TE OGH 1948/6/29 2Ob98/48

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Veröffentlicht am 29.06.1948
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Norm

ABGB §276

Kopf

SZ 21/109

Spruch

Der Umstand, daß der Abwesende einen Hausverwalter bestellt und ihm eine allgemeine Vollmacht erteilt hat, steht der Bestellung eines Abwesenheitskurators nach § 276 ABGB. nicht entgegen.

Entscheidung vom 29. Juni 1948, 2 Ob 98/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

In Abänderung der gleichförmigen Entscheidungen der unteren Instanzen wies der Oberste Gerichtshof den Antrag auf Enthebung des Abwesenheitskurators Dr. A. K. ab.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Die Konsularabteilung der politischen Mission der Republik Polen hatte den Antrag gestellt, für den unbekannten Aufenthaltes befindlichen M. H. gemäß § 276 ABGB. einen Abwesenheitskurator zu bestellen, da M. H. Eigentümer einer Liegenschaft in Wien sei, die auf Grund der gegen die polnischen Staatsbürger gerichteten nationalsozialistischen Gesetze beschlagnahmt worden war. Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 23. Juni 1947 diesem Antrage stattgegeben und den Rechtsanwalt Dr. A. K. zum Abwesenheitskurator bestellt. Am 29. Oktober 1947hat die Gebäudeverwalterin H. K. dem Erstgerichte bekanntgegeben, daß sie die Liegenschaft auf Grund einer allgemeinen Vollmacht des Abwesenden verwalte, und hat die Enthebung des vom Erstgerichte bestellten Abwesenheitskurators beantragt.

Das Erstgericht hat diesem Antrage stattgegeben, das Rekursgericht hat über Rekurs des Abwesenheitskurators diese Enthebung bestätigt.

Dem gegen diese Entscheidung ergriffenen Revisionsrekurs der Republik Polen (richtig des Abwesenheitskurators) kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Nach § 276 ABGB. findet die Bestellung eines Abwesenheitskurators dann statt, wenn der Abwesende keinen ordentlichen Sachwalter zurückgelassen hat. Die entscheidende Frage geht daher dahin, ob die mit allgemeiner Vollmacht ausgestattete Gebäudeverwalterin als ein solcher vom Abwesenden zurückgelassener Sachwalter im Sinne des § 276 ABGB. angesehen werden kann oder nicht. Die Untergerichte haben diese Frage bejaht.

Das Rekursgericht weist darauf hin, daß ein Verschollener, solange er nicht für tot erklärt ist, als am Leben befindlich anzusehen ist, daß daher die Verschollenheit für die Kuratorsbestellung nach § 276 ABGB. keine besondere Rolle zu spielen habe. Nach der von H. K. vorgewiesenen allgemeinen Vollmacht sei sie als ordentliche Sachwalterin im Sinne des § 276 ABGB. anzusehen. Eine Kuratorbestellung nach dieser Gesetzesstelle käme nur in Betracht, wenn entwederHH. K. selbst erklären würde oder sonst ein Zweifel bestände, daß sie im inneren Verhältnis zum abwesenden Auftragsgeber nicht zur allgemeinen Vermögenverwaltung ermächtigt sei.

Wenn auch diese Erwägungen des Rekursgerichtes im allgemeinen zutreffend sind, so werden sie nach Meinung des Obersten Gerichtshofes doch nicht den Besonderheiten des vorliegenden Falles gerecht. Bei der gegebenen Sachlage ist anzunehmen, daß M. H. Frau H. K., die ein behördlich konzessioniertes Gebäudeverwaltungsbüro betreibt, lediglich mit der Verwaltung des Hauses betrauen wollte. Hieran wird durch den Umstand nichts geändert, daß ihr eine über die Hausverwaltung hinausgehende allgemeine Vollmacht erteilt wurde. Denn einerseits werden sehr häufig an Hausverwalter derartige Vollmachten erteilt, um Streitigkeiten hinsichtlich des Umfanges der Hausverwaltevollmacht aus dem Wege zu gehen, anderseits hat auch H. K. in ihrem Antrag nichts Näheres über den ihr von M. H. erteilten Auftrag vorgebracht. Sie weist lediglich auf die ihr (offenbar im schriftlichen Wege) erteilte Vollmacht hin und folgert aus dem Inhalte dieser Vollmacht, daß sie als Sachwalter im Sinne des § 276 ABGB. anzusehen sei. Es muß daher angenommen werden, daß sie nur zur Verwaltung des Hauses, nicht aber zu weitergehenden Vermögensverfügungen (Verkauf u. dgl.) im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber ermächtigt ist.

Wer aber bloß einen Hausverwalter bestellt hat, hat damit keinen ordentlichen Sachwalter seines Vermögens im Sinne des § 276 ABGB. zurückgelassen. Die Voraussetzungen einer Kuratorbestellung nach § 276 ABGB. sind daher gegeben, weshalb durch die Entscheidung der Untergerichte das Gesetz in dieser Bestimmung unrichtig angewendet worden ist.

Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, daß durch diese Entscheidung die Gefahr einer gewissen Doppelgeleisigkeit hervorgerufen werden kann, da die Hausverwalterin H. K. möglicherweise ein vertragliches Recht auf die Durchführung der Verwaltung des Hauses hat, das auch vom Abwesenheitskurator beachtet werden müßte, da er sich an die Verpflichtungen des Kuranden zu halten hat. Gleichwohl kann es nach Meinung des Obersten Gerichtshofes nicht verantwortet werden, den Zustand weiterbestehen zu lassen, daß das Vermögen des Abwesenden auf unabsehbare Zeit ohne einen Vertreter mit zweifelloser allgemeiner Vertretungsbefugnis bleibt, der über die Vermögensverwaltung dem Gericht Rechnung zu legen hat. Zu einer solchen Rechnungslegung wäre die Gebäudeverwalterin H. K. weder verpflichtet noch wäre das Gericht berechtigt, eine Rechnungslegung von ihr entgegenzunehmen oder gar zu überprüfen, wenn sie bloß Sachwalterin im Sinne des § 276 ABGB. wäre und ein Anlaß zur Kuratorbestellung daher gar nicht bestände.

Der Oberste Gerichtshof hat daher aus den vorangeführten Erwägungen in Abänderung der untergerichtlichen Entscheidungen den Antrag auf Enthebung des bereits bestellten Abwesenheitskurators Dr. A. K. abgewiesen.

Anmerkung

Z21109

Schlagworte

Abwesenheitskurator trotz Vorliegen einer Generalvollmacht des Abwesenden Generalvollmacht eines Abwesenden hindert nicht Bestellung eines Abwesenheitskurators Kurator nach § 276 ABGB., trotz Vorliegens einer allgemeinen Vollmacht des Abwesenden Vollmacht, allgemeine, eines Abwesenden hindert nicht Bestellung eines Abwesenheitskurators

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0020OB00098.48.0629.000

Dokumentnummer

JJT_19480629_OGH0002_0020OB00098_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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