TE OGH 1950/3/8 1Ob471/49

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Veröffentlicht am 08.03.1950
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Norm

ABGB §859
ABGB §1041
ABGB §1042
Bundesverfassungsgesetz 1920 Art10 Z15
ZPO §503 Z4

Kopf

SZ 23/53

Spruch

Die Verwendungsklage nach § 1041 ABGB. hat ergänzende, nicht subsidiäre Funktion.

Entscheidung vom 8. März 1950, 1 Ob 471/49.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die Klägerin begehrte von der Republik Österreich die Bezahlung ihrer Restforderung, die sie aus von ihr durchgeführten Luftschutzbauarbeiten ableitete, die das Deutsche Reich bestellt und vereinbarungsgemäß auch zu zahlen hatte.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht ging davon aus, daß § 1041 ABGB. für den vorliegenden Fall deshalb nicht in Frage komme, weil man nicht annehmen könne, das Deutsche Reich habe bei Bestellung der Bauten für die fraglichen Luftschutzstollen den Willen, das Bewußtsein oder gar die Möglichkeit gehabt, für die Republik Österreich oder in deren Interesse zu handeln, die ihres Hoheitsrechtes beraubt, nicht mehr in ihren Handlungen frei war, weshalb es offenbar an begünstigten Objekten fehle. Eine solche Annahme sei deshalb ausgeschlossen, weil das Deutsche Reich die Republik Österreich gegen ihren Willen mit Gewalt besetzte und alle Hoheitsrechte im eigenen Namen und eigenen Interesse ausübte. Überdies, so meinte das Berufungsgericht, liege zwischen dem Deutschen Reich und der Klägerin ein Vertragsverhältnis vor, das gleichfalls die Anwendung des § 1041 ABGB. auf den gegenständlichen Fall ausschließe.

Auch von einer gesetzlichen Verpflichtung der Republik Österreich zu Vorkehrungen zum Schutze der Bevölkerung gegen Luftangriffe gemäß Art. 10 Z. 15 B-VG. könne nicht die Rede sein. Schon der Wortlaut dieser Bestimmung spreche nicht für diese Auffassung; anderseits könne nicht gesagt werden, daß die Republik Österreich im Falle, als sie selbständig und neutral geblieben wäre, gerade diese Arbeiten und gerade bei der Klägerin bestellt hätte.

Die Ausführungen der Revision zum Revisionsgrunde der Z. 4 des § 503 ZPO. folgen zunächst der herrschenden Lehre und grenzen die Verwendungsklage von der Geschäftsführung ohne Auftrag ebenso ab wie von der Bereicherungsklage und heben auch hervor, daß eine rem in versio dort nicht in Betracht komme, wo ein Vertrag zwischen Besteller und Erbringer des Werkes vorliegt. Dennoch aber hält die Revision daran fest, daß der vorzüglichste Zweck der Leistung der Klägerin darin bestand, der Zivilbevölkerung einen wirksamen Schutz gegen Fliegereinwirkungen zu bieten. Wenn auch die Republik Österreich im Zeitpunkte des Baues der Stollen handlungsunfähig war, gereichten dennoch die Leistungen der Klägerin der Republik zum Vorteil, genau so wie es eine nützliche Verwendung für vorübergehend Geschäftsunfähige gebe, die nach § 1041 ABGB. zu beurteilen sei.

Schließlich verwies die Revision unter Berufung auf den § 1042 ABGB. darauf, daß für die Republik Österreich eine gesetzlich verankerte Pflicht (Art. 10 Z. 15 B-VG.) bestanden habe, die österreichische Bevölkerung vor Luftangriffen zu schützen.

Die Revision verkennt das Wesen der Verwendungsklage nach § 1041 ABGB.; sie hat nur eine ergänzende Funktion für den Fall, als ein Vertragsverhältnis oder ein vertragsähnliches Verhältnis zur Beurteilung des Rechtsfalles nicht herangezogen werden kann (RZ. 1935, S. 233). Die Verwendungsklage nach § 1041 ABGB. bezieht sich nur auf jene Fälle, in denen ohne Abschließung eines Vertrages und ohne eine eigentliche Geschäftsführung Sachen zum Nutzen eines anderen verwendet werden. Der Anspruch aus der Verwendung zum Nutzen eines anderen beruht nur auf dem Gesetze (§ 859 ABGB.).

