TE OGH 1949/5/11 4Ob23/49

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Veröffentlicht am 11.05.1949
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Norm

ABGB §163
Arbeitsgerichtsgesetz §1
Arbeitsgerichtsgesetz §2
ZPO §41
ZPO §50

Kopf

SZ 22/73

Spruch

Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes für die Klage einer Ziehtochter gegen die Verlassenschaft der Ziehmutter auf Zahlung eines entsprechenden Lohnes für Dienste, die in der getäuschten Erwartung geleistet wurden, daß sie zur Universalerbin eingesetzt werden würde.

Entscheidung vom 11. Mai 1949, 4 Ob 23/49.

I. Instanz: Arbeitsgericht Judenburg; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Die Klägerin behauptet in der Klage, eine Ziehtochter der am 16. Dezember 1946 verstorbenen F. P. gewesen zu sein und sich seit dem Jahre 1925 in deren Haushalt befunden zu haben. Seit 20 Jahren hat sie nach ihrer Behauptung nicht nur die Dienste einer Hausgehilfin bei F. P. geleistet, sondern darüber hinaus auch noch andere Dienste verrichtet, insbesondere das Vieh (Ziegen, Schweine, Kaninchen) gefüttert und betreut und in letzter Zeit auch noch Krankenpflege und Wartedienste bei der Verstorbenen verrichtet. Diese Arbeiten habe sie nur in der Erwartung geleistet, daß die Verstorbene sie, wie sie wiederholt auch vor dritten Personen erklärt hatte, als ihre einzige Erbin einsetzen werde. F. P. habe es aber unterlassen, eine letztwillige Verfügung zu treffen, und ein gesetzliches Erbrecht stehe der Klägerin nicht zu. Da die Klägerin sonach in ihren Erwartungen getäuscht wurde und die Voraussetzung, unter der sie die Dienste geleistet habe, nicht zutreffe, sei sie berechtigt, für ihre Arbeit einen entsprechenden Lohn zu fordern.

Das Arbeitsgericht hat sich für unzuständig erklärt und die Klage zurückgewiesen, weil kein Arbeitnehmerverhältnis, sondern ein familienähnliches Verhältnis zwischen der Klägerin und der verstorbenen F. P. vorgelegen sei.

Das Rekursgericht hat dem Rekurse der Klägerin Folge gegeben, den angefochtenen Beschluß aufgehoben und die Rechtssache an das Arbeitsgericht zur Verhandlungsdurchführung und Entscheidung zurückverwiesen. Gleichzeitig hat das Rekursgericht ausgesprochen, daß das Verfahren erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses aufzunehmen ist. In der Begründung geht das Rekursgericht davon aus, daß die Klägerin behauptet, Dienste geleistet zu haben, und dafür ein Entgelt begehrt. Die Klagebehauptung gehe offenbar dahin, daß die Klägerin ihre Arbeitskraft auf Dauer zur Verfügung gestellt hat. Wenn auch nicht von vornherein ein regelmäßiges Entgelt vereinbart, sondern eine Erbschaft erwartet wurde, so nehme das den Leistungen der Klägerin nicht den Charakter von Dienstleistungen. Auch der Umstand, daß die Klägerin ihren Anspruch teilweise aus dem Titel der Bereicherung erhebt, ändere daran nichts, weil der Grund der Bereicherung eben in den geleisteten Diensten liege. Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes sei daher gegeben.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Rekurs (richtig Revisionsrekurs) der beklagten Partei, die die Ansicht vertritt, daß § 1 ArbGerG. mindestens ein Vertragsverhältnis voraussetze, also ein Rechtsverhältnis mit gegenseitiger rechtlicher Bindung. Wenn aber der Sohn dem Vater im Erwerb oder die Tochter der Mutter im Haushalt helfe, so könne von einer rechtlichen Bindung im Sinne eines Arbeitsvertragsverhältnisses nicht die Rede sein. So liege der Fall auch hier. Die Klägerin sei nach ihren eigenen Angaben im Armenrechtszeugnis im Jahre 1948 32 Jahre alt gewesen und habe sich seit 1925, also seit ihrem 9. Lebensjahre, im Haushalt der F. P. befunden. Sie habe, wie es üblich sei, verschiedene Dienste geleistet, sobald sie herangewachsen war und sei dafür verpflegt, wohl auch bekleidet worden und habe auch nach ihrer eigenen Angabe ein Taschengeld erhalten. Es liege somit ein Lebensverhältnis, beruhend auf gegenseitiger Hilfeleistung, aber kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis vor. Das zeige sich am besten daran, daß sowohl die Klägerin wie F. P. das Verhältnis jederzeit fristlos hätte lösen können.

Der Revisionsrekurs blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist nicht begrundet.

Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß nicht jede Verrichtung von Arbeiten für einen anderen die Annahme eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 1 ArbGerG. rechtfertigt. Die Klägerin behauptet aber - und darauf allein kommt es für die Frage der Zuständigkeit an -, daß sie fortlaufend über Auftrag der F. P. in deren Haushalt und Betrieb und für deren Rechnung Arbeiten verschiedener Art geleistet hat. Ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von F. P. ergibt sich schon daraus, daß sie deren Ziehtochter war und offenbar kein eigenes Vermögen oder anderweitiges Einkommen hatte. Es treffen daher auf sie alle Merkmale, die § 2 Abs. 1 letzter Satz ArbGerG. aufzählt, zu, so daß sie mindestens jenen arbeitnehmerähnlichen Personen zuzurechnen ist, die nach dieser Bestimmung ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen haben.

Die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich auch aus der Erwägung, daß eine andere Auslegung eine große Anzahl von Arbeitnehmern um den Schutz bringen könnte, den ihnen der Gesetzgeber verheißt und durch zwingende Bestimmungen verschiedener Art gewährleisten will.

Wenn die beklagte Partei einen Gegenbeweis gegen die von der Klägerin vertretene Ansicht darin erblicken zu können glaubt, daß sowohl die Klägerin wie auch F. P. das Verhältnis jederzeit fristlos hätte zur Lösung bringen können, so setzt sie das, was sie beweisen zu wollen vorgibt, bereits voraus. Denn wenn ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Verstorbenen bestand, dann wäre eine fristlose Lösung mangels einer besonderen Vereinbarung nicht möglich gewesen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes ist daher rechtlich einwandfrei, weshalb dem gegen sie gerichteten Revisionsrekurse der Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten grundet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Bemerkt sei noch, daß der Rechtskraftvorbehalt im angefochtenen Beschlusse überflüssig war, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes in Wahrheit eine Abänderung der erstrichterlichen Entscheidung bedeutet und nur deshalb in den Wortlaut der Aufhebung gekleidet werden mußte, weil eine andere Entscheidung an die Stelle des erstgerichtlichen Spruches nicht zu treten hatte.

Anmerkung

Z22073

Schlagworte

Arbeitsgericht sachliche Zuständigkeit, Aufhebungsbeschluß Abgrenzung von abändernder Rekursentscheidung, Dienstvertrag Hausarbeit der Ziehtochter, Rechtskraftvorbehalt, nicht bei abändernder Rekursentscheidung, Rekursentscheidung Abgrenzung zwischen Aufhebung und Abänderung, Revisionsrekurs gegen Aufhebungsbeschluß mit Auftrag zur Fortsetzung, des Verfahrens, Unzuständigkeit sachliche, des Arbeitsgerichtes, Ziehkind, Arbeitsleistungen für Ziehmutter, Zuständigkeit sachliche, des Arbeitsgerichtes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0040OB00023.49.0511.000

Dokumentnummer

JJT_19490511_OGH0002_0040OB00023_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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