TE OGH 1950/9/13 1Ob477/50

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Veröffentlicht am 13.09.1950
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Norm

Wechselgesetz Art1
Wechselgesetz Art2
Wechselgesetz Art75 Wechselgesetz Art76
ZPO §477 Abs1 Z4
ZPO §548
ZPO §553
ZPO §555
ZPO §557
ZPO §559

Kopf

SZ 23/247

Spruch

Ein gezogener Wechsel ohne Angabe des Remittenten ist unter allen Umständen ungültig, mag auch allen Beteiligten klar sein, an wen zu zahlen ist.

Hat das Gericht einen Wechselzahlungsauftrag erlassen, so ist es im Verfahren auf Grund der Einwendungen nicht möglich, den Zahlungsauftrag zwar aufzuheben, aber den Beklagten zur Bezahlung der Wechselsumme aus dem Grundgeschäft zu verurteilen.

Entscheidung vom 13. September 1950, 1 Ob 477/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

In der Wechselklage ist von der Klägerin ausgeführt worden, daß sich der Erstbeklagte im Wechsel vom 10. Oktober 1949 als Annehmer verpflichtet habe, an die Klägerin als Ausstellerin die Wechselsumme von 36.232.75 S, von der noch der eingeklagte Betrag unberichtigt sei, zu bezahlen. Der Zweitbeklagte sei der Wechselschuld als Wechselbürge beigetreten. Die Klägerin beantragte die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages. Das Erstgericht hat einen solchen erlassen. Gegen ihn wurden von beiden Beklagten Einwendungen erhoben.

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht. Die Aktivlegitimation sei zu bejahen, weil sich der Erstbeklagte gegenüber der Firma H., deren Inhaberin die Klägerin sei, zur Zahlung verpflichtet habe. Wenngleich im Wechsel der Name des Remittenten nicht eingetragen worden und der Wechsel dadurch mangelhaft sei, könne doch auf Grund des klägerischen Vorbringens auf das Grundgeschäft zurückgegriffen werden. Die Verpflichtung des Erstbeklagten zur Bezahlung des eingeklagten Betrages aus dem Rechtstitel nicht abgeführter Inkassi bestehe zu Recht. Was den Zweitbeklagten betreffe, so hafte dieser als Bürge.

Infolge Berufung beider Beklagter bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil gegen den Erstbeklagten. Der Wechselzahlungsauftrag wurde zwar aufgehoben, der Erstbeklagte aber schuldig erkannt, dem Kläger den eingeklagten Betrag zu bezahlen. Der Berufung des Zweitbeklagten wurde Folge gegeben, der Wechselzahlungsauftrag gegen ihn wurde aufgehoben und das Klagebegehren abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge, gab hingegen der Revision der erstbeklagten Partei Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes in dem diese Partei betreffenden Teile dahin ab, daß der Wechselzahlungsauftrag gegen die erstbeklagte Partei aufgehoben und diese nicht schuldig erkannt wird, den Betrag von 29.996.50 S zu bezahlen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Recht bekämpft der Erstbeklagte die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, es könne das Wechselverfahren ohneweiters in das ordentliche Verfahren übergeleitet werden. Es steht der klagenden Partei frei, ihr Begehren auf einen Wechselskripturakt als rechtserzeugende Tatsache oder auf das Grundgeschäft oder aber auf den Wechselskripturakt und das Grundgeschäft zu stützen, letzteres freilich nur für den Fall, daß nach Ansicht des Gerichtes die Voraussetzungen für die Einleitung des Wechselverfahrens nicht gegeben sein sollten. Wenn sich die klagende Partei für das Wechselverfahren entschlossen oder das Gericht die Zulässigkeit dieses Verfahrens erkannt hat, kommen die besonderen Vorschriften der §§ 555 ff. ZPO. zur Anwendung, es wird auf Antrag der Wechselzahlungsauftrag erlassen, der Beklagte hat bei sonstigem Ausschluß seine gesamten Einwendungen gegen den wechselmäßigen Anspruch vorzubringen (§ 557 Abs. 1 ZPO.) und in dem das Verfahren erledigenden Urteil ist auszusprechen, ob der an den Beklagten erlassene Zahlungsauftrag aufrechterhalten bleibt oder ob und inwiefern er aufgehoben wird (§§ 559, 553 ZPO.). Gegenstand des Rechtsstreites im Wechselverfahren kann nur ein wechselmäßiger Anspruch sein. Es mag zulässig sein, dann, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages nicht vorliegen, ohne einen solchen das Wechselverfahren einzuleiten. Es ist auch möglich, im Zuge dieses Verfahrens die Klage in dem Sinne zu ändern, daß an Stelle des geltend gemachten ein anderer wechselmäßiger Anspruch erhoben wird (Pollak, ZPR., 2. Aufl., S. 404). Sobald aber der Wechselzahlungsauftrag erlassen ist, muß sich der Rechtsstreit auf die Frage beschränken, ob der Zahlungsauftrag aufrechtzubleiben hat oder nicht, das heißt, ob der wechselmäßige Anspruch zu Recht besteht. Eine Überleitung des Wechselverfahrens in ein ordentliches, wie sie das Berufungsgericht im Auge hat, ist in diesem Falle nicht möglich (Sperl, Lehrbuch, S. 325, Pollak, a. a. O., S. 700, 275). Der Unterschied zum Mandatsverfahren besteht darin, daß dieses nicht auf die Geltendmachung einer bestimmten Art von Forderungen an Geld oder anderen vertretbaren Sachen (§ 548 ZPO.) beschränkt ist wie das Wechselverfahren (§ 555 ZPO.). In beiden Fällen wird im Urteil nicht nur über die formellen Voraussetzungen für die Erlassung eines Zahlungsauftrages, sondern auch über den zugrunde liegenden Anspruch entschieden. Wenn im Mandatsverfahren die Voraussetzungen für die Erlassung des Zahlungsauftrages nicht gegeben sind, kann über den geltend gemachten Anspruch welcher Art immer in einem dem gewöhnlichen Verfahren gleichartigen entschieden werden. Wenn sich aber im Wechselverfahren herausstellt, daß der Wechselzahlungsauftrag nicht erlassen werden konnte, bleibt es bei der besonderen Art des Urkundenprozesses mit seiner Beschränkung auf wechselrechtliche Ansprüche.

