TE OGH 1949/2/23 2Ob247/48

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Veröffentlicht am 23.02.1949
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Norm

ABGB §1005
ABGB §1008
ABGB §1217
Notariatszwangsgesetz §1
ZPO §31

Kopf

SZ 22/25

Spruch

Die Bevollmächtigung eines Vertreters, für den Machthaber an der Errichtung von Ehepakten mitzuwirken, bedarf - wie diese selbst - der Form eines Notariatsaktes.

Entscheidung vom 23. Februar 1949, 2 Ob 247/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs; II. Instanz:

Kreisgericht St. Pölten.

Text

Die Ehegatten P. erteilten am 14. August 1945 dem Rechtsanwalt Dr. H. Prozeßvollmacht im Sinn des § 31 ZPO. und ermächtigten ihn außerdem zur Vertretung in allen Straf-, Steuer- und Gebührensachen, zur Intervention bei Zwangsversteigerungen, zur Vertretung in allen außerstreitigen Angelegenheiten einschließlich der Grundbuchssachen und überhaupt zu allen Rechtsgeschäften, zu denen nach § 1008 ABGB. eine besondere Vollmacht erforderlich ist, schließlich auch "zur Unterfertigung ihrer Ehepakte samt Erbvertrag"; die Unterschrift der Ehegatten auf der Vollmacht war gerichtlich beglaubigt. Am 23. August 1945 substituierte Dr. H. den Rechtsanwalt Dr. K. mit gleichem Rechte hinsichtlich des Herrn J. P.; Notar Dr. Kr. bestätigte die Echtheit der Unterschrift des Dr. H. auf der Vollmacht. Am gleichen Tag ließen die Ehegatten vor dem gleichen Notar durch ihre Vertreter - sie selbst waren nicht zugegen - Ehepakte und über drei Viertel ihres eventuellen Nachlasses einen Erbvertrag errichten.

Am 24. Februar 1948 suchte der Ehemann J. P. unter Vorlage der Ehepakte, einer Unbedenklichkeitsbescheinigung und von Bestätigungen der Bezirkshauptmannschaft und des Finanzamtes, aus denen hervorgeht, daß seine Gattin B. P. minderbelastet sei und die laufende und einmalige Sühneabgabe entrichtet habe, um die Einverleibung seines gleichteiligen Miteigentumsrechtes an.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht bewilligte die beantragte Einverleibung.

Der Oberste Gerichtshof stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist im Recht, sofern er behauptet, daß die von J. P. vorgelegten Ehepakte mit Mängeln behaftet sind, die ihre Ungültigkeit zur Folge haben. Da eine Vertretung der Parteien durch Anwälte oder sonstige Bevollmächtigte beim Abschluß von Ehepakten und Erbverträgen gesetzlich nicht ausgeschlossen ist, konnte die Gültigkeit der von den Ehegatten errichteten Ehepakte nicht dadurch berührt werden, daß sie bei ihrer Errichtung nicht persönlich zugegen waren. Da weiters nach dem Inhalte der Dr. H. von beiden Parteien erteilten Vollmacht diesem eine Übertragung der Vollmacht nicht verboten war, konnte er auch die ihm von J. P. erteilte Vollmacht einem anderen Rechtsanwalt übertragen und dadurch die Voraussetzungen schaffen, daß die Ehegatten bei der Errichtung der Ehepakte von verschiedenen Machthabern vertreten wurden. Abgesehen davon, daß nach dem Wortlaut der Vollmacht Dr. H. nur zur "Unterfertigung" der Ehepakte ermächtigt war und es daher schon fraglich ist, ob er im Hinblick auf diese offenkundige Einschränkung zur "Errichtung" der Ehepakte auf Grund des sonstigen Inhaltes der Vollmacht berechtigt war, ist jedoch vor allem entscheidend, ob eine Vollmacht, auf der nur die Unterschriften der Machtgeber öffentlich beglaubigt waren, genügte, um die Machthaber zu ihrer Vertretung beim Vertragsabschluß zu legitimieren. Das Rechtsgeschäft, das von den Machthabern abgeschlossen werden sollte, war auf Grund des § 1 lit. a des NotZwangsG. vom 25. Juli 1871, RGBl. Nr. 76. an die Form eines Notariatsaktes gebunden. Besteht für das abzuschließende Geschäft eine Formvorschrift, wird der Zweck dieser Vorschrift darüber entscheiden, ob auch die Vollmacht der gleichen Form bedarf. Wenn die Formvorschrift bloß die Feststellung des Inhaltes eines Rechtsgeschäftes bezweckt, wird sie sich auf die Vollmacht nicht erstrecken; bezweckt sie aber die Feststellung der Ernstlichkeit des Parteiwillens oder wurde sie deshalb erlassen, um durch die Notwendigkeit der besonderen Form die Partei zur grundlichen Überlegung des beabsichtigten Geschäftes zu veranlassen oder das Vorhandensein des Parteiwillens zu garantieren, dann wird sie auch bei der einseitigen Willenserklärung der Bevollmächtigung zu beobachten sein (so auch Klang, Kommentar zu § 1005 ABGB.). Wenn durch das Gesetz für die Errichtung von Ehepakten die Form eines Notariatsaktes vorgeschrieben ist, so ist dies nicht nur deshalb erfolgt, um ihren Inhalt in der besonderen Form festzuhalten, sondern vor allem, damit sie bei dieser für die Ehegatten in jeder Beziehung so bedeutungsvollen Vereinbarung rechtsfreundlich beraten sind und auch vor einer unbeteiligten Vertrauensperson ihre Willenserklärungen abgeben. Daraus folgt, daß auch die Bevollmächtigung zur Errichtung der Ehepakte ebenso wie diese selbst in einem Notariatsakt erfolgen muß. Ist jedoch, wie im gegenständlichen Fall, dieser Formvorschrift nicht entsprochen, dann sind sowohl die Bevollmächtigung als auch das auf Grund der Bevollmächtigung geschlossene Rechtsgeschäft nichtig. Ein nichtiges Rechtsgeschäft kann niemals die Grundlage einer grundbücherlichen Eintragung bilden.

Anmerkung

Z22025

Schlagworte

Bevollmächtigung zur Errichtung von Ehepakten, Ehepakte, Abschluß durch Bevollmächtigten, Erbvertrag, Abschluß durch Bevollmächtigten, Formvorschrift, Auswirkung auf Vollmacht, Notariatszwang, für Vollmacht zur Errichtung von Ehepakten, Vollmacht, zum Abschluß von Ehepakten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0020OB00247.48.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19490223_OGH0002_0020OB00247_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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