TE OGH 1950/5/27 1Ob293/50

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Veröffentlicht am 27.05.1950
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Norm

Außerstreitgesetz §6
Außerstreitgesetz §8
Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §11
Außerstreitgesetz §20
Todeserklärungsgesetz vom 16. Februar 1883. RGBl. Nr. 20 §10
ZPO ArtXXIX EinfG
ZPO §87
ZPO §122
ZPO §292
ZPO §293

Kopf

SZ 23/174

Spruch

Voraussetzung für die Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens ist der Nachweis des Todes des Erblassers durch eine entsprechende öffentliche Urkunde.

Entscheidung vom 27. Mai 1950, 1 Ob 293/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Schladming; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Am 23. November 1949 stellte Clementine von H., geb. von S. C. und G. den Antrag auf Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens nach ihrer am 12. Mai 1945 in Budapest verstorbenen Mutter Karoline von S. C. und G. Beigeschlossen wurde ein mit dem Kirchensiegel versehener Totenschein, de dato Budapest 5. August 1946, worin amtlich bezeugt wird, daß laut Totenmatrikel des römischkatholischen Pfarramtes in Budapest Marie Karoline von S. C. und G. am 12. Mai 1945 gestorben und am 15. Mai im Garten des Klosters am P. beerdigt worden ist.

Das Bezirksgericht Schladming hat den Akt dem Notar Dr. F. zur Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung übermittelt.

Im weiteren Verlaufe haben die erblasserischen Töchter Clementine von H., geb. von S. C. und G., Leopoldine S. von S. C. und G. sowie Theresa Baronesse T. die bedingte Erbserklärung abgegeben.

Gegen die vom Erstgericht durchgeführte Verfügung der Eröffnung einer Verlassenschaftsabhandlung hat der Sohn der Erblasserin Ernst von S. C. und G. Vorstellung, allenfalls Rekurs erhoben, wobei die Eignung der beigebrachten Sterbeurkunde zur Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung bestritten und der Antrag gestellt wurde, das eingeleitete Verlassenschaftsverfahren einzustellen.

Dem Rekurs wurde vom Rekursgericht stattgegeben und der Antrag der Clementine von H. auf Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens nach Karoline von S. C. und G. abgewiesen.

In den Gründen wird ausgeführt, zur Einleitung eines Verlassenschaftsverfahrens bedürfe es entweder einer Sterbeurkunde, die den Charakter einer öffentlichen Urkunde habe, oder der gerichtlichen Todeserklärung. Laut Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz vom 16. März 1950 obliege die Führung der Matriken in Ungarn den Standesämtern, die auch für die Ausstellung der Sterbeurkunden zuständig seien. Es sei somit das Verlassenschaftsverfahren entgegen § 20 AußstrG. auf Grund einer Privaturkunde eingeleitet worden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Tochter der angeblich Verstorbenen Clementine von H. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Revisionsrekurs kommt Berechtigung nicht zu.

Soweit zunächst bestritten wird, daß die Aktivlegitimation des Ernst von S. C. und G. zur Erhebung eines Rekurses nicht gegeben sei, ist darauf zu verweisen, daß im Sinne des § 9 AußstrG. jedem, der sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet, die Möglichkeit der Erhebung eines Rechtsmittels eingeräumt ist.

Der Umstand, daß der Tod der Erblasserin im Rechtsmittel ausdrücklich nicht bestritten wird, steht der Erhebung des Rechtsmittels nicht entgegen. Aus den Ausführungen des Rechtsmittels geht übrigens hervor, daß die absolute Gewißheit des Todes als nicht gegeben angesehen wird.

Ebensowenig kann von einer Versäumung der Rechtsmittelfrist im gegebenen Falle gesprochen werden. Die bloße Kenntnis der Eröffnung des Nachlaßverfahrens ersetzt nicht die Zustellung des bezüglichen Beschlusses. Diese erfolgt nach den Vorschriften der §§ 87 bis 122 ZPO. (§ 6 AußstrG.). Da der Beschluß über die Eröffnung des Abhandlungsverfahrens nach Aktenlage dem Ernst von S. C. und G. als erblasserischen Sohn nicht zugestellt worden war, war er mangels Rechtskraft des Beschlusses berechtigt, Rekurs zu erheben, der somit als rechtzeitig anzusehen ist (E. v. 21. März 1950. 2 Ob 26/50).

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob gegebenenfalls eine Rücksichtnahme auf den Rekurs nach § 11 AußstrG. am Platze wäre.

Entscheidend ist die Frage, ob die vorgelegte Sterbeurkunde die Eignung besitzt, als Unterlage für die Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung zu dienen.

Dies muß verneint werden.

Der legislativ-politische Zweck der Institution der Verlassenschaftsabhandlung ist Rechtssicherung, das Verfahren daher ein Rechtsfürsorgeverfahren (Anders, Erbrecht, S. 61).

