TE OGH 1949/10/5 1Ob350/49

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Veröffentlicht am 05.10.1949
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Norm

ABGB §905
ABGB §1447
ZPO §235
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4

Kopf

SZ 22/143

Spruch

Die Leistungsklage ist auch bei vorübergehender Unmöglichkeit der Leistung (Unmöglichkeit der Einhaltung der Erfüllungszeit) abzuweisen.

Entscheidung vom 5. Oktober 1949, 1 Ob 350/49.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach dem Klagsvorbringen hat sich die zweitbeklagte Partei im August 1941 verpflichtet, als Gegenleistung für den Nachlaß ihrer Schuld von 9600 RM der klagenden Partei nach Beendigung des Krieges eine Ford-Taunus-Limousine zum Fabrikspreis von 3100 RM kostenlos zu liefern. Das geänderte Klagebegehren ist auf Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Lieferung eines PKW. Ford, Type Taunus, gerichtet, wozu der Kläger noch erklärte, er bestehe nicht auf Lieferung eines fabriksneuen Wagens, sondern nur auf solcher eines Wagens der gleichen Type in fahrbarem Zustande.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur Lieferung des Kraftwagens binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Urteiles mit dem Beisatz, daß sie sich von dieser Verbindlichkeit durch Lieferung eines gebrauchten Wagens dieser Type in fahrbarem Zustande befreien können, und führt in den Entscheidungsgründen aus, die Verbindlichkeit der Beklagten zur Lieferung einer Ford-Taunus-Limousine nach Kriegsende und Zuteilung stehe fest, die Einwendung der Beklagten, daß die Forderung der klagenden Partei noch nicht fällig sei, weil das Kriegsende noch nicht eingetreten sei, sei im Hinblick auf die Anerkennung der Unabhängigkeit und Souveränität des österreichischen Staates und die Wiederaufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen zu anderen Staaten unhaltbar, auch die von dem Beklagten eingewendete Unmöglichkeit der Erfüllung liege nach der Mitteilung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau nicht vor, vielmehr handle es sich nach dieser bloß um Schwierigkeiten bei der Einfuhr von Personenkraftwagen und sei mit Rücksicht darauf die Leistungsfrist mit sechs Monaten bemessen worden.

Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Urteil in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß zwar der Anspruch der klagenden Partei schon fällig sei, weil die vereinbarte einjährige Lieferfrist ab Kriegsende nicht erst vom Abschluß eines Friedens- oder Staatsvertrages, sondern von dem Ende aller kriegsmäßigen Unternehmungen und unmittelbaren kriegsmäßigen Erscheinungen zu berechnen sei, daß jedoch eine, wenn auch nur vorübergehende Unmöglichkeit der Leistung, richtig die Unmöglichkeit der Einhaltung der Erfüllungszeit, nicht aber der Erfüllung als solcher vorliege, da nach der Mitteilung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau völlig ungeklärt und unbestimmt sei, wann mit Sicherheit die Lieferung möglich sein werde und deshalb die Klage abgewiesen werden müsse.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Rahmen des Revisionsgrundes nach § 503 Z. 4 ZPO. führt der Revisionswerber zunächst aus, daß aus der Auskunft des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau hervorgehe, daß die Lieferung von Kraftwagen aus der Bi-Zone möglich sei und daß nur noch nicht vorausgesagt werden könne, wann Ford- Kraftwagen nach Österreich geliefert werden könnten. Das Berufungsgericht habe auch übersehen, daß die Beklagten ihre Behauptung der Unmöglichkeit der Leistung nur darauf stützten, daß die Einfuhr von Kraftwagen aus dem Auslande derzeit beschränkt und hiezu ein Bezugschein erforderlich sei, daß der Kläger jedoch in der Lage sei, sich einen Bezugschein zu beschaffen und daher diesem Erfordernis durch Verurteilung Zug um Zug gegen Vorlage des Bezugscheines binnen der vom Erstgericht bestimmten sechsmonatigen Leistungsfrist Rechnung getragen werden müsse. Überdies sei nach dem Kaufvertrag der Wagen nach Köln zu liefern, so daß die Einfuhrpflicht der Beklagten wegfalle. Die Auskunft des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau sei überdies unzureichend, da sie nur allgemein die Einfuhr von Kraftfahrzeugen behandle, während für die Einfuhr von solchen auf Grund von Bezugsscheinen eine Sonderregelung bestehe, die eine sofortige Einfuhr erlaube. Es liege daher in dieser Richtung ein Mangel im Sinne des § 503 Z. 2 ZPO. vor. Auch könne auf Grund der Auskunft des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau nicht angenommen werden, daß es völlig ungeklärt sei, wann mit Sicherheit die Lieferung möglich sei, vielmehr sei diese Annahme im Sinne des § 503 Z. 3 ZPO. aktenwidrig.

