TE OGH 1949/12/17 1Ob131/49

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Veröffentlicht am 17.12.1949
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Norm

ABGB §91
ABGB §105
ABGB §110
ABGB §551
ABGB §1238

Kopf

SZ 22/199

Spruch

Mit der Wiedervereinigung von Tisch und Bett geschiedener Ehegatten erlischt auch der anläßlich der Scheidung vereinbarte Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht.

Entscheidung vom 17. Dezember 1949, 1 Ob 131/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Schwechat; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die zwischen dem Kläger und der K. L. geschlossene Ehe wurde am 22. August 1931 einverständlich von Tisch und Bett geschieden. Anläßlich dieser Scheidung haben die Ehegatten in einem in Form eines Notariatsaktes abgeschlossenen Dissolutionsvertrag ihr gemeinsames Vermögen aufgeteilt und weiters auf jedes Erbrecht an dem Nachlaß des anderen Ehegatten ausdrücklich verzichtet. Mit Eingabe vom 6. Februar 1933 haben die Obgenannten die Wiedervereinigung dem Gerichte angezeigt, die auch vom Gerichte zur Kenntnis genommen wurde.

Das Erstgericht hat die auf Feststellung 1. des gesetzlichen Erbrechtes an der Hälfte des Nachlasses nach der am 13. Juni 1945 verstorbenen K. L., 2. des Mangels des Erbrechtes der beklagten Parteien an dieser Nachlaßhälfte gerichtete Klage abgewiesen.

In rechtlicher Beziehung führt das Erstgericht aus, daß durch die Wiedervereinigung der Ehegatten gemäß § 110 ABGB. die Gültigkeit des vereinbarten Erbverzichtes nicht berührt worden sei, da es sich diesbezüglich um eine vom freien Willen der Parteien getragene Übereinkunft handle, zumal einerseits ein derartiger Erbverzicht auch bei aufrechtem Bestand einer Ehe möglich sei und anderseits nach den zur Zeit der Scheidung in Geltung stehenden eherechtlichen Bestimmungen die einverständliche Scheidung den Verlust des Erbrechtes nicht nach sich gezogen habe. Aus der Tatsache der Wiedervereinigung könne daher nicht auf die Aufhebung des Erbverzichtes geschlossen werden, zumal die anläßlich des Erbverzichtes und der Teilung des Vermögens zugunsten der K. L. erfolgte Eigentumsübertragung der Hälfte der Liegenschaft EZ. 428 Grundbuch Markt F., nicht nur durchgeführt, sondern auch aufrechterhalten wurde.

Der wider dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht Folge und verwies unter Rechtskraftvorbehalt die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück.

Das Berufungsgericht stellte sich auf den Standpunkt, die Wiedervereinigung einer von Tisch und Bett geschiedenen Ehe manifestiere den Willen, die Folgen der Scheidung zumindestens für die Zukunft zu beseitigen. Darum wurden durch die Wiedervereinigung alle Vereinbarungen, die aus Anlaß der Ehescheidung getroffen wurden, außer Kraft gesetzt, ohne daß es einer besonderen Abmachung diesbezüglich bedürfe. Auch die Vereinbarung über die Unterhaltsleistung, bzw. über einen Unterhaltsverzicht, soweit eine solche anläßlich der Scheidung getroffen wurde, werde durch die Wiedervereinigung hinfällig. Erlöschen somit derartige anläßlich der Scheidung getroffene Vereinbarungen, dann sei es nicht einzusehen, warum nicht ein anläßlich der Scheidung erfolgter Erbverzicht, dessen Wirkungen gleichfalls erst in der Zukunft sich äußern soll, durch die Wiedervereinigung die gleichen Folgen nach sich ziehe. Wenn es auch richtig sei, daß die anläßlich der einverständlichen Scheidung durch Vereinbarung aufgehobenen Ehepakte durch die Wiedervereinigung nicht wieder in Kraft treten, weil die Aufhebung eines aufhebenden Rechtsaktes nur in die Zukunft wirkt, daher keine Rückwirkung äußern könne, so folge daraus, daß Vereinbarungen, die erst in Zukunft in Wirksamkeit treten würden, jedenfalls durch die Wiedervereinigung erlöschen.

Da aber vom Erstgericht die von den beklagten Parteien bestrittene Wiedervereinigung nicht auf ihre Richtigkeit überprüft worden sei, sei die Verweisung der Rechtssache an das Prozeßgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem von einem Teil der Beklagten erhobenen Rekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die zu lösende Rechtsfrage geht dahin, welche Wirkungen die in § 110 ABGB. vorgesehene Wiedervereinigung hat.

