TE OGH 1950/2/8 1Ob290/49

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.02.1950
beobachten
merken

Norm

ABGB §1295

Kopf

SZ 23/23

Spruch

Über die Bedeutung des Wortes "jedermann" im § 1295 ABGB.

Entscheidung vom 8. Februar 1950, 1 Ob 290/49.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger, ein Juwelier, übernahm von Johann I. einen Ring zum Verkauf, stellte ihn aber später wieder zurück, da er zu dem gewünschten Preis nicht verkauft werden konnte. Einige Zeit später übergab die Gattin des Johann I. der Gattin des Klägers den gleichen Ring zum Verkauf. Diese wandte sich zuerst an den Reitlehrer T. T., dieser wieder an den Reisenden W., T. und W. begaben sich zur Beklagten, die sich für den Ring interessierte. Sie übernahm sofort den Ring, um ihn einem von ihr in Aussicht genommenen Käufer zu zeigen, während T. und W. in ihrer Wohnung auf ihre Rückkehr warteten. Als die Beklagte zurückkehrte, gab sie bekannt, daß ihr der Ring, den sie in ein Seidenpapier eingewickelt und in der äußeren Manteltasche getragen hatte, abhandengekommen sei. Der Kläger, von Johann I. auf Rückstellung des Ringes, allenfalls auf Ersatz seines Wertes geklagt, verpflichtete sich, nachdem er zunächst in der Klagebeantwortung seine Passivlegitimation bestritten hatte, weil er für die Einmengung seiner im Geschäft mittätigen Frau nicht hafte, in einem Vergleich zur Lieferung eines entsprechend gleichartigen und gleichwertigen Ringes und verlangte daraufhin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von zunächst 18.000 S, welchen Anspruch er vor Abschluß des Verfahrens darauf stützte, daß ihm seine Gattin ihre Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte aus dem Verlust des Ringes abgetreten habe.

Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren dem Gründe nach statt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß der Kläger sein Begehren nunmehr auf die Zession stütze, seiner Gattin aber ein Schaden nicht erwachsen sei, weil sie von Johann I. noch nicht belangt worden sei und weil sich die Klageberechtigung aus der bloßen Tatsache, daß die Beklagte bei der Verwahrung des ihr übergegebenen Ringes unachtsam vorgegangen sei, nicht ergebe. Der Kläger sei nicht verhalten gewesen, mit Johann I. einen Vergleich abzuschließen. Dieser Vergleich ändere an der Sachlage nichts; er könne auch gegen die Beklagte nicht verwertet werden, da sich nach den Feststellungen des Erstgerichtes der Verlust des Ringes in einem Tatsachenzusammenhang ereignet habe, den der Kläger nicht vertreten müsse. Die Erwägungen, die den Kläger allenfalls veranlaßt haben, den Vergleich mit Johann J. zu schließen, kämen aber im Prozeß gegen die Beklagte nicht in Betracht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Entscheidend ist nur die Rechtsfrage, ob der Kläger den Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte erheben kann, was der Kläger deshalb vermeint, weil ihm bereits ein Schaden entstanden ist. Diese Frage kann aber nur gelöst werden, wenn zuerst geklärt wird, wer aus einer Schuldverletzung Ersatzansprüche ableiten kann. Das Gesetz spricht im § 1295 Abs. 1 ABGB. wohl davon, daß "jedermann" den Ersatz fordern kann. Der weitaus überwiegende Teil der Lehre vertritt jedoch (z. B. Ehrenzweig, II/1, S. 73 oben) den Standpunkt, daß bei Schuldverletzungen nur der Gläubiger Ersatzansprüche ableiten kann, ein Dritter aber, der durch die Nichterfüllung eines Vertrages mittelbar einen Schaden erlitten habe, könne keinen Ersatz verlangen. Es sei nämlich - entgegen Wolff in Klang's Kommentar, 2. Aufl., zu § 1295 ABGB., S. 40 - der Begriff "jedermann" zu weit gefaßt. Ehrenzweig erwähnt a. a. O. den Fall, "wenn der Maschinenfabrikant die zur Spirituserzeugung bestellten Apparate nicht rechtzeitig liefert, muß er nur dem Besteller den Schaden ersetzen, nicht auch demjenigen, der bei diesem Besteller Spiritus gekauft hat, ihn aber nicht rechtzeitig geliefert bekommt". Krasnopolski (III, S. 212) und Mayr (Lehrbuch, III, S. 129) erklären nur den Gläubiger als berechtigt, Schadenersatz wegen Verletzung einer bestehenden Verbindlichkeit zu begehren, nicht aber den Dritten, selbst wenn dieser aus der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einen Schaden erlitten hat; insofern, meint Krasnopolski, sei das Wort "jedermann" nicht genau. Auch die Rechtsprechung (2 Ob 841/32, ZBl. 1933, Nr. 52) hält daran fest, daß § 1295 ABGB. nicht die Feststellung des Ersatzberechtigten, sondern des Ersatzpflichtigen bezwecke, so daß dem Worte "jedermann" nicht die erweiterte Auslegung gegeben werden kann; vielmehr soll dieses Wort nur bedeuten, daß derjenige, der auf die in dieser Gesetzesstelle genannte Weise Schaden leidet, nur von dem ihm unmittelbar gegenüberstehenden Schädiger Ersatz begehren kann (s. auch 2 Ob 89/35, JBl. 1935, S. 324, und 1 Ob 665/34, Rspr. 1935, Nr. 62, u. a. m.). Es bleibt daher beim Vertrage und beim Verhältnis zwischen den Parteien; indirekter Schaden wird nur ersetzt, soweit das Gesetz eine ausdrückliche Anordnung enthält. Mit der Beantwortung dieser oberwähnten Frage aber ist das Schicksal der Revision bereits entschieden.

Soweit der Kläger seine Ansprüche aus der Zession ableitet, ist dem Berufungsgerichte zu folgen, wonach seiner Gattin ein Schaden nicht entstanden ist, weshalb auch er aus der Zession den Schadenersatzanspruch nicht abzuleiten vermag. Darauf aber, daß der Gattin des Klägers Ersatzansprüche aus dem Vertrage zwischen T. und der Beklagten abgetreten und von ihr wieder dem Kläger abgetreten worden sind, hat sich dieser im Rechtsstreite gegen die Beklagte nicht berufen.

Anmerkung

Z23023

Schlagworte

Aktivlegitimation für Schadenersatz, Klagslegitimation aktive für Schadenersatz, Schadenersatz Aktivlegitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00290.49.0208.000

Dokumentnummer

JJT_19500208_OGH0002_0010OB00290_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten