TE OGH 1950/10/4 1Ob206/50

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Veröffentlicht am 04.10.1950
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Norm

ABGB §1016
ABGB §1029
ABGB §1313a

Kopf

SZ 23/279

Spruch

Eine gewöhnliche Hausverwaltungsvollmacht berechtigt nicht zur Wiederaufführung zerstörter Gebäude und zur Entgegennahme von Baukostenbeiträgen.

Entscheidung vom 4. Oktober 1950, 1 Ob 206/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei begehrt Zahlung von 27.720 S mit der Behauptung, sie habe von dem durch den Beklagten bevollmächtigten Verwalter des Hauses G.-Gasse 8, Dr. S., das Anbot erhalten, eine Wohnung gegen Bezahlung der Wiederherstellungskosten zu mieten. Darüber sei eine Vereinbarung geschlossen worden, wonach die klagende Partei in die Vereinbarung einer Frau Sch. eintreten sollte, welche bezüglich dieser Wohnung vorher in Verhandlung gestanden sei. Auf Grund dieser Vereinbarung habe die klagende Partei an Dr. S. als Baukostenbeitrag 27.720 S bezahlt. Die Wohnung sei zum vereinbarten Zeitpunkt nicht wiederhergestellt gewesen. Die klagende Partei begehrt daher den Baukostenbeitrag zurück. Die Beklagten wendeten ein, daß Dr. S. nicht bevollmächtigt gewesen sei, in ihrem Namen Baukostenbeiträge einzuheben.

Beide Untergerichte haben das Klagebegehren abgewiesen, weil für den Bestand einer ausreichenden Vollmacht des Dr. S. die klagende Partei beweispflichtig sei, ein Beweis aber, daß Dr. S. eine über die Hausverwaltungsvollmacht hinausreichende Vollmacht zur Einhebung von Aufbaukosten gehabt habe, nicht erbracht worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird ausgeführt, Dr. S. sei beauftragt gewesen, mit den von den Mietern entgegenzunehmenden Baukostenbeiträgen das Haus wieder instandzusetzen. Dies sei kein Werkvertrag, sondern ein rechtsgeschäftlicher Auftrag. Die Entgegennahme der Baukostenbeiträge sei die Gegenleistung für den Abschluß des Mietvertrages gewesen. Bei richtiger Beurteilung habe Dr. S. über die Hausverwaltungsvollmacht hinaus die Ermächtigung zum Aufbau des Hauses und zum Inkasso der Baukostenbeiträge gehabt. Das zwischen den Beklagten und Dr. S. abgeschlossene Rechtsgeschäft verstoße gegen die guten Sitten, es sei außerdem ein Scheingeschäft. Die Beklagten hätten von vornherein die von Dr. S. abzuschließenden Rechtsgeschäfte genehmigt und wäre der Vorteil auch für sie bestimmt. Sie haften daher nach § 1016 ABGB. Dr. S. sei der Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen und diese haften daher schon aus dem Gründe des § 1313a ABGB. für den Schaden, den der Hausverwalter angerichtet habe. Durch die Annahme der Offerte sei die klagende Partei Mieterin der gegenständlichen Wohnung geworden. Es sei daher unrichtig, daß ein Mietvertrag nur zugesichert worden sei. Der Baukostenbeitrag sei ein Entgelt für die Miete gewesen. Zur Entgegennahme der Miete sei aber Dr. S. bevollmächtigt gewesen. Die Ansicht, daß an zerstörten Wohnungen keine Mietrechte bestehen können, sei rechtsirrig. Auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Hausverwaltungsvollmacht nicht zur Wiederherstellung bombengeschädigter Wohnungen und zur Entgegennahme von Baukostenbeiträgen seitens der Mieter ausreiche, sei rechtsirrig und überholt. Dies gehöre zum ordentlichen Wirtschaftsbereich der Hausverwaltung.

Auch dieser Revisionsgrund ist nicht gegeben. Wie immer man die Rechtsstellung des Dr. S. den Beklagten gegenüber beurteilen wollte, keinesfalls werden die Kläger der Verpflichtung enthoben, nachzuweisen, daß Dr. S. von den Beklagten bevollmächtigt war, namens der Beklagten Baukostenbeiträge entgegenzunehmen. Mit Recht haben aber die Untergerichte einen solchen Beweis als nicht erbracht angesehen. Erwiesen wurde lediglich die im Akt erliegende Hausverwaltungsvollmacht. Nach dieser Vollmacht war aber Dr. S., wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, nur berechtigt, die den Beklagten gehörigen Liegenschaften, insbesondere das gegenständliche Haus, im Namen der Beklagten zu verwalten, die Miete mit den Mietern zu vereinbaren, einzuheben und darüber rechtsgültig zu quittieren, sämtliche Bestandobjekte zu vermieten und aufzukundigen, die Auflösung von Mietverhältnissen entgegenzunehmen, überhaupt alle die Hausverwaltung betreffenden Angelegenheiten und Rechtsverbindlichkeiten für die Beklagten zu ordnen. Daraus ergibt sich, daß Dr. S. nur zur Besorgung jener Geschäfte berechtigt war, welche zum gewöhnlichen Rahmen einer Hausverwaltung gehören. Der Rechtsansicht der Revision, daß eine gewöhnliche Hausverwaltungsvollmacht den Hausverwalter bereits zur Wiederaufführung zerstörter Gebäude und zur Entgegennahme von Baukostenbeiträgen hiefür berechtigte, vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen. Zu dem gewöhnlichen Aufgabenkreis des Hausverwalters gehört nicht einmal der Abschluß von Mietverträgen mit ungewöhnlichen Kündigungsfristen, noch viel weniger solche ganz außerordentliche Arbeiten und Verpflichtungen der Hauseigentümer. Diese erwiesene Hausverwaltungsvollmacht des Dr. S. reicht daher nicht zur Annahme aus, daß er zur Entgegennahme von Baukostenbeiträgen namens der Beklagten berechtigt gewesen wäre. Eine darüber hinausreichende Vollmacht hätte aber die klagende Partei erweisen müssen und solch ein Beweis wurde nicht erbracht.

