TE OGH 1950/2/22 3Ob98/50

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Veröffentlicht am 22.02.1950
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Norm

ABGB §1096
ABGB §1295

Kopf

SZ 23/43

Spruch

Der Bestandgeber ist dem früheren Mieter wegen Weitervermietung des nicht aufgekundigten Bestandgegenstandes nicht schadenersatzpflichtig, wenn er im Zeitpunkt der Weitervermietung annehmen durfte, daß der Mietvertrag mit dem ersten Mieter nicht mehr aufrecht sei.

Entscheidung vom 22. Februar 1950, 3 Ob 98/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrt von der Beklagten den Ersatz des Schadens, den er dadurch erlitten habe, daß diese im Frühjahr 1946 das vom Kläger gemietete Geschäftslokal während einer vorübergehenden Nichtbenützung durch den Kläger weitervermietet und dem neuen Mieter übergeben habe, obwohl ihr Mietvertrag mit dem Kläger nicht aufgelöst worden sei.

Das Erstgericht hat als erwiesen angenommen, daß der Kläger im Juli 1945 das Lokal einer politischen Partei überlassen, seine transportablen Fahrnisse weggeschafft, die Zinszahlung eingestellt und sogar eine schriftliche Verzichterklärung unterfertigt habe, dies alles jedoch nicht aus freien Stücken, sondern im Zustande der Einschüchterung.

Daraus schließt der Erstrichter, daß der Mietvertrag des Klägers noch aufrecht sei. Im Zwischenurteile wurde aber ausgesprochen, daß der Klagsanspruch aus dem Gründe nicht zu Recht bestehe, weil die Parteien im Prozesse 32 C 623/48 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, in dem der Kläger die Beklagte auf Zuhaltung des Mietvertrages belangt hatte, dauerndes Ruhen des Verfahrens vereinbart haben.

In dieser Vereinbarung erblickt das Gericht erster Instanz einen Verzicht des Klägers auf seine Schadenersatzansprüche.

Das Berufungsgericht hat in Abänderung des Zwischenurteiles ausgesprochen, daß der Klagsanspruch dem Gründe nach zu Recht bestehe, und zur Begründung angeführt, die Vereinbarung des Ruhens habe keinen Verzicht auf die Schadenersatzansprüche zur Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist begrundet.

Ein Anspruch auf Schadenersatz wäre dann nicht gegeben, wenn die Beklagte im Zeitpunkt der Weitervermietung des Lokales annehmen durfte, daß der Mietvertrag mit dem Kläger nicht mehr aufrecht sei.

Zur Beurteilung dieser Frage reichen aber die Feststellungen des Erstrichters nicht aus. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger das Lokal der politischen Partei freiwillig überlassen hat, sondern darauf, wie er sich der Beklagten gegenüber verhalten hat.

Wenn der Kläger das Lokal räumte, Fahrnisse wegschaffte, eine Verzichtserklärung abgab und die Zinszahlung einstellte, konnte die Vermieterin unter Umständen der Meinung sein, daß der Kläger das Lokal aufgegeben habe und einer Weitervermietung zustimme. Es wäre daher zu prüfen gewesen, ob der Kläger die Beklagte oder den Hausverwalter rechtzeitig über den wahren Sachverhalt aufgeklärt und sein Festhalten am Mietvertrage zu erkennen gegeben hat. Ob dies geschehen ist oder aus welchen Gründen eine solche Aufklärung unterlassen wurde, ist den Verfahrensergebnissen nicht zu entnehmen.

Sollte nach Ergänzung der Beweisaufnahme festgestellt werden, daß die Beklagte nicht berechtigt war, ihrerseits einen Verzicht des Klägers auf seine Mietrechte anzunehmen, wird noch die Frage zu prüfen sein, aus welchem Gründe die Parteien das Ruhen des Verfahrens vereinbart haben. Aus dem Akte 32 C 623/48 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien ist nicht zu entnehmen, ob diese Vereinbarung deshalb erfolgte, weil der Kläger auf jeden Anspruch aus dem Mietvertrage - sei es für die Zeit nach Eintritt des Ruhens, sei es auch für die frühere Zeit - verzichtete oder ob der Kläger etwa wegen Zweifeln an der Durchsetzbarkeit bloß vom Begehren auf Erfüllung abstand und sich mit dem Schadenersatze begnügen wollte.

Solange der Sachverhalt in dieser Richtung nicht geklärt ist, kann die Sache in rechtlicher Hinsicht nicht als spruchreif angesehen werden.

Anmerkung

Z23043

Schlagworte

Bestandgeber, Schadenersatz wegen neuerlicher Vermietung Mietvertrag, Abschluß eines neuen - vor Beendigung des früheren, Schadenersatz Schadenersatz durch Bestandgeber wegen neuerlicher Vermietung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0030OB00098.5.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19500222_OGH0002_0030OB00098_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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