TE OGH 1950/1/25 1Ob524/49

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Veröffentlicht am 25.01.1950
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Norm

Außerstreitgesetz §16
Eisenbahnenteignungsgesetz §24
Eisenbahnenteignungsgesetz §30
JN §3

Kopf

SZ 23/10

Spruch

Im Verfahren zur Festsetzung der Enteignungsentschädigung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz vom 18. Februar 1878, RGBl. Nr. 30, haben über Rekurse die Gerichtshöfe erster Instanz zu entscheiden.

§ 16 AußstrG. gilt auch für dieses Verfahren.

Entscheidung vom 25. Jänner 1950, 1 Ob 524/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Landeck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 18. Dezember 1948, wurde gemäß Art. 4 der Verordnung vom 17. Jänner 1940, DRGBl.

I S. 202, und in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes vom 18. Februar 1878, RGBl. Nr. 30, betreffend die Enteignung zum Zwecke der Herstellung und des Betriebes von Eisenbahnen, zugunsten des Achenseekraftwerkes und der dazugehörigen Schalt- und Umspannwerke auf der Liegenschaft der Rechtsmittelwerberin, Grundbuch St. A., EZ. 442/II, GP. Nr. 98/2, folgende Dienstbarkeiten eingeräumt:

a) Die Dienstbarkeit zur Führung, Benützung und Erhaltung der Leitung im Luftraume.

b) Die Dienstbarkeit zur Benützung des Gründes für die Erstellung eines halben Tragmastes (T. Nr. 221) und später fallweise für die Erhaltung desselben.

Ferner wurde mit diesem Bescheid die zu leistende Entschädigung für die Überspannung des Grundstückes und Aufstellung eines halben Tragmastes mit 1964 S festgesetzt. Da die Gründeigentümerin diesen Entschädigungsbetrag für zu niedrig hielt, stellte sie beim Bezirksgericht Landeck den Antrag, die Entschädigung für dieses Grundstück mit 20.695 S festzusetzen.

Das Erstgericht hat nach Vornahme eines Ortsaugenscheines, Vernehmung von zwei Sachverständigen und Einsichtnahme in den Enteignungsakt mit Beschluß vom 3. Juni 1949 die Entschädigung mit 4900 S festgesetzt, indem es davon ausging, daß das Grundstück trotz der Starkstromleitung als Bauplatz verwendet und der von der Antragstellerin schon im Jahre 1939 geplante Bau errichtet werden könne, daß der Wert des Grundstückes ohne Leitung 19.640 S betrage und durch die Belastung mit den Dienstbarkeiten eine Verminderung dieses Wertes um 25%, also um rund 4900 S, eingetreten sei.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs macht Maria H. als Nichtigkeiten geltend, daß über den Rekurs das Landesgericht Innsbruck, statt, wie § 30 Abs. 5 des Eisenbahnenteignungsgesetzes vorschreibe, das Oberlandesgericht Innsbruck entschieden habe, und daß das Erstgericht mit Billigung des Rekursgerichtes nicht auf Grund der Angaben der von ihm vernommenen Sachverständigen, sondern des im Zuge des Enteignungsverfahrens erstatteten Sachverständigengutachtens entschieden habe. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit soll darin liegen, daß die Untergerichte als Entschädigung bloß den Betrag, um den sich der Verkehrswert des Grundstückes vermindert hat, zuerkannt haben, ohne die Erhöhung der Baukosten, der Versicherungsprämien sowie die Entwertung des zu errichtenden Hauses und dergleichen zu berücksichtigen oder einfach, weil das Grundstück nicht mehr als Bauplatz verwendet werden könne, die Differenz zwischen dem Wert als Bauplatz und jenem als landwirtschaftliches Grundstück zuzüglich der für Baupläne und sonstige Vorbereitungsarbeiten ausgelegten Kosten zuzusprechen. Eine Aktenwidrigkeit liegt nach Meinung der Rechtsmittelwerberin darin, daß das Rekursgericht ausgeführt hat, die Erklärung der vom Erstgericht vernommenen Sachverständigen, sie würden auf dem Grundstück nach den gegebenen Umständen keinen Bau aufführen und das Grundstück nicht als Bauplatz kaufen, beruhen mehr auf dem Gefühl als auf stichhältigen Vernunftgrunden und gehe die Annahme, daß der Standpunkt von der Allgemeinheit geteilt werde, sicher zu weit, obwohl die Sachverständigen nach Gründen für eine Ansicht gar nicht gefragt worden seien und keine Gründe angegeben hätten. Schließlich meint die Rechtsmittelwerberin, die Beschränkungen der Anfechtbarkeit im § 16 AußstrG. hätten nach § 30 EisenbahnenteignungsG. nicht für dieses Verfahren Geltung, macht daher Verfahrensmängel geltend und bekämpft die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes.

Daß für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, soweit nicht das Eisenbahnenteignungsgesetz besondere Vorschriften enthält, die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden sind, ergibt sich aus § 24 des Eisenbahnenteignungsgesetzes. Dies muß aber auch für das Rechtsmittelverfahren gelten. § 30 des Eisenbahnenteignungsgesetzes enthält für die Anfechtung und das Rekursverfahren nur die von den Vorschriften des Außerstreitgesetzes abweichende Bestimmung, daß der Rekurs in doppelter Ausfertigung zu überreichen, eine Ausfertigung dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen ist und dieser sich binnen 14 Tagen zu den Rekursausführungen äußern kann sowie daß diese Vorschrift auch für den Revisionsrekurs gilt. Von einer über den Rahmen des § 16 AußstrG. hinausgehenden Anfechtbarkeit eines bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichtes ist im § 30 EisenbahnenteignungsG. keine Rede. Daher ist die Vorschrift des § 16 AußstrG. auch hier anzuwenden und kann deshalb der Beschluß des Rekursgerichtes nur wegen einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität angefochten werden. Daß § 30 von der Anfechtung der Entscheidung des Oberlandesgerichtes spricht, bedeutet nicht, daß über den Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes auch heute noch das Oberlandesgericht zu entscheiden hätte, vielmehr ist die Regelung des § 30 EisenbahnenteignungsG. darauf zurückzuführen, daß zur Zeit der Erlassung dieses Gesetzes über die Rechtsmittel gegen die Entscheidungen aller Gerichte erster Instanz die Oberlandesgerichte zu entscheiden hatten. Dies ist aber durch die anderweitige Ordnung des Instanzenzuges in der JN. nach Lehre und Rechtsprechung überholt, so daß seither auch über diese Rekurse die Gerichtshöfe erster Instanz zu entscheiden haben (vgl. Klang, Kommentar zum ABGB., 2. Aufl., II, S. 199, und die dort in Anm. 89 zitierten Entscheidungen, ferner E. v. 8. November 1927, SZ. IX/201); daher hat über diesen Rekurs zutreffend das Landesgericht Innsbruck entschieden. In den hier anzuwendenden Bestimmungen des Außerstreitgesetzes ist der Grundsatz der Unmittelbarkeit und Mundlichkeit nicht in solcher Weise verankert wie in der ZPO. und kennt das erstere auch keine Beschränkung der zulässigen Beweismittel. Daher kann der Umstand, daß das Erstgericht mit Billigung des Rekursgerichtes seine Entscheidung über den der Rechtsmittelwerberin durch die Enteignung entstandenen Schaden nicht auf die Angaben der von ihm vernommenen Sachverständigen, sondern auf das im Enteignungsverfahren erstattete Gutachten gestützt hat, mag es auch zweifelhaft sein, ob dieser Vorgang der Vorschrift des § 24 EisenbahnenteignungsG. entspricht, zumindest keine Nichtigkeit begrunden. Vielmehr käme nur ein Verfahrensmangel in Frage, der aber nach § 16 AußstrG. nicht geltend gemacht werden kann. Daß das Rekursgericht ausführte, die Angabe der vom Erstgericht vernommenen Sachverständigen, sie würden unter den gegebenen Umständen auf dem Grundstück keinen Bau aufführen und die Parzelle auch nicht als Bauplatz kaufen, beruhen mehr auf dem Gefühl als auf stichhältigen Vernunftsgrunden, und gehe die Annahme, daß das Grundstück die Eignung als Bauplatz eingebüßt habe, sicher zu weit, stellt keine Aktenwidrigkeit dar, vielmehr handelt es sich nur um die Gründe des Rekursgerichtes, aus denen es diese Meinung der Sachverständigen für subjektiv und vom objektiven Gesichtspunkt für unrichtig hält. Da Verfahrensmängel und eine bloße Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichtes nach § 16 AußstrG. nicht geltend gemacht werden können, könnte die Höhe der Entschädigung nur dann angefochten werden, wenn sie auf einer offenbaren