TE OGH 1949/3/16 1Ob118/49

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Veröffentlicht am 16.03.1949
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Norm

ABGB §§1072 ff
Grundstückverkehrsbekanntmachung §2

Kopf

SZ 22/34

Spruch

Die fristgerechte Erklärung der Ausübung des Vorkaufsrechtes genügt. Durch die Erklärung, den Vorkauf auszuüben, wird der Kaufvertrag zwischen dem Belasteten und dem Vorkaufsberechtigten abgeschlossen; der mit dem Dritten unter Hinweis auf das Vorkaufsrecht abgeschlossene Kaufvertrag erlischt. Daß in der Aufforderung, das Vorkaufsrecht geltend zu machen, der Name des dritten Käufers nicht enthalten und der volle Wortlaut des Vertrages nicht mitgeteilt wurde, ist bedeutungslos, wenn der Vorkaufsberechtigte im Zuge der anschließenden Verhandlungen den Namen des Dritten erfahren und die Vorlage des Kaufvertrages nicht verlangt hat.

Kein Erlöschen des Vorkaufsrechtes, wenn zur Zeit des Verkaufs eine Veräußerung nicht zulässig oder an eine Genehmigung gebunden war, die damals grundsätzlich nicht erteilt worden ist.

Entscheidung vom 16. März 1949, 1 Ob 118/49.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaften EZ. 18 und 26 KG. A. Auf diesen ist zugunsten der beiden Beklagten, welche diese Liegenschaft gepachtet haben, ein Vorkaufsrecht einverleibt. Am 11. Februar 1943 verkaufte der inzwischen verstorbene Gatte der Klägerin, der damals Eigentümer der erwähnten Liegenschaften gewesen ist, diese an das Ehepaar Th. und A. H. Am 13. Februar 1943 hat der Anwalt des Gatten der heutigen Klägerin die Beklagten von dem wesentlichen Inhalt des abgeschlossenen Kaufvertrages verständigt - die Namen der präsumtiven Käufer sind in diesem Brief nicht enthalten -, ihnen die Liegenschaften zu diesen Bedingungen zum Kauf angeboten und sie aufgefordert, binnen 30 Tagen zu erklären, ob sie von diesem Anbot Gebrauch machen oder nicht. Es kam dann in der Kanzlei Dris. P., des Vertreters der Verkäufer, zu Unterhandlungen zwischen dem Verkäufer, dem Ehepaar H. und den Beklagten. Nach den untergerichtlichen Feststellungen haben die Beklagten damals fristgerecht die mündliche Erklärung abgegeben, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Nichtsdestoweniger wurde der mit dem Ehepaar H. abgeschlossene Kaufvertrag bei der zuständigen Behörde zur Genehmigung eingereicht, die am 5. Mai 1943 dem Vertrag die Genehmigung versagt hat. Fast vier Jahre später verkaufte Klägerin die genannten Liegenschaften am 30. Jänner 1947 an die Kinder des vorgenannten Ehepaares H. St., D. und Ch. B. Da dieser Kaufvertrag infolge des verbücherten Vorkaufsrechtes der Beklagten nicht intabuliert werden kann, begehrt die Klägerin von der Beklagten Löschung des in Rede stehenden Vorkaufsrechtes, das erloschen sei, weil es 1943 nicht ausgeübt worden sei.

Die beiden unteren Instanzen wiesen das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht im wesentlichen mit der Begründung, daß das Vorkaufsrecht der Beklagten nicht erloschen sei, weil sie zeitgerecht erklärt hätten, von diesem Recht Gebrauch machen zu wollen. Diese Erklärung genüge, aber ein Erlag der Beträge sei nicht erforderlich gewesen, zumal in Anbetracht der Unsicherheit, ob der Vertrag mit dem Ehepaar H. genehmigt werden würde.

