TE OGH 1950/3/29 3Ob122/50

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.1950
beobachten
merken

Norm

ABGB §585
ABGB §599
Testamentsgesetz §23
Testamentsgesetz §26
Testamentsrechtswiederherstellungsgesetz vom 12. Dezember 1946, BGBl. 1947. Nr. 30 §2

Kopf

SZ 23/80

Spruch

Auf ein gemäß § 26 TestamentsG. erloschenes Testament ist § 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 12. Dezember 1946, BGBl. 1947, Nr. 30, nicht anwendbar.

Entscheidung vom 29. März 1950, 3 Ob 122/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin begehrt als Witwe nach Michael T. die Feststellung, daß vom Erblasser am 3. Juni 1945 kein gültiges mündliches Testament errichtet worden sei und demnach die gesetzliche Erbfolge einzutreten habe.

Die Untergerichte haben dieses Begehren mit der Begründung abgewiesen, daß der Erblasser zugunsten der Beklagten am 3. Juni 1945 vor dem Bürgermeister ein Nottestament gemäß § 23 TestamentsG. errichtet habe, das laut § 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1946, BGBl. 1947, Nr. 30, als gültig anzusehen sei, da es der Formvorschrift des § 585 ABGB. entspreche.

Sie haben dabei die Rechtsansicht vertreten, daß es darauf ankomme, ob die Bestimmungen des Testamentsgesetzes oder des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches der Gültigkeit des letzten Willens günstiger sind.

§ 26 TestamentsG. sei unbeachtlich, da man die Bestimmungen des Testamentsgesetzes und des ABGB. nicht miteinander vermengen dürfe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und erkannte nach dem Klagebegehren.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist davon auszugehen, daß nach den Feststellungen des Erstrichters der Erblasser in seinem am 3. Juni 1945 gemäß § 23 TestamentsG. vor dem Bürgermeister und zwei Zeugen errichteten Nottestamente die Beklagte zur Erbin eingesetzt hat und daß er am 7. Jänner 1949 gestorben ist, ohne eine neue letztwillige Verfügung getroffen zu haben.

Prozeßentscheidend ist daher die Frage, ob das Nottestament, das ab 3. September 1945 als nicht errichtet anzusehen war, infolge der Bestimmung des § 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1946, BGBl. 1947, Nr. 30, wieder Gültigkeit erlangt hat, falls es den Erfordernissen des ABGB. entspricht.

Wie den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage und dem Berichte des Justizausschusses zu entnehmen ist, verfolgt § 2 Abs. 2 des Gesetzes den Zweck, die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung zu sichern, die zur Zeit der Geltung des Testamentsgesetzes errichtet worden ist und infolge Unkenntnis der Bevölkerung über die Formvorschriften des Testamentsgesetzes diesen nicht entspricht, vorausgesetzt, daß die letztwillige Verfügung den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches entspricht und der Erblasser erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes BGBl. Nr. 30/1947 stirbt.

Nach § 2 Abs. 1 des genannten Gesetzes sind für die Gültigkeit letztwilliger Verfügungen, die vor seinem Inkrafttreten errichtet wurden, die bisherigen Vorschriften, d. h. die des Testamentsgesetzes, maßgebend; daraus folgt, daß das Nottestament vom 3. Juni 1945 gemäß § 26 TestamentsG. als nicht errichtet anzusehen ist.

Das Gesetz BGBl. Nr. 30/1947 betrifft nicht letztwillige Verfügungen, die bereits durch Widerruf oder durch Zeitablauf ihre Gültigkeit verloren haben. Die gegenteilige Annahme würde zu dem untragbaren Ergebnis führen, daß in allen Fällen, in denen der Erblasser im Vertrauen auf die durch den Zeitablauf eingetretene Unwirksamkeit des Nottestamentes kein neues Testament errichtete, weil er nun die gesetzliche Erbfolge wünschte, die Abhandlung dennoch gegen seinen Willen auf Grund des unwirksam gewordenen Testamentes vorgenommen werden müßte. Schließlich ist zu beachten, daß auch das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch ein begünstigtes Testament kennt und seine Gültigkeit im § 599 mit sechs Monaten begrenzt. Da sohin das österreichische und das deutsche Recht zwischen einem Nottestament und einem regulären Testament unterscheiden und beide Rechte die Gültigkeit des Nottestamentes befristen, ginge es nicht an, das Nottestament des Testamentsgesetzes nach den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches über reguläre Testamente zu behandeln und ihm eine zeitlich unbegrenzte Wirksamkeit zuzuerkennen.

Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß auf das Nottestament vom 3. Juni 1945 die Vorschrift des § 2 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 30/1947 nicht anzuwenden ist.

Dies entspricht auch der Rechtslehre, denn Weiss bei Klang (2. Aufl., III, S. 203) schließt die Anwendung des § 2 Abs. 2 auf das Nottestament aus, falls dieses gemäß § 26 TestamentsG. als nicht errichtet anzusehen ist.

Anmerkung

Z23080

Schlagworte

Letztwillige Verfügung erloschenes Nottestament, Nottestament nach TestG. erloschenes, keine Gültigkeit nach ABGB., Testament nach TestG. erloschenes Nottestament, keine Gültigkeit nach, ABGB., Verfügung letztwillige erloschenes Nottestament

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0030OB00122.5.0329.000

Dokumentnummer

JJT_19500329_OGH0002_0030OB00122_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten