TE OGH 1950/6/25 1Ob502/49

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Veröffentlicht am 25.06.1950
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Norm

ABGB §1409
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §25
Drittes Rückstellungsgesetz §6
Drittes Rückstellungsgesetz §10
ZPO §259

Kopf

SZ 23/209

Spruch

Der geschädigte Eigentümer haftet nach Rückstellung seines Unternehmens unter den Voraussetzungen des § 25 HGB. für Verbindlichkeiten des vorigen Inhabers.

Entscheidung vom 25. Juni 1950, 1 Ob 502/49.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrt in der Klage die Rückzahlung einer Anzahlung von 8000 RM, welchen Betrag er anläßlich seiner Auswanderung im Jahre 1939 der beklagten Firma, deren Alleininhaber damals Hugo D. war, zur Durchführung des Transportes von Umzugsgut geleistet hatte. Der Transport sei jedoch verzögert worden, so daß das gesamte Umzugsgut am 8. November 1940 durch die Gestapo beschlagnahmt werden konnte.

Das Erstgericht wies den von der beklagten Partei gemäß § 259 ZPO. gestellten Antrag, es werde festgestellt, daß sie für die Forderungen, die zur Zeit des Betriebes des Unternehmens der Beklagten durch Hugo D. entstanden sind, nicht hafte, ab und bejahte die Haftung der beklagten Partei für die Geschäftsschulden gemäß § 25 HGB. Aus dem Handelsregisterakt HR A 3653 gehe nämlich hervor, daß Hugo D. am 21. November 1938 mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle als Alleininhaber in das Handelsregister eingetragen und daß der Firmenwortlaut H. & Go. von dem Erwerber im Jahre 1941 in "Möbeltransport und Möbellagerei Hugo D. vorm. H. & Co." geändert wurde. Weiters gehe aus diesem Akt hervor, daß diese Firma nach der Rückstellung des Unternehmens an die jetzige Inhaberin am 2. Dezember 1947 unter dem vom Erwerber geänderten Firmenwortlaut fortgeführt, schließlich aber am 24. Jänner 1948 wieder auf den ursprünglichen Namen H. & Co. geändert wurde.

Die Frage der Haftung für Schulden bei Rückstellung von Unternehmungen wird - so führt das Zwischenurteil erster Instanz in seinen Gründen aus - in den Rückstellungsgesetzen nicht allgemein behandelt; so ist insbesondere die Frage, ob eine Haftung des geschädigten Eigentümers nach § 1409 ABGB. einzutreten hat, offengelassen. In zwei Aufsätzen, u. zw. in der ÖJZ. 1948, S. 341 ff., und in den JBl. 1948, S. 447, werde diese Frage von Kastner, bzw. Klang ausführlich erörtert. Beide gelangen zu dem Ergebnis, daß eine Haftung des geschädigten Eigentümers nach § 1409 ABGB. nicht einzutreten habe. Den § 25 HGB. hält Kastner aber allgemein für anwendbar. Klang hält den § 25 HGB. nur insofern für anwendbar, als auch § 10 des Dritten Rückstellungsgesetzes Hypotheken weiter bestehen läßt. Er scheine aber hiebei nur den Fall im Auge zu haben, daß der geschädigte Eigentümer sein eigenes Handelsgeschäft unter seiner eigenen ursprünglichen Firma fortführt. Die Beklagte habe aber das ihr zurückgestellte Unternehmen zunächst unter der Firma des rückstellenden Erwerbers fortgeführt. Es liege also ein anderer Tatbestand vor als derjenige, den Klang im Auge hat. Es sei selbstverständlich, daß der geschädigte Eigentümer sich in einem Rückstellungsvergleich verpflichten könne, das Unternehmen mit allen Passiven zu übernehmen, und es sei wohl auch klar, daß eine solche Vereinbarung zwischen geschädigtem Eigentümer und rückstellendem Erwerber als Vertrag zugunsten der dritten Gläubiger diese unmittelbar berechtige, ihre Ansprüche nun auch gegen den geschädigten Eigentümer geltend zu machen. Man müsse also wohl annehmen, daß diese Rechtswirkung auch gemäß § 25 HGB. eintrete, wenn die Firma des rückstellenden Erwerbers vom wiedererwerbenden geschädigten Eigentümer fortgeführt werde. Es komme dabei nicht darauf an, daß diese Fortführung nur verhältnismäßig kurze Zeit angedauert habe. Es komme auch nicht darauf an festzustellen, welche Erwägungen den wiedererwerbenden Eigentümer veranlaßt haben, die Firma des rückstellenden Erwerbers fortzuführen.