Auf das interne Verhältnis kann sich die klagende Partei nicht berufen, denn entscheidend ist nur, was dem Kläger über das Vollmachtsverhältnis, über den Inhalt der Vollmacht bekanntgegeben wurde. Dazu kommt, daß auch im internen Verhältnis nicht erwiesen wurde, daß Dr. S. zur Entgegennahme von Baukostenbeiträgen namens der Beklagten ermächtigt gewesen wäre, noch viel weniger, daß er diesen Auftrag gehabt hätte. Laut den vorgelegten Urkunden war Dr. S. lediglich berechtigt, Mietverträge abzuschließen, worin sich die Mieter verpflichteten, die Wohnungen in jenem ihnen bekannten Zustand zu mieten und sie auf ihre Kosten instandzusetzen und außerdem zu ihren Lasten diejenigen Bau- und Adaptierungsarbeiten, die das Haus in ihrer Gesamtheit betreffen, zu übernehmen (Punkt I und III in der Beilage 7). In Punkt VI der Beilage 7 hatten die Mieter zur Kenntnis zu nehmen, daß die Baukostenbeiträge bei Dr. S. lediglich zur Weiterleitung an die Baufirma erlegt werden, daß aber durch diesen Erlag kein Rechtsverhältnis zwischen der Hausinhabung und den Mietern entstehe, die Hausinhabung vom Mieter außer dem Zins nichts zu erhalten habe, eine Bestimmung, die in Beilage 8 ausdrücklich auch zwischen Dr. S. und den Beklagten festgesetzt wurde. Daraus folgt aber, daß Dr. S. im internen Verhältnis nicht ermächtigt war, namens der Hauseigentümer Baukostenbeiträge entgegenzunehmen, dieser die Baukostenbeiträge nur für die Mieter im eigenen Namen zur Weiterleitung an die Baufirma übernehmen durfte, damit die Mieter ihrer Verpflichtung zur Wiederherstellung der zerstörten Wohnungen nachkommen können. Nach dem zwischen Dr. S. und den Beklagten abgeschlossenen Vertrag war Dr. S. hinsichtlich der Baukostenbeiträge nicht Treuhänder der Beklagten, sondern der Mieter.

Die klagende Partei beruft sich auch zu Unrecht auf einen äußeren Tatbestand. Diesbezüglich ist auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen. Die Tatsache allein, daß Dr. S. eine Hausverwaltungsvollmacht erhielt und gleichzeitig einen Vertrag abschloß, worin er sich den Beklagten gegenüber zur Wiederherstellung des Hauses ohne finanzielle Inanspruchnahme der Beklagten verpflichtete, stellt noch keine konkludente Willenshandlung der Beklagten dar, die einen solchen äußeren Tatbestand schüfe. Die klagende Partei kann sich aber um so weniger auf einen solchen äußeren Tatbestand berufen, als ihr inhaltlich der mit Dr. S. abgeschlossenen Vereinbarung klar sein mußte, daß dieser Baukostenbeitrag nicht namens der Beklagten entgegengenommen werde. Hat doch die klagende Partei ausdrücklich unter Punkt 4 vereinbart, daß die Ansprüche der Frau Sch. auf Rückzahlung der von ihr bisher bezahlten Baukostenbeiträge Dr. S. zu eigenen Lasten übernimmt. Also nicht die Hausinhabung verpflichtete sich zur Rückzahlung dieser Baukostenbeiträge, sondern Dr. S. persönlich. Schon darin mußte die bei Abschluß der Vereinbarung rechtsfreundlich vertretene klagende Partei erkennen, daß dieser Baukostenbeitrag nicht namens der Beklagten übernommen wurde, selbst wenn sie ein Gedächtnisprotokoll laut Beilage 7 nicht unterschrieben hätte.

Der Revision war aus den angeführten Gründen der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z23279

Schlagworte

Aufbaukosten keine Entgegennahme durch Hausverwalter, Baukostenbeitrag keine Entgegennahme durch Hausverwalter, Bombenschaden Hausverwaltervollmacht berechtigt nicht zum Wiederaufbau, Hausverwalter Umfang der Vollmacht, Kriegsschäden Wiederaufbau nicht durch Hausverwalter, Vollmacht des Hausverwalters, Umfang, Wiederaufbau des Hauses, nicht mit Hausverwaltungsvollmacht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00206.5.1004.000

Dokumentnummer

JJT_19501004_OGH0002_0010OB00206_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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