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof teilt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß es zur Geltendmachung des Vorkaufsrechtes nicht erforderlich ist, daß innerhalb der gesetzlichen Frist des § 1075 ABGB. die dem Käufer im Vertrag auferlegten Verpflichtungen erfüllt werden, sondern daß es genügt, wenn der Berechtigte innerhalb der Überlegungsfrist erklärt, das Vorkaufsrecht ausüben zu wollen. Das folgt aus der Erwägung, daß der Vorkaufsberechtigte in den Vertrag so einzutreten hat, wie er zwischen Käufer und Verkäufer abgeschlossen worden ist. Damit wäre es aber nicht im Einklang, vom Vorkaufsberechtigten sofortige Zahlung des ganzen Kaufpreises zu verlangen, wenn etwa mit dem Käufer langfristige Raten ausbedungen worden sind. Auch kann aus dieser Erwägung vom Berechtigten nicht Vorleistung in der Überlegungsfrist verlangt werden, wenn der Käufer nach dem Vertrag, wie diesmal, berechtigt ist, erst dann Zahlung zu leisten, wenn der Vertrag behördlich genehmigt worden ist. Der Oberste Gerichtshof kann daher den gegenteiligen, in SZ. VIII/121 enthaltenen Standpunkt nicht aufrechterhalten.

Das Ehepaar H. hat, wie aus dem Kaufvertrag hervorgeht, den Vertrag in Kenntnis des Vorkaufsrechtes abgeschlossen. Sie waren also nur insolange an den Vertrag gebunden, als die Beklagten ihr Vorkaufsrecht nicht geltend gemacht haben. Durch die Eintrittserklärung der Beklagten ist deshalb der zwischen dem verstorbenen Gatten der Klägerin und dem Ehepaar H. abgeschlossene Kaufvertrag de ficiente conditione hinfällig geworden. Der Verkäufer hätte sich daher nur mehr an den Vorkaufsberechtigten halten dürfen; denn durch die Erklärung des Vorkaufsberechtigten, den Vorkauf ausüben zu wollen, wird der Belastete dem Vorkaufsberechtigten gegenüber zur Erfüllung des Kaufvertrages verpflichtet, als ob dieser ihm als Käufer gegenüberstunde.

Da der erste Kaufvertrag durch den Eintritt des Vorkaufsberechtigten gegenstandslos geworden ist, so hätte er auch dann keine Rechtswirksamkeit erlangt, wenn er von der Preisbehörde bestätigt worden wäre; daraus folgt aber, daß die Überlegungsfrist nicht vom Tag der Genehmigung durch die Behörde laufen kann, wie das Erstgericht rechtlich unrichtig angenommen hat. Der Lauf der Frist beginnt vielmehr mit dem Tage der Zustellung der Aufforderung, vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Innerhalb der von diesem Tage an zu berechnenden Überlegungsfrist mußten sich die Beklagten erklären.

Daß den Beklagten im Briefe vom 13. Februar 1943 nicht die Namen der Käufer und der volle Wortlaut des Kaufvertrages bekanntgegeben wurden, ist rechtlich bedeutungslos. Das Anbot enthält alle wesentlichen Bedingungen; wenn die Beklagten auf den Wortlaut der Formulierung der einzelnen Vertragsbedingungen Gewicht gelegt hätten, so wäre es ihre Sache gewesen, die Vorlage des Vertrages zu verlangen. Ein solches Verlangen ist aber im Zuge der Verhandlungen, die durch Anwälte geführt wurden, gar nicht gestellt worden.

Ebenso bedeutungslos ist der Umstand, daß den Beklagten in der Zuschrift vom 13. Februar 1943 die Namen der Käufer nicht bekanntgegeben wurden; sie haben mit ihnen wegen Aufrechterhaltung ihrer Pachtrechte unterhandelt; es verstieße daher wider Treu und Glauben, wenn man aus dem formalen Umstand, daß der Name der Käufer im Schreiben vom 13. Februar 1943 nicht angeführt ist, irgendwelche rechtlichen Folgerungen ziehen wollte. § 1075 ABGB. enthält übrigens keine Vorschrift, daß dies bei sonstiger Gültigkeit geschehen muß. Die Praxis verlangt es für den Regelfall, aber nur deshalb, damit der Berechtigte die Ernstlichkeit des Vertragswillens überprüfen kann, ob nicht etwa nur ein Vertrag vorgeschützt werde, um ihn zur Abgabe einer Erklärung nach § 1075 ABGB. zu veranlassen. An der Ernstlichkeit der Vertragsabsicht konnten aber die Beklagten nach den untergerichtlichen Feststellungen gar nicht zweifeln.

