TE OGH 1950/5/6 1Ob10/50

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Veröffentlicht am 06.05.1950
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Norm

Mietengesetz §19 Abs2 Z1
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
Mietengesetz §21
ZPO §562

Kopf

SZ 23/138

Spruch

Ein Verzicht auf die Erhebung von Einwendungen gegen die Kündigung ist zulässig. Er kann auch im Wege der Korrespondenz zwischen den Streitteilen erfolgen. Zwischen den Parteien trägt eine solche Erklärung materiellrechtlichen Charakter. Dem Gericht gegenüber ist sie an die prozessualen Formen gebunden.

Entscheidung vom 6. Mai 1950, 1 Ob 10/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die Kläger kundigten das Bestandverhältnis des Beklagten unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 2 Z. 1, 3 und 4 MietG. Der Beklagte schrieb während der Frist zur Erhebung von Einwendungen den Klägern: "doch wozu dies alles, nachdem ich ja so in neun Tagen ausziehe", erhob aber trotzdem fristgerecht Einwendungen gegen die Aufkündigung.

Das Prozeßgericht erklärte die Aufkündigung für wirksam, da der Kläger in seinem Schreiben die Kündigung anerkannt habe und daher seine Einwendungen nicht zu berücksichtigen seien.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Kläger keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht lehnte unter Hinweis auf § 21 MietG. die Annahme ab, "daß in der Erklärung des Beklagten, er werde in neun Tagen ausziehen, ein Verzicht auf die Einbringung der Einwendungen erblickt werden könnte"; es verneinte aber auch die Meinung des Erstgerichtes, daß in dieser Erklärung "ein Anerkenntnis der Kündigungsgrunde und des Kündigungsanspruches" gelegen sei, vielmehr müsse von der Tatsache des Vorliegens der Einwendungen ausgegangen werden, weshalb die geltend gemachten Kündigungsgrunde zu prüfen seien.

Es ist den Gründen des Berufungsgerichtes beizupflichten, daß in der mehrfach erwähnten Erklärung des Beklagten eine Anerkennung des Anspruches auf Kündigung nicht erblickt werden kann. Es scheiden daher sämtliche von den Klägern im Rekurse angestellten Erwägungen über die Zulässigkeit der einverständlichen Auflösung eines mietengeschützten Bestandverhältnisses und insbesondere über die Art der Durchführung der Auflösung (bloß konsensual oder real) im Hinblick auf die Zwangsbestimmung des § 21 MietG. aus der Erörterung aus, so daß es nicht notwendig erscheint, zu den in dieser Frage kontroversen Ansichten (Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, 2. Aufl., S. 256) Stellung zu nehmen.

Der Oberste Gerichtshof hält jedoch im Gegensatze zum Berufungsgericht die Erörterung der Bedeutung der Erklärung des Beklagten "doch wozu dies alles, nachdem ich ja so in neun Tagen ausziehe" - unter Umständen - für entscheidend. Es kann nämlich - im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes - in dieser Äußerung ein Verzicht auf die Einbringung der Einwendungen erblickt werden. Es haben sich beide Untergerichte darüber nicht ausgesprochen, was der Beklagte mit diesen Worten sagen wollte und wie die Gegner (Kläger) diese Erklärung verstehen sollten und verstanden haben. Es kommt aber nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes diesem Schreiben des Beklagten, dessen Inhalt und Echtheit unbestritten ist, schon deshalb Bedeutung zu, weil es nach Zustellung der Kündigung innerhalb der Einwendungsfrist an die Kläger abgesendet wurde und weil es im Gegensatz zur Annahme des Berufungsgerichtes einen zeitlich bestimmten Ausziehtermin enthält. Dem Berufungsgericht wäre beizupflichten, wenn diese Äußerung nur ganz allgemein, etwa so gelautet hätte, daß der Beklagte erklärte, er werde ohnehin ausziehen. Es ist aber auch weder dem Berufungsgerichte noch der einzigen im Akte vorfindlichen Stellungnahme des Beklagten zu seiner Äußerung beizupflichten, wenn letzterer ausführt, seine "Erklärung" mache das Kündigungsbegehren unschlüssig.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist ein Verzicht auf die Erhebung von Einwendungen zulässig, wie auch ein Rechtsmittelverzicht von Lehre und Rechtsprechung seit langem anerkannt ist (vgl. Pollak, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., S. 577, Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 598, Neumann, Kommentar zur ZPO., II, S. 1283). Die Wesenheit eines solchen Verzichtes ist zweierlei Art. Zwischen den Parteien trägt eine solche Erklärung materiellrechtlichen Charakter, dem Gerichte gegenüber ist sie an die prozessualen Formen gebunden, wie dies der Oberste Gerichtshof, fußend auf der vorangegangenen Judikatur, in seiner Entscheidung 1 Ob 22/50 (Abgedruckt in JBl. 1950, S. 270)) ausgesprochen hat.

Aus diesen Gründen ist die Erörterung der Absicht und des Sinnes der Äußerung und ihrer Wirkung (Erklärungstheorie) notwendig, wobei davon auszugehen sein wird, daß ein Verzicht auf Rechtsmittel und damit auch auf Einwendungen auch im Wege der Korrespondenz zwischen den Streitteilen (SZ. X/340) erklärt werden kann.

Erst wenn feststeht, daß ein solcher Verzicht im vorliegenden Falle nicht vorliegt, wird auf die Kündigungsgrunde einzugehen sein.

Anmerkung

Z23138

Schlagworte

Einwendungen gegen Kündigung Verzicht, Kündigung Verzicht auf Einwendungen, Verzicht auf Einwendungen gegen Kündigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00010.5.0506.000

Dokumentnummer

JJT_19500506_OGH0002_0010OB00010_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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