TE OGH 1950/3/28 2Ob318/49

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Veröffentlicht am 28.03.1950
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Norm

ZPO §496
ZPO §500 Abs3
ZPO §500 Abs4
ZPO §502 Abs5
ZPO §519 Z3

Kopf

SZ 23/78

Spruch

§ 502 Abs. 5 ZPO. ist nicht anwendbar, wenn sich das Erstgericht über die im Aufhebungsbeschluß ausgesprochene Rechtsmeinung hinwegsetzt und das Berufungsgericht bestätigt.

Entscheidung vom 28. März 1950, 2 Ob 318/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Berufungsgericht hat das erstrichterliche Urteil aufgehoben und die Sache an die erste Instanz rückverwiesen. Es sprach die Rechtsansicht aus, daß der von der beklagten Partei erst bei der Streitverhandlung geltend gemachte Mangel der Aktivlegitimation, weil verspätet erhoben, im Verfahren nicht zu berücksichtigen sei und das Erstgericht nur zu prüfen habe, ob der geltend gemachte Kündigungsgrund gegeben sei oder nicht. Das Erstgericht erklärte nach Verfahrensergänzung die Kündigung für rechtswirksam. Es stellte fest, daß der Kläger nur notdürftig mit seiner Frau und drei Kindern bei seiner Mutter in einer aus Zimmer und Küche bestehenden Wohnung untergebracht sei. Abgesehen von dem Überbelag bestehe auch eine Gesundheitsgefährdung für ihn und seine Familie im Hinblick auf die Krankheit der Mutter. Ungeachtet der im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ausgesprochenen Rechtsansicht hat sich das Erstgericht auch mit der nach seiner Ansicht bei dem Kündigungsgrund des Eigenbedarfes nicht zu umgehenden Vorfrage der Aktivlegitimation des Klägers befaßt und als erwiesen angenommen, daß das Hauptmietverhältnis des Klägers ex lege nicht erloschen sei und daß der Kläger mithin ungekundigter Hauptmieter sei. Gegen dieses Urteil erhob die Beklagte wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Berufung, der das Berufungsgericht mit dem Hinweis darauf keine Folge gab, daß die Berufung nicht die Begründung des von ihr angefochtenen Urteiles, sondern in Wahrheit den Aufhebungsbeschluß bekämpfe, worin der Standpunkt vertreten wurde, daß das Erstgericht auf die Frage der Aktivlegitimation nicht einzugehen habe. Das Erstgericht habe aber ohnehin festgestellt, daß der Kläger noch Hauptmieter der aufgekundigten Räume sei, und diese tatsächliche Feststellung sei ebenso unbekämpft geblieben wie die Ausführungen des Ersturteiles über den Eigenbedarf des Klägers, die übrigens auch sachlich vollkommen einwandfrei seien. Im Schlußabsatz der Urteilsgrunde erklärte das Berufungsgericht, daß ein ausdrücklicher Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision im Urteilsspruch nach § 500 Abs. 3 ZPO. mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 502 Abs. 5 ZPO. nicht zu erfolgen hatte.

Der Oberste Gerichtshof trug dem Berufungsgericht auf, unter Abstandnahme von den im letzten Absatz der Urteilsgrunde dargelegten Erwägungen im Urteil auszusprechen, ob es die Revision für zulässig erkläre.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof hatte sich zunächst mit der Frage der Zulässigkeit der Revision zu befassen. Es war in erster Linie zu prüfen, ob vorliegend die Bestimmung des § 502 Abs. 5 ZPO. anwendbar ist, worauf das Berufungsgericht im Schlußabsatz der Urteilsgrunde hingewiesen hat. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Revision gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes auch dann zulässig, wenn das vom Berufungsgericht bestätigte Urteil des Gerichtes erster Instanz infolge eines mit Rekurs nicht anfechtbaren Beschlusses des Berufungsgerichtes (§ 519 Z. 3 ZPO.) gefällt worden ist, wodurch das frühere Urteil gemäß §§ 496 Z. 2 und 3 und 499 ZPO. aufgehoben und die Rechtssache an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen worden ist. Der Zweck dieser Bestimmung ist, der Partei die Revisionsmöglichkeit zu erhalten, wenn infolge der Bindung des Prozeßgerichtes an die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes in der Folge dessen neuerliches Urteil vom Berufungsgericht bestätigt wurde. Denn in einem solchen Falle liegen formell zwar gleichlautende, materiell aber nicht übereinstimmende Entscheidungen der Vorinstanzen vor. Der innere Grund für die Versagung eines weiteren Rechtszuges ist aber nur in der Übereinstimmung zweier in der Entscheidung voneinander unabhängigen Gerichte gelegen. Von dieser legislativen Zweckbestimmung ausgehend, muß daher die Frage der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 502 Abs. 5 ZPO. verneint werden. Zwar hat das Berufungsgericht bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles eine von diesem Urteil abweichende Rechtsansicht geäußert; das Erstgericht hat sich jedoch dieser Rechtsauffassung nicht gefügt, es hat vielmehr die Aktivlegitimation des Klägers als eine für seine Sachentscheidung notwendige Vorfrage geprüft und im bejahenden Sinne festgestellt. Das Berufungsgericht hat diese unbekämpft gebliebene Tatsachenfeststellung übernommen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es liegen demnach zwei formell und materiell gleichförmige Urteile der Vorinstanzen vor, weshalb eine Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes nur dann zulässig ist, wenn sie im Urteil des Berufungsgerichtes als zulässig erklärt wurde (§ 500 Abs. 4 ZPO.; vgl. Neumann, S. 1352, SZ. V/142, GlUNF. 7355). Nun hat das Berufungsgericht, von seiner Rechtsansicht ausgehend, es unterlassen, einen Ausspruch nach § 500 Abs. 3 ZPO. über die Zulässigkeit der Revision in das Urteil aufzunehmen. Das angefochtene Urteil weist in diesem Belange einen Mangel auf, der es dem Obersten Gerichtshof nicht gestattet, die von Amts wegen zu prüfende Frage der Zulässigkeit der Revision erschöpfend zu beurteilen. Dieser Mangel ist daher zunächst vom Berufungsgericht zu beheben und die Zustellung der ergänzten Entscheidung neuerlich zu veranlassen.

Anmerkung

Z23078

Schlagworte

Revision nach § 502 Abs. 5 ZPO. Zulässigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00318.49.0328.000

Dokumentnummer

JJT_19500328_OGH0002_0020OB00318_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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