Da diese Frage aus dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle nicht beantwortet werden kann, muß auf ihren Sinn zurückgegriffen werden. Dieser Sinn ist der, den geschiedenen Ehegatten jederzeit ohne Einhaltung einer Formvorschrift die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zu ermöglichen, worunter nicht nur die Wiederaufnahme des ehelichen Lebens, sondern auch die tatsächliche Herbeiführung einer gemeinsamen Haus-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft verstanden wird.

Da die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft die Wirkung einer Eheschließung hat, erlöschen mit der tatsächlichen Wiedervereinigung alle Scheidungsfolgen und alle Vereinbarungen, die die Ehegatten anläßlich der Scheidung für die Zukunft getroffen haben. Daraus folgt, daß auch die anläßlich der Scheidung getroffene Vereinbarung über eine Unterhaltsfestsetzung oder einen etwaigen Unterhaltsverzicht gegenstandslos wird, da sich die Unterhaltsansprüche in der Ehe nur mehr nach § 91 ABGB. richten. Im gegenständlichen Falle haben die Ehegatten L. anläßlich der Scheidung ihr Vermögen geteilt und gegenseitig auf das ihnen zustehende gesetzliche Erbrecht verzichtet.

Es ist richtig, daß dieser Erbverzicht (§ 551 ABGB.) zwischen den Ehegatten auch während des Bestandes der Ehe wirksam vereinbart werden kann; die Rechtsansicht aber, daß aus diesem Umstand zu schließen ist, daß der anläßlich der Scheidung vereinbarte Erbverzicht durch die Wiedervereinigung nicht außer Kraft tritt, kann nicht geteilt werden.

Wie aus dem als Dissolutionsvertrag bezeichneten Notariatsakt hervorgeht, wurden zwischen den Ehegatten anläßlich der Scheidung im Sinne des zu dieser Zeit in Geltung stehenden § 105 ABGB. über das Vermögen, den Unterhalt und auch über das Erbrecht Vereinbarungen getroffen. Aus der Textierung dieses Vertrages geht eindeutig hervor, daß es sich um eine Vereinbarung aus Anlaß der Scheidung handelt, womit die Ehegatten für die Zukunft ihre Ansprüche einer Regelung unterwarfen.

Wenn nun die Ehegatten sich wieder vereinigen, so hat diese tatsächlich erfolgte Wiedervereinigung zur Folge, daß die Folgen der Scheidung und daher auch alle Vereinbarungen, die aus Anlaß der Scheidung abgeschlossen wurden, erlöschen.

Wie durch die Wiedervereinigung zwischen den Ehegatten in vermögensrechtlicher Hinsicht die vollen eherechtlichen Beziehungen (z. B. §§ 1238, 1495 ABGB.) wieder in Kraft treten, wie ferner der vereinbarte Unterhaltsverzicht seine Wirksamkeit verliert und dafür der Unterhaltsansspruch nach § 91 ABGB. eintritt, genau so erlischt der anläßlich der Ehescheidung vereinbarte Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht, da dieser Erbverzicht ja auch nur aus Anlaß der Scheidung abgegeben wurde.

Wenn in diesem Zusammenhang darauf verwiesen wurde, daß die anläßlich einer Ehescheidung aufgehobenen Ehepakte keineswegs durch die Wiedervereinigung wieder in Wirksamkeit treten, daher auch der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht durch die Wiedervereinigung nicht erlischt, zumal zur Aufhebung dieses Erbverzichtes ein Notariatsakt erforderlich ist, so ist hiezu folgendes zu bemerken:

Die anläßlich einer Ehescheidung aufgehobenen Ehepakte können durch die Wiedervereinigung deshalb nicht wieder wirksam werden, da die Annullierung eines aufhebenden Rechtsaktes nur für die Zukunft wirkt und eine Rückwirkung im Gesetze nicht vorgesehen ist. Anders steht es mit dem Verzicht auf das Erbrecht, der ja nach dem Willen der Parteien erst in Zukunft, nämlich im Falle des Todes eines Ehegatten, wirksam werden soll, wobei im übrigen bemerkt wird, daß zur Aufhebung des Erbverzichtes keine Formvorschrift vorgeschrieben ist (Weiß in Klang's Kommentar, 2. Aufl., zu § 551 ABGB.).

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes daher vom Obersten Gerichtshof geteilt wird, war dem Rekurs der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z22199

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00131.49.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19491217_OGH0002_0010OB00131_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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