Der vorliegende Rechtsstreit hatte sich demgemäß auf die Prüfung der geltend gemachten Ansprüche der Klägerin aus dem Wechselnexus zu beschränken. Abgesehen davon, konnte die Darstellung des Grundgeschäftes in der Streitverkündigung der Klägerin an Herbert Sch. und der Vortrag dieses Schriftsatzes in der Streitverhandlung vom 8. März 1950 gar nicht als Änderung des wechselmäßigen Anspruches in den Anspruch aus dem Grundgeschäft angesehen werden. Denn es fehlt an der ausdrücklichen Erklärung der Klägerin, die Klagsänderung vorzunehmen, und demgemäß an einer Stellungnahme der Beklagten. Mit Rücksicht auf diese Rechtsansicht des Revisionsgerichtes ist es nicht nötig, auf die vom Erstbeklagten im Zusammenhang mit der Klagsänderung geltend gemachten Revisionsgrunde der Nichtigkeit, der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens einzugehen, die auf die Entziehung der Möglichkeit, über die Klagsänderung zu verhandeln (§ 477 Abs. 1 Z. 4 ZPO.), und die sich daraus ergebenden Verfahrensmängel gestützt werden.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Wechsel vom 10. Oktober 1949 sei als solcher ungültig, tritt das Revisionsgericht bei. Der Name dessen, an den oder an dessen Order gezahlt werden soll (Art. 1 Z. 6 WG.), ist in den Wechsel nicht aufgenommen worden. Nach Art. 2 Abs. 1 WG. gilt der Skripturakt nicht als gezogener Wechsel. Er ist aber gemäß Art. 75, 76 WG. auch nicht als eigener Wechsel anzusehen. Die Meinung der Klägerin, der Mangel hebe die Gültigkeit des Wechsels nicht auf, wenn die Eintragung irrtümlich unterblieben und es allen Beteiligten klar sei, an wen die Wechselsumme zu bezahlen sei, kann nicht gebilligt werden. Die Ausstellung eines Wechsels ist ein Rechtsakt, der der größten Formstrenge unterworfen ist. Das Fehlen von Bestandteilen macht ihn ohne Rücksicht auf den Willen der Beteiligten ungültig (Staub - Stranz, Kommentar zum Wechselgesetz, 13. Aufl., S. 93; Baumbach, Wechselgesetz und Scheckgesetz, S. 14, Strobele, Wechselgesetz, S. 13). Nur im Rechtsstreit über das Grundgeschäft könnten die entsprechenden Behauptungen aufgestellt werden. Auch ein Blankowechsel hängt in seiner Wirksamkeit von der vollständigen vertragsmäßigen Ausfüllung ab (Staub - Stranz, a. a. O. S. 155, 161; E. v. 2. Oktober 1912, Czelechowsky 987).

Es ergibt sich, daß der Wechselzahlungsauftrag nicht zu erlassen war und der geltend gemachte wechselmäßige Anspruch weder gegen den Erst-, noch den Zweitbeklagten besteht. Über das Grundgeschäft ist damit nicht abgesprochen (E. v. 16. Jänner 1930, SZ. XII/17). Bei dieser Rechtslage brauchte auf die Frage der Aktivlegitimation und die im Zusammenhang damit geltend gemachten Revisionsgrunde der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht mehr eingegangen zu werden.

Der Revision des Erstbeklagten mußte stattgegeben, der Revision der Klägerin konnte hingegen nicht Folge gegeben werden.

Anmerkung

Z23247

Schlagworte

Aufhebung des Wechselzahlungsauftrages, Bezogener, Angabe im gezogenen Wechsel, Mandatsverfahren über Wechsel, keine Verurteilung aus dem Grundgeschäft, Wechsel, gezogener, ohne Angabe des Bezogenen, Wechselzahlungsauftrag bei Aufhebung Abweisung der Klage, Zahlungsauftrag im Wechselverfahren, bei Aufhebung Klage abzuweisen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00477.5.0913.000

Dokumentnummer

JJT_19500913_OGH0002_0010OB00477_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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