit der Frage der Bedeutung dieses Begriffes beschäftigt. Der Kommentar der Reichsgerichtsräte zum DBGB., 6. Auflage, Band I, S. 13, ist der Meinung, daß das ausländische Recht dann nicht anzuwenden sei, wenn es gegen ein inländisches Gesetz verstoßen würde, dessen Zweck es ist, die Schädigung inländischer Interessen abzuwehren. Der Kommentar von Staudinger, 9. Auflage 1931, Band 6, S. 813 ff., vertritt die Ansicht, daß mit Rücksicht auf die angeführte Bestimmung der Vorbehaltsklausel ausländisches Recht dann nicht anzuwenden ist, wenn es gegen Gesetze verstößt, die den Schutz des Staates oder einen besonderen Schutz des Inländers im rechtlichen Verkehr bezwecken, wie z. B. die Verjährungsvorschriften, das Verbot des Zinseszinses, das Verbot einer zu hohen Vertragsstrafe sowie gewisse Form- und Kündigungsvorschriften. Diese Anschauung deckt sich auch im allgemeinen mit der in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht (vgl. Entsch. d. RG. 60/296, 106/85, 110/175, weiters Warneyer, Jahrbuch der Entscheidungen, 1912, Nr. 34, 1923/24, Nr. 42 und 43).

Es läßt sich daher behaupten, daß die Meinung über die Bedeutung der Vorbehaltsklausel in der Lehre und Rechtsprechung dahin geht, daß ausländisches Recht nicht anzuwenden ist, wenn es mit einem Gesetz in Widerspruch stunde, dessen Zweck der Schutz besonderer inländischer Interessen oder der besondere Schutz von Inländern in einer bestimmten Richtung ist.

Nun läßt sich aber nicht behaupten, daß die Zulassung der Einrede des Mehrverkehres zum Nachteil eines ausländischen Kindes und zum Vorteil des als Vater belangten Inländers in diesem Sinne dem Zwecke eines österreichischen Gesetzes widersprechen würde, wenn auch diese Einrede mit den Bestimmungen des österreichischen Rechtes nicht in Einklang steht.

Daraus folgt aber, daß aus der Vorbehaltsklausel ein Bedenken gegen die Anwendung des deutschen Rechtes (§ 1717 DBGB.) nicht abzuleiten ist.

3. Es bleibt sonach die Frage übrig, ob nach deutschem Recht neben der Klage des § 1717 DBGB. auch noch eine besondere Klage auf Feststellung des blutmäßigen Vaters stattfindet.

Diese Ansicht war der deutschen Lehre und Rechtsprechung vor der Machtergreifung des Nationalsozialismus fremd. Sie ist nationalsozialistisches Gedankengut und als solches abzulehnen.

Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, daß die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit dem Mangel einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht behaftet ist. Ist aber die rechtliche Beurteilung zutreffend, so ist auch der Mängelrüge der Boden entzogen. Die Revision stellt sich somit als unbegrundet dar, ihr war demnach der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z21077

Schlagworte

Einrede des Mehrverkehrs, exceptio plurium concubentium, Feststellung, Klage auf F. des blutmäßigen Vaters in Österreich, unzulässig, internationales Privatrecht Vaterschaftsklage zwischen Österreicher und, Angehörigem des Deutschen Reiches, Mehrverkehr, Einrede des Mehrverkehrs, ordre public, Privatrecht, internationales, bei Vaterschaftsklage zwischen, Österreicher und Angehörigem des Deutschen Reiches, Vaterschaftsklage, Einrede des Mehrverkehrs, Vorbehaltsklausel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0010OB00066.48.0303.000

Dokumentnummer

JJT_19480303_OGH0002_0010OB00066_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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