TE OGH 1949/5/6 2Ob210/48

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Veröffentlicht am 06.05.1949
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Norm

Ehegesetz §§66 ff
Ehegesetz §73
Ehegesetz §74
Ehegesetz §75
Ehegesetz §115
ZPO §467

Kopf

SZ 22/65

Spruch

Auf Unterhaltsforderungen auf Grund von Vergleichen, die zwischen Ehegatten anläßlich der Scheidung von Tisch und Bett vor Inkrafttreten des Ehegesetzes abgeschlossen wurden, findet § 74 EheG. nicht Anwendung.

Entscheidung vom 6. Mai 1949, 2 Ob 210/48.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger hatte mit der Beklagten anläßlich der einverständlichen Scheidung von Tisch und Bett am 25. September 1937 einen Vergleich geschlossen, worin er sich zur Zahlung einer Unterhaltsleistung verpflichtet hatte. Er hat nunmehr eine Klage auf Ausspruch des Erlöschens dieser Verpflichtung eingebracht mit der Begründung, daß die Beklagte sich schwerer Verfehlungen gegen den Kläger schuldig gemacht habe und einen unsittlichen Lebenswandel führe, daß daher ihre Unterhaltsansprüche nach § 74 EheG. verwirkt seien.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben, das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde. In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils wird ausgeführt, daß die Bestimmung des § 74 EheG. auf den vorliegenden Unterhaltsanspruch nicht Anwendung finden dürfe und daß überdies in dem Verhalten der Beklagten, sofern es auf Grund der durchgeführten Beweise feststellbar war, weder eine schwere Verfehlung gegen den Kläger noch ein unsittlicher Lebenswandel erblickt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers mit folgender Begründung nicht Folge gegeben:

Die Revision versucht vergeblich, die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zu erschüttern, wonach auf Unterhaltsvergleiche, die von Ehegatten bei der Scheidung der Ehe von Tisch und Bett vor Inkrafttreten des Ehegesetzes geschlossen wurden, § 74 EheG. nicht anwendbar ist. Für die vom Berufungsgerichte ausgesprochene Rechtsansicht spricht der klare Wortlaut des Gesetzes (§ 115 Abs. 3 EheG.). Aus dem zweiten Satz des Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ergibt sich durch Umkehrung, daß im Falle der im ersten Satze angeführten einverständlichen Regelung die Vorschriften des Ehegesetzes über den Unterhalt nicht gelten sollen. Zu diesen (ausgeschlossenen) Unterhaltsvorschriften des Ehegesetzes gehört aber auch laut Überschrift des 2. Abschnittes, E II des Ehegesetzes die Bestimmung des § 74.

Wenn das Gesetz die einverständliche Regelung des Unterhaltes im Falle der Scheidung von Tisch und Bett von den Bestimmungen des Ehegesetzes unberührt lassen will, geschieht dies in der Erwägung, daß eine solche einverständliche Regelung auf die Frage des Verschuldens an der Scheidung oft mit Absicht nicht voll oder überhaupt gar nicht Bedacht genommen hat und daß das Verschulden im Falle der einverständlichen Scheidung nicht gerichtlich festgestellt worden ist. Anderseits sind die gesetzlichen Bestimmungen von dem durchaus verständlichen Willen geleitet, der Absicht der Eheteile bei Abschluß eines solchen Vergleiches auch für die Zukunft Rechnung zu tragen. Aus allen diesen Gründen böte es unüberwindliche Schwierigkeiten, derartige Unterhaltsvergleiche mit den Bestimmungen des Ehegesetzes über den Unterhalt in Einklang zu bringen.

Diese Erwägung gilt nicht nur für die Vorschriften der §§ 66 bis 73, sondern auch des § 74 EheG. Es ist durchaus denkbar und mag auch vorgekommen sein, daß ein bemittelter Ehegatte im Hinblick auf die Mittellosigkeit der Gattin oder aus einer gewissen Großzügigkeit heraus sich zu einer Unterhaltsleistung verpflichtete, obwohl die Gattin an der Scheidung allein schuldtragend war und schon zur Zeit des Unterhaltsvergleiches ein Verhalten an den Tag legte, das dem nunmehrigen § 74 EheG. entspricht. Es wäre durchaus unbillig, in einem solchen Falle den Ehemann nunmehr bei gleichbleibenden Umständen von der freiwillig übernommenen Verpflichtung zu befreien. Das Beispiel zeigt, daß auch die Anwendung des § 74 EheG. auf Unterhaltsvereinbarungen der Ehegatten anläßlich der einverständlichen Scheidung zu unbilligen Ergebnissen führen kann. Es ist daher verständlich, daß § 115 Abs. 3 EheG. die gesamten Vorschriften des Ehegesetzes über Unterhaltsleistung nicht für anwendbar erklärt, wenn anläßlich der Scheidung von Tisch und Bett über den Unterhalt zwischen den Gatten eine einverständliche Regelung getroffen worden ist.

Das Berufungsgericht hat daher in durchaus richtiger Weise seine Entscheidung darauf gegrundet, daß § 74 EheG. auf die vorliegende Unterhaltsverpflichtung nicht angewendet werden darf. Nur im Hinblick auf die Ausführungen der Revision wird noch beigefügt: Die Revision will die Unrichtigkeit der oben dargelegten Rechtsansicht damit dartun, daß sie meint, daß der Ausschluß der Unterhaltsbestimmungen des Ehegesetzes hinsichtlich der erwähnten Unterhaltsvergleiche als Ausnahme von der Regel einschränkend ausgelegt werden müsse und daß nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes auch § 75 EheG. auf solche Vergleiche nicht angewendet werden könnte, die geschiedene Gattin daher in der Lage wäre, von zwei Männern Unterhalt zu beziehen. Das erste Argument ist deswegen nicht stichhaltig, weil die einschränkende Auslegung nicht zu einem offenen Abweichen von dem Wortlaut des Gesetzes führen kann. Hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit des § 75 EheG. übersieht die Revision, daß auch nach altem österreichischen Recht (ohne Rücksicht auf die Bestimmungen des Ehegesetzes) der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Gattin erlischt, wenn sie mit einem anderen Manne eine neue Ehe schließt.

Anmerkung

Z22065

Schlagworte

Alimente nach Scheidung von Tisch und Bett, Ehescheidung von Tisch und Bett, § 74 EheG. unanwendbar, Scheidung von Tisch und Bett, § 74 EheG. unanwendbar, Unterhalt nach Scheidung von Tisch und Bett

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0020OB00210.48.0506.000

Dokumentnummer

JJT_19490506_OGH0002_0020OB00210_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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