Voraussetzung für die Einleitung ist, daß der Tod eines Menschen durch eine Urkunde (Totenschein) oder durch den gemäß § 10 des Gesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, ergangenen Ausspruch des Gerichtshofes, daß der Beweis des Todes eines Abwesenden als hergestellt anzusehen ist, festgestellt wird oder endlich nach dem Gesetz vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, erfolgte und rechtskräftig gewordene Todeserklärung (Sander, S. 292).

Der Totenschein, welcher in der Regel zum Beweise des Todes eines Menschen dient, ist ein Auszug aus der Sterbematrik.

Kein Zweifel besteht somit darüber, daß nur auf Grund des Nachweises des Todes durch eine öffentliche Urkunde das Verlassenschaftsverfahren eingeleitet werden kann.

Die Kennzeichen einer öffentlichen Urkunde sind in den §§ 292 und 293 ZPO., auf welche auch § 8 AußstrG. verweist, enthalten. Öffentlich ist eine Urkunde dann, wenn sie von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Inlandes (Art. XXIX EGzZPO.) innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnis, bzw. des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form ausgestellt ist.

Gleichgestellt den inländischen öffentlichen Urkunden sind jene, welche in der vorstehenden Weise von solchen öffentlichen Organen im Ausland errichtet wurden, die einer Behörde im Inland unterstehen, weiters solche, die durch besondere Gesetzesbestimmungen als öffentliche Urkunden erklärt sind.

In besonderen Anordnungen als öffentliche Urkunden bezeichnet waren Tauf-, Trau- und Totenbücher (Hofdekret vom 15. Jänner 1787, JGS. Nr. 621), ferner die Matrikenbücher, welche von den zur Führung derselben obrigkeitlich bestellten und besonders bezeichneten Israeliten über die Geburts-, Trauungs- und Sterbefälle der Glaubensgenossen ihres Bezirkes geführt, sowie die Matrikenscheine, welche als Auszüge dieser Bücher von ihnen ausgestellt wurden (Gesetz vom 10. Juli 1868, RGBl. 1869, Nr. 12, Art. I). Ähnlich geregelt war die Führung der Geburts-, Ehe- und Sterberegister über die Mitglieder einer altkatholischen Kultusgemeinde (Ministerialverordnung vom 8. November 1877, RGBl. Nr. 100, §§ 1 und 2).

In diesen Fällen handelte es sich um Institutionen, bzw. Organe von Religionsgesellschaften, welchen kraft besonderer gesetzlicher Anordnungen staatliche Agenden übertragen waren.

Diese Bestimmungen sind jedoch durch das Personenstandsgesetz vom 3. November 1937, DRGBl. I S. 1146, eingeführt in Österreich durch die Verordnung DRGBl. 1938 I S. 803, außer Kraft gesetzt worden.

Laut Auskunft des Bundesministeriums für Justiz vom 16. März 1950, Z. 23.124/50, obliegt auch in Ungarn die Führung der Matriken den Standesämtern.

Ausländische Urkunden nun genießen die formelle Beweiskraft wie die inländischen unter der Voraussetzung, 1. daß sie am Orte ihrer Errichtung, vermöge der dort bestehenden Gesetzesvorschrift als öffentliche Urkunden gelten, 2. daß sie mit der vorgeschriebenen Beglaubigung versehen sind und 3. daß in dem betreffenden Staate dasselbe rücksichtlich der im Inlande ausgestellten Urkunden gilt, also unter der Voraussetzung der Reziprozität.

Die Auffassung des Revisionsrekurses, daß einer von einer kirchlichen Stelle ausgestellten Urkunde schon als solcher öffentlicher Charakter beizulegen sei, widerspricht der Auffassung des modernen Staatsrechtes, bzw. Staatskirchenrechtes, nach welcher eine strenge Trennung von staatlichen und kirchlichen Belangen, bzw. Funktionen herrscht. Insbesondere auf dem Gebiete des Matrikenrechtes steht den Religionsgenossenschaften heute die Funktion als öffentliche Beglaubigungsorgane nur in den Fällen zu, in denen sie Auszüge aus Matriken, die der älteren Zeit entstammen und noch bei den kirchlichen Ämtern erliegen, anfertigen (Adamovich, Verwaltungsrecht, 4. Aufl., S. 33).

Aus diesen Erwägungen kann der Anschauung des Revisionsrekurses, daß der gegenständliche Totenschein als öffentliche Urkunde anzusehen ist, nicht beigepflichtet werden.

Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen und die angefochtene Rekursentscheidung zu bestätigen.

Anmerkung

Z23174

Schlagworte

Abhandlungsverfahren Nachweis des Todes, Erblasser, Nachweis des Todes, Nachlaßverfahren, Nachweis des Todes, Sterbeurkunde, kirchliche, kein Verlassenschaftsverfahren, Totenschein, kirchlicher, kein Verlassenschaftsverfahren, Urkunde über Tod des Erblassers, Verlassenschaftsabhandlung, Nachweis des Todes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00293.5.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19500527_OGH0002_0010OB00293_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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