TE OGH 1950/8/2 2Ob297/50

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Veröffentlicht am 02.08.1950
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Norm

ABGB §1295
Trafikantenvorschrift vom 10. Juni 1911. FinMVBl. 1911. Nr. 104 §57

Kopf

SZ 23/231

Spruch

Die Verschleißbehörde kann dem Trafikanten das mit diesem bestehende Vertragsverhältnis aufkundigen, ohne an irgendwelche Kündigungsbeschränkungen gebunden zu sein. Die Bestimmung, daß in der Kündigung die Kündigungsgrunde bekanntzugeben sind, stellt nur eine auf interne Zwecke zurückzuführende Formvorschrift dar.

Entscheidung vom 2. August 1950, 2 Ob 297/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger besaß eine Trafik; diese wurde ihm von der Finanzlandesdirektion auf Grund des § 57 Abs. 3 der Trafikantenvorschrift (TV.) aus dem Jahre 1911 gekundigt. Der vom Kläger dagegen erhobenen Beschwerde wurde nicht Folge gegeben. Der Kläger begehrte nun gerichtliche Feststellung, daß die von der geklagten Partei ausgesprochene Kündigung unwirksam sei und nicht zu Recht bestehe, sowie die Zahlung von 3120 S mit der Behauptung, daß der Kündigungsgrund nicht gegeben sei, die Kündigung daher rechtswidrig gewesen sei; durch die rechtswidrige Handlung sei ihm ein Schaden in dieser Höhe entstanden.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab und erkannte hinsichtlich des Leistungsbegehrens mit Zwischenurteil, daß dieses Begehren dem Gründe nach nicht zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Streitwert 10.000 S übersteige. In der Begründung führte es aus, die Aufkündigung sei eine einseitige privatrechtliche Willenserklärung, deren Wirksamkeit vom Gerichte nicht überprüft werden könne, weil eine solche Überprüfung nur in bestimmten Fällen vom Gesetzgeber den Gerichten übertragen sei. Nach den Bestimmungen der Trafikantenvorschrift habe die vorgesetzte Stelle der Verschleißbehörde endgültig und für die Gerichte unüberprüfbar über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgrunde zu entscheiden. Es sei daher den Gerichten die Überprüfung der angeblichen Sittenwidrigkeit und Gesetzwidrigkeit der gegenständlichen Kündigung entzogen; soweit die Klage auf § 1295 Abs. 2 ABGB. gestützt werde, sei nicht erwiesen, daß die Absicht der Verschleißbehörden offenbar dahin ging, den Kläger zu schädigen.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers gegen die Berufungsentscheidung nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist der Revision beizupflichten, daß der Trafikant zum "Ärar" in einem zivilrechtlichen Vertragsverhältnis steht und das Ärar nicht anders zu behandeln ist wie ein anderer Vertragspartner, daß eine gesetzwidrige Kündigung durch eine Vertragspartei daher auch dann, wenn der eine Vertragsteil die Republik Österreich ist, vom Gericht für rechtsunwirksam zu erklären wäre. Eine solche sittenwidrige, d.

i. rechtswidrige oder gesetzwidrige Kündigung liegt aber nicht vor. Rechts- und gesetzwidrig wäre eine Kündigung nur dann, wenn die für die Kündigung vorgeschriebene Form nicht eingehalten worden wäre oder wenn die Kündigung nur aus bestimmten Gründen zulässig wäre und kein derartiger Grund vorgelegen ist. Die Nichteinhaltung der Formvorschriften wurde nicht behauptet. Irgendwelche Kündigungsbeschränkungen sieht aber § 57 TV. nicht vor, im Gegenteil, aus Abs. 3 ergibt sich die volle Kündigungsfreiheit, die in formaler Hinsicht nur dadurch beschränkt ist, daß die Verschleißbehörde die Kündigungsgrunde bekanntzugeben hat. Diese Bestimmung gibt aber keinen Anhaltspunkt dafür, daß nur aus wichtigen Gründen das Vertragsverhältnis aufgekundigt werden könnte, denn sonst hatte dies § 57 TV. ausdrücklich gesagt. Die Angabe der Gründe hat nur den Zweck, daß die übergeordnete Stelle im Falle eines bezüglichen Antrages des Trafikanten in der Lage ist, zu überprüfen, ob die Verschleißbehörde das ihr zustehende freie Ermessen in zutreffender Weise und im Interesse der Verwaltung angewendet hat. Diese Angabe von Kündigungsgrunden im Bescheide der Verschleißbehörde hat somit nur interne Gründe, daraus vermag der Kläger aber kein Recht auf gerichtliche Überprüfung dieser Gründe abzuleiten. Die Sachlage ist so ähnlich wie etwa bei einem Handelsagenten, dessen Agenturvertrag vom Unternehmer unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekundigt wird. Auch in diesem Falle hat das Gericht nicht zu prüfen, ob die dem Agenten bekanntgegebenen Kündigungsgrunde zutreffend sind oder nicht. Das Gericht hat lediglich zu prüfen, welche rechtliche Wirkung diese einseitige privatrechtliche Willenserklärung der Kündigung auf das Vertragsverhältnis hat. Diese Wirkung ist im gegebenen Falle die Auflösung des Vertragsverhältnisses.

Diese Rechtsansicht entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wie sie insbesondere in den Entscheidungen ZBl. 1924, Nr. 226, ZBl. 1933, Nr. 259, ZBl. 1935, Nr. 250, niedergelegt ist. Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlaß, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen.

Anmerkung

Z23231

Schlagworte

Kündigung eines Trafikanten, keine Kündigungsgrunde, Trafikant, Kündigung durch Verschleißbehörde, Verschleißbehörde, Kündigung eines Trafikanten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00297.5.0802.000

Dokumentnummer

JJT_19500802_OGH0002_0020OB00297_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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