Das Berufungsgericht hat daher mit Recht verneint, daß das Vorkaufrecht nicht fristgerecht ausgeübt worden sei.

Übrigens kommt es im vorliegenden Fall überhaupt nicht darauf an, ob die Beklagten ihr Vorkaufsrecht rechtzeitig ausgeübt haben; dies aus folgender Erwägung:

Durch die Abgabe der Eintrittserklärung wird zwar grundsätzlich das Vorkaufsrecht zum Erlöschen gebracht, da dadurch ein Kaufvertrag zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Belasteten schon zustandegekommen ist. Doch gilt dies nur für den Regelfall. In dem diesmal der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vorgelegten Fall konnte aber ein rechtzeitiger Kaufvertrag weder zwischen den Beklagten und den von dem Belasteten gewählten Käufern, noch zwischen dem Belasteten und dem Vorkaufsberechtigten zustandekommen, weil die Gültigkeit des Kaufvertrages von einer behördlichen Genehmigung abhing und nach der im Jahre 1943 bestehenden Praxis einem Eigentumswechsel nach der Grundstückverkehrsbekanntmachung vom 26. Jänner 1937, DRGBl. I S. 35, Kd. GBlÖ. Nr. 283/38, in Beobachtung des Führererlasses vom 28. Juli 1942, DRGBl. I S. 481, über die Einschränkung des Verkehrs mit landwirtschaftlichen Grundstücken im Kriege die Genehmigung nur dann erteilt wurde, wenn zwingende persönliche Gründe auf der Seite des Verkäufers dafür sprachen oder wenn der Besitzwechsel mit der Rücksichtnahme auf die ordentliche Bewirtschaftung des Besitzes geboten war. Daß diese Voraussetzungen nicht gegeben waren, folgt aus dem im Akte erliegenden Bescheide der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien (Hauptabteilung: Ernährung und Landwirtschaft, Abt. J 17 - Landeskultur) vom 5. Mai 1943, Abt. J-17-6/E-3/43. Ein Ansuchen der Vorkaufsberechtigten wäre daher niemals genehmigt worden. Es kann daher aus dem Umstand, daß die Beklagten um die Genehmigung des Kaufvertrages nicht angesucht und jahrelang keine weiteren Schritte unternommen haben, zu ihren Ungunsten keine weitere Rechtsfolge abgeleitet werden.

Der Vorkaufsberechtigte ist nur dann zur Abgabe einer Eintrittserklärung verpflichtet, wenn die rechtliche Möglichkeit besteht, auf die Erfüllung des von ihm durch den Eintritt abgeschlossenen Kaufvertrages zu dringen. Andernfalls hätte es der Belastete in der Hand, durch Abschluß eines Kaufvertrages mit einem Dritten den Vorkaufsberechtigten zum Eintritt zu zwingen und so das Vorkaufsrecht, da der Vertrag nicht genehmigungsfähig ist, zum Erlöschen zu bringen, weil das Vorkaufsrecht nur einmal ausgeübt werden kann und daher auch dann erlischt, wenn der Vertrag mit dem Vorkaufsberechtigten infolge gesetzlicher Hindernisse gar nicht erfüllt werden kann.

Dies zwingt zu der einschränkenden Auslegung des § 1075 ABGB., daß das Vorkaufsrecht nur dann erlischt, wenn ein Verkauf überhaupt zulässig ist. Stehen dem Abschluß eines Verkaufes, wie diesmal, zeitlich - auf Kriegszeit - beschränkte Hindernisse entgegen, so bleibt das Vorkaufsrecht weiter bestehen, wenn der Beklagte an einen Dritten zu verkaufen versucht mag nun der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht in diesem Fall mit Rücksicht auf die Veräußerungsmöglichkeit überhaupt nicht ausgeübt haben, oder mag er es zur Vorsicht zwar geltend gemacht haben, aber darauf mit Rücksicht auf die Unmöglichkeit der Erfüllung nicht weiter bestanden haben.

Da demnach das Vorkaufsrecht der Beklagten weiter zu Recht besteht, so mußte das berufungsgerichtliche Urteil bestätigt werden.

Anmerkung

Z22034

Schlagworte

Vorkaufsrecht, Voraussetzungen der Ausübung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00118.49.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19490316_OGH0002_0010OB00118_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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