Es scheine also die Haftung der nunmehrigen Eigentümerin nach § 25 HGB. schon in dieser Fortführung der Firma begrundet. Es komme daher nicht darauf an festzustellen, ob die Beklagte sich nicht, wie der Kläger behauptet, bei der Rückstellung ausdrücklich verpflichtet habe, auch die Passiven zu übernehmen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Zwischenurteil, indem es die Anwendbarkeit sowohl des § 1409 ABGB. als auch des § 25 HGB. auf den gegenständlichen Fall für gegeben ansah. Das Berufungsgericht legt zunächst in ausführlicher und eingehender Weise dar, aus welchen Gründen es die im § 1409 ABGB. enthaltenen Grundsätze auch auf den geschädigten Eigentümer nach Rückstellung des entzogenen Unternehmens hinsichtlich der Haftung für die in der Zeit von der Entziehung bis zur Rückstellung des Unternehmens entstandenen Geschäftsschulden für anwendbar hält.

Hinsichtlich der Frage, ob auch § 25 HGB. bei der Rückstellung von Unternehmungen nach dem Dritten Rückstellungsgesetz anwendbar sei, führt das Berufungsgericht in seiner Begründung aus: Die Haftungsübernahme nach § 25 HGB. ist an die Tatsache der Fortführung der Firma geknüpft. Diese ist vorliegendenfalls gegeben. Ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft ist nach § 25 HGB. ebenfalls nicht notwendig, es genügt der Übergang unter Lebenden ohne Rücksicht auf den Erwerbungsgrund (vgl. Baumbach, Handelsgesetzbuch, 1941, S. 100, Kastner, ÖJZ. 1948, S. 341). Der Einwand, daß die Nichtigkeit der Entziehung keinen Erwerb des Handelsgeschäftes unter Lebenden zuläßt, ist fehl am Platze; denn die Nichtigkeit der Vermögensentziehung ist nicht als absolute, sondern nur als relative (Anfechtbarkeit) zu werten (vgl. Kommentar zum Zweiten und Dritten Rückstellungsgesetz von Heller - Rauscher - Baumann, S. 193, Berg, ÖJZ. 1949, S. 90 ff.). Dies ergebe sich aus folgendem: Eine rückwirkende Sanierung der Nichtigkeit ist möglich. Vermögensentziehungen müssen innerhalb bestimmter Fristen angefochten werden. Die Folgen der Nichtigkeit sind im Rückstellungsgesetz geregelt und ausschließlich nach diesen Bestimmungen zu beurteilen (vgl. Heller - Rauscher - Baumann, Kommentar zum Zweiten und Dritten Rückstellungsgesetz, S. 109). Die Folgen sind verschieden, je nachdem, ob Redlichkeit oder Unredlichkeit vorliegt, ob bewegliche Sachen in einer öffentlichen Versteigerung, im Zuge eines Exekutions- oder Konkursverfahrens usw. erworben wurden. Außerdem muß das entzogene Vermögen nicht in dem Umfange, wie es sich im Zeitpunkt der Entziehung, sondern gemäß § 6 Abs. 3 des Dritten Rückstellungsgesetzes mindestens in jenem Ausmaß und Zustand, in dem es sich am 31. Juli 1946 befunden hat, zurückgestellt werden. Auch daraus sei ersichtlich, daß das Gesetz den in der Zeit zwischen Entziehung und Rückstellung tatsächlich vorgegangenen Ablauf, die in dieser Zeit geschehenen Änderungen und Rechtshandlungen, welche das entzogene Vermögen betreffen, anerkennt. Die Vermögensübergänge, die sich tatsächlich ereignet haben, sind daher nicht als im Rechtssinne nicht geschehen zu betrachten. Mit Recht könne daher an die Rückstellung als tatsächlichen Vorgang die Haftung gemäß § 25 HGB. geknüpft werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof schließt sich der von den Untergerichten zum Ausdruck gebrachten Rechtsmeinung in der Richtung an, daß die beklagte Partei für die im Betriebe des zurückgestellten Geschäftes begrundeten Verbindlichkeiten gemäß § 25 HGB. haftet, weil sie das zurückgestellte Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma des Übergebers, wenn auch nur eine Zeit lang, fortgeführt hat. Die Ausführungen der Revision sind nicht geeignet, die eingehende und zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu widerlegen und eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Wie sich aus dem Handelsregisterakt ergibt, wurde Gertrude Clarice H. am 2. Dezember 1947 als Eigentümerin des Unternehmens unter der Firma "Möbeltransport und Möbellagerei Hugo D., vormals H. & Co."

eingetragen. Die Änderung der Firma auf "H. & Co." wurde erst am 24. Jänner 1948 vorgenommen.

