TE OGH 1950/10/4 3Ob533/50

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Veröffentlicht am 04.10.1950
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Norm

ABGB §1350
ABGB §1355
ABGB §1356
JN §1
Wohnungsanforderungsgesetz §17
Wohnungsanforderungsgesetz §21
ZPO §503 Z1

Kopf

SZ 23/283

Spruch

Ansprüche des Hauseigentümers gegen die Gemeinde aus der im § 17 Abs. 2 WAG. statuierten Haftung für das Benützungsentgelt sind im ordentlichen Rechtswege