Von dem behaupteten Verfahrensmangel kann keine Rede sein, da die klagende Partei bisher gar nicht behauptet hat, daß die Einfuhr von Kraftwagen gegen Bezugschein ohneweiters möglich sei, und sich auch aus der Auskunft des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau keineswegs ergibt, daß sie sich nicht auch auf die Einfuhr auf Grund von Bezugscheinen erstreckt. Es trifft auch nicht zu, daß die Annahme des Berufungsgerichtes, es sei noch völlig unbestimmt, wann die Lieferung eines Kraftwagens aus der Bi-Zone möglich sei, mit dem Inhalt der Auskunft in Widerspruch stehe und aktenwidrig sei. Denn aus dieser Auskunft ergibt sich zwar, daß in dem mit der Bi-Zone abgeschlossenen Handelsvertrag auch die Einfuhr von Kraftfahrzeugen vorgesehen ist, daß jedoch im Hinblick auf die devisenwirtschaftliche Lage derzeit noch nicht abzusehen ist, ob und inwieweit diese Einfuhr einen erheblichen Umfang werde annehmen können und daß ebensowenig bereits feststellbar ist, ob unter den zu importierenden Fahrzeugen sich auch solche der Marke Ford-Taunus befinden werden. Daraus konnte das Berufungsgericht den Schluß ziehen, daß es derzeit ungewiß ist, wann die Einfuhr eines PKW. Ford-Taunus möglich sein werde. Ob andere Kraftfahrzeuge eingeführt werden können, ist aber bedeutungslos, da die Beklagten, wie unbestritten feststeht, nur verpflichtet sind, einen PKW. Ford-Taunus zu liefern. Wenn der Kläger zur rechtlichen Beurteilung behauptet, die Beklagten hätten die Unmöglichkeit der Erfüllung nicht auf die beschränkte Einfuhr nach dem Handelsvertrag, sondern auf die Bezugscheinpflicht gestützt, so ist dies unrichtig; denn der Erstbeklagte hat schon in der Klagebeantwortung vorgebracht, die Lieferung des Autos sei unmöglich, solange durch die Abschließung Österreichs und Deutschlands normale geschäftliche Verbindungen zur erzeugenden Firma ausgeschlossen seien. In der Verhandlung vom 7. Oktober 1948 haben die Beklagten außerdem noch die Unmöglichkeit der Lieferung aus der Bezugscheinpflicht abgeleitet. Daß der Ford-PKW. nach dem Kaufvertrag in Köln zu liefern sei, hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet. Es geht dies zwar aus dem Vorbringen der Beklagten in der Streitverhandlung vom 7. Oktober 1948 hervor, wurde aber von den Beklagten nicht eingewendet, also die Verpflichtung zur Lieferung in Wien nicht bestritten. Das Klagebegehren kann in Verbindung mit dem klägerischen Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren auch nur so verstanden werden, daß der Kläger Lieferung in Wien begehrt. Der Kläger hat ja auch nicht einmal zur Einwendung der Beklagten, daß die Lieferung in Österreich derzeit unmöglich sei, darauf hingewiesen, daß sie ja in Köln zu liefern hätten, obwohl der Kläger damit dieser Einwendung der Beklagten den Boden entzogen hätte. Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren sein Klagebegehren nicht entsprechend geändert und hat dies selbst in der Revision nicht getan, sondern lediglich am Schlusse seiner Ausführungen bemerkt, daß die Beklagten in Köln zu liefern hätten und sie daher die Einfuhrpflicht gar nicht treffe. Die Erfüllung im Auslande statt am Wohnsitz oder an der Niederlassung des Schuldners stellt im Sinne des § 905 ABGB. kein Minus dar, dies selbst dann nicht, wenn der zu liefernde Gegenstand vom Schuldner erst aus dem Auslande bezogen werden muß, da der Lieferung im Auslande ja wieder andere Hindernisse im Wege stehen können. Eine Verurteilung der Beklagten zur Lieferung des PKW. in Köln ist jedenfalls ohne entsprechende Änderung des Klagebegehrens ebensowenig möglich, wie ohne eine solche Änderung eine Verurteilung zur Leistung eines anderen Gegenstandes als des in der Klage verlangten zulässig wäre, wenngleich es sich hier gemäß § 235 Abs. 4 ZPO. nicht um eine Klagsänderung handelt. Es muß an dem Begehren auf Lieferung eines PKW. in Wien festgehalten werden. Entscheidend ist daher nur, ob die vom Berufungsgericht angenommene vorübergehende Unmöglichkeit der Erfüllung die Klagsabweisung rechtfertigt. Gschnitzer (Klang's Kommentar, 1. Aufl., II/2, S. 164) und Ehrenzweig (System, II/1, S. 349) bejahen diese Frage. Auch der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 30. April 1918, ZBl. 1918, Nr. 272, ausgesprochen, daß eine zeitweise Unmöglichkeit der Erfüllung zwar die Lieferpflicht des Schuldners nicht aufhebt, sie jedoch hinausschiebt. Der Oberste Gerichtshof hält an dieser Ansicht fest und teilt daher die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.

Da somit keiner der geltend gemachten Revisionsgrunde gegeben ist, mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

Z22143

Schlagworte

Erfüllung vorübergehende Unmöglichkeit der Leistung, Fälligkeit vorübergehende Unmöglichkeit der Leistung, Leistung Unmöglichkeit der -, vorübergehende, Nichterfüllung vorübergehende Unmöglichkeit der Leistung, Unmöglichkeit der Leistung, vorübergehende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00350.49.1005.000

Dokumentnummer

JJT_19491005_OGH0002_0010OB00350_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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