Die Bestimmungen des § 25 HGB. finden auch auf die Rückstellung eines Handelsgeschäftes auf Grund des Dritten Rückstellungsgesetzes Anwendung, weil der vom Gesetz vorgesehene Vertrauensschutz nichts mit dem zwischen dem bisherigen und dem neuen Inhaber bestehenden Rechtsverhältnis zu tun hat. Der "Erwerb" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist ein Erwerb unter Lebenden, wobei jedoch die Art des Erwerbsgeschäftes gleichgültig ist. Es muß nicht ein Kauf sein, es kann sich z. B. auch um einen Vergleich, eine Auseinandersetzung, eine Schenkung usw. handeln. Es bedarf auch nicht der Einwilligung des bisherigen Firmeninhabers in die Fortführung der Firma. Der Rechtsgrund für die Haftung des § 25 HGB. ist vielmehr die in der Fortführung des Geschäftes unter der bisherigen Firma liegende, an die Öffentlichkeit gerichtete Erklärung des neuen Inhabers, für die bisherigen Geschäftsschulden haften und die bisherigen Geschäftsforderungen übernehmen zu wollen. Es handelt sich also bei der Haftung aus § 25 HGB. um eine Rechtseinrichtung, die aus der formalen Tatsache der Geschäftsübernahme und der Weiterführung des Geschäftes unter der bisherigen Firma folgt. Die wichtigste Voraussetzung des § 25 HGB. ist daher lediglich die Fortführung der Firma. Eine deutlichere Art der an die Öffentlichkeit gerichteten Erklärung des neuen Inhabers, für die bisherigen Geschäftsschulden zu haften, als die Eintragung des neuen Inhabers im Handelsregister unter der Firma des Übergebers, wie es im vorliegenden Fall geschehen ist, ist kaum denkbar.

Es ist zwar richtig, daß eine Fortführung der Firma nur dann anzunehmen ist, wenn der dauernde Gebrauch der Firma nach außenhin zum Ausdruck gebracht wird. Dies trifft aber im gegenständlichen Falle zu, wo sogar die Eintragung der neuen Geschäftsinhaberin im Handelsregister unter der Firma des früheren Geschäftsinhabers erfolgt ist. Wenn auch im vorliegenden Fall die Firma am 24. Jänner 1948 geändert wurde, ist damit der Eintritt der Haftung der beklagten Partei gemäß § 25 HGB. nicht ausgeschlossen, weil das Geschäft vom ihr vom 2. Dezember 1947 bis 24. Jänner 1948, somit doch einige Zeit hindurch, unter der alten Firma fortgeführt und diese Tatsache auch im Handelsregister öffentlich gemacht wurde.

Da somit die Haftung der beklagten Partei für die Geschäftsverbindlichkeiten des ihr zurückgestellten Unternehmens schon auf Grund des § 25 HGB. zu bejahen ist, ist es nicht notwendig, die Frage einer näheren Untersuchung zu unterziehen, ob sie nicht auch gemäß § 1409 ABGB. für die zum Unternehmen gehörigen Schulden haftbar ist.

Anmerkung

Z23209

Schlagworte

Eigentümer geschädigter Haftung nach § 25 HGB., Firma, Haftung des geschädigten Eigentümers nach § 25 HGB., Fortführung der Firma, Haftung des geschädigten Eigentümers nach § 25, HGB., Geschädigter Eigentümer Haftung nach § 25 HGB., Haftung des geschädigten Eigentümers nach § 25 HGB., Rückstellung Haftung des geschädigten Eigentümers nach § 25 HGB., Unternehmen Haftung des geschädigten Eigentümers nach § 25 HGB.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00502.49.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19500625_OGH0002_0010OB00502_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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