Die Klägerin hat auch geltend gemacht, daß die von ihr vorgenommenen Arbeiten der österreichischen Republik, nämlich dem Großteil der Bevölkerung der Stadtgemeinde J., zustatten kamen. Aber die bloße Tatsache des Bestehens des Werklieferungsvertrages mit dem Deutschen Reiche läßt nach den Grundsätzen über die Zulässigkeit der Versionsklage solche Erwägungen, wie sie die Revision anstellt, nicht aufkommen. Es erübrigt sich auch ein Eingehen auf die beiden Tatbestände des § 1041 ABGB., weil es sich im vorliegenden Falle um ein Vertragsverhältnis handelt. Erwähnt sei nur, daß der erste Tatbestand (Verwendung einer fremden Sache zum eigenen Nutzen) im vorliegenden Falle überhaupt nicht in Betracht kommt. Der zweite besteht darin, daß eine fremde Sache von einer Mittelsperson zum Nutzen eines anderen verwendet wird. Es ist hier dem Berufungsgerichte durchaus beizupflichten, daß im letzteren Falle das Deutsche Reich bei der Bestellung weder "Mittelsperson" noch "Strohmann" noch "Durchgangsstation" für die Republik Österreich war. Denn es hat hier eigene Hoheitsrechte ausschließlich im eigenen Namen und im eigenen Interesse ausgeübt. Es liegt auch weder der Fall einer "erstreckten Menschenhilfe" noch eine "Verwendung für vorübergehend Geschäftsunfähige" (Swoboda bei Klang, 1. Aufl., zu § 1041) vor. Die Behauptung, daß das Deutsche Reich die Luftschutzbauten bei der Klägerin für die Republik Österreich bestellt habe, ist abwegig, zumal das Deutsche Reich nicht mit dem Wiedererstehen des österreichischen Staates gerechnet hat. Ein näheres Eingehen auf die Rechtsansicht der Revision ist schon deshalb müßig, weil die beiden hier erörterten Tatbestände des § 1041 ABGB. das Fehlen eines Vertragsverhältnisses zur Voraussetzung haben. Gerade ein solches ist aber zwischen dem Besteller und dem Lieferanten gegeben.

Auch mit der Entscheidung 2 Ob 325/48 hat der vorliegende Fall nichts gemeinsam. Dort allerdings hat der österreichische Staat aus der Erbringung der vom Deutschen Reiche bestellten und nicht bezahlten Bauarbeiten einen Nutzen dadurch gezogen, daß er die Bauten für seinen Eisenbahnverkehr selbst benützt. Hier aber hat der österreichische Staat, was in diesem Rechtsstreite unbestritten ist, die Luftschutzanlagen nicht benützt. Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, daß die Klage nach § 1041 ABGB. auch dann nicht gegen die Republik Österreich erhoben werden könnte, wenn - unter gleichbleibenden Verhältnissen - feststehen würde, daß der Besteller nicht bezahlen kann oder nicht bezahlen will. Denn die Versionsklage hat eine ergänzende und nicht eine subsidiäre Funktion.

Soweit die Revision auch auf den Klagsgrund des § 1042 ABGB. zurückgreift, ist sie gleichfalls nicht im Rechte. Denn sie übersieht, daß nach dieser Gesetzesstelle einen Ersatzanspruch nur geltend machen kann, wer - abgesehen davon, daß ein Aufwand für einen anderen geleistet wurde, der nach dem Gesetze zu diesem Aufwande verpflichtet ist - die Leistung in der Erwartung des Ersatzes, also mit dem animus obligandi gemacht hat. Daher gehen alle Erörterungen darüber ins Leere, die in der Richtung des Art. 10 Z. 15 B-VG. von der Klägerin angestellt wurden.

Anmerkung

Z23053

Schlagworte

Bereicherung ergänzende Funktion der Verwendungsklage, Versio in rem, ergänzende Funktion, Verwendungsklage, ergänzende Funktion

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00471.49.0308.000

Dokumentnummer

JJT_19500308_OGH0002_0010OB00471_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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