Gesetzwidrigkeit beruht. Eine solche liegt aber, wie der Oberste Gerichtshof in wiederholten Entscheidungen ausgesprochen hat, nur dann vor, wenn die Rechtsfrage, von der die Entscheidung des Rekursgerichtes abhängt, im Gesetz selbst ausdrücklich oder in so klarer Weise geregelt ist, daß kein Zweifel an der Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (vgl. SZ. XXI/10). Nach § 4 des Eisenbahnenteignungsgesetzes hat die Unternehmung, zu deren Gunsten die Enteignung ausgesprochen wurde, dem Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Entschädigung zur Bewirkung der dem § 365 ABGB. entsprechenden Schadloshaltung zu leisten. Nach § 7 dieses Gesetzes bleibt aber der Wert der besonderen Vorliebe außer Betracht. § 4 enthält also nur eine Generalklausel, nicht aber eine kasuistische Regelung für die verschiedenen Arten von Schäden. Was als Schaden in den einzelnen Enteignungsfällen in Betracht kommt, haben daher die Gerichte zu ermitteln. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit käme daher nur dann in Betracht, wenn bei Feststellung der Entschädigung ausdrücklich nur der gemeine Wert zuerkannt oder etwa vom Wert der besonderen Vorliebe ausgegangen worden wäre. Beides trifft aber im vorliegenden Falle nicht zu. Die von der Beschwerdeführerin schon in ihrem Antrag im erstinstanzlichen Verfahren verlangte Differenz zwischen den Verkehrswerten des Grundstückes als Baufläche und als landwirtschaftlicher Boden, vermehrt um die Kosten der Baupläne und der Vorarbeiten, kann überhaupt nicht in Frage kommen, da die Liegenschaft ja nach den Feststellungen der Untergerichte nach wie vor als Bauplatz verwendet und selbst der von der Beschwerdeführerin geplante Bau ausgeführt werden kann. Es kommt daher nur eine Verminderung des Wertes als Bauplatz in Frage, wobei auch eine Erhöhung der Baukosten und dergleichen zu berücksichtigen wäre. Alle diese Umstände hat aber das Rekursgericht, wie sich aus den Gründen ergibt, bei der Beurteilung der Wertminderung des Grundstückes berücksichtigt. Was die Beschwerdeführerin sonst noch als unrichtige rechtliche Beurteilung und als Verfahrensmängel geltend macht, muß nach § 16 AußstrG. unberücksichtigt bleiben. Bemerkt sei noch, daß die Frage, ob von dem Grundstückwert zur Zeit der Enteignung oder zur Zeit der Festsetzung der Entschädigung auszugehen ist, im vorliegenden Falle jeder Bedeutung entbehrt, da sich das Erstgericht in seiner am 3. Juni 1949 gefaßten Entscheidung auf die Angaben der am 11. Mai 1949 vernommenen Sachverständigen gestützt hat, die ohnehin die Werte vom 11. Mai 1949 angeführt haben.

Da somit weder eine offenbare Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung noch eine Nullität vorliegt und die behaupteten Verfahrensmängel und die angebliche Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichtes nach § 16 AußstrG. nicht geprüft werden kann, mußte dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

Z23010

Schlagworte

Eisenbahnenteignungsgesetz, Instanzenzug, außerordentlicher, Revisionsrekurs, Enteignungsverfahren, Instanzenzug, außerordentlicher Revisionsrekurs, Entschädigung für Enteignung, Instanzenzug, außerordentlicher, Revisionsrekurs, Instanzenzug im Enteignungsverfahren, Rekurs im Enteignungsverfahren, § 16 AußStrG., Rekurs im Enteignungsverfahren Zuständigkeit, Revisionsrekurs, außerordentlicher, im Enteignungsverfahren, Testamentszeuge im Ausland, Erfordernis der Vernehmung, Zuständigkeit funktionelle, Rekurs im Enteignungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00524.49.0125.000

Dokumentnummer

JJT_19500125_OGH0002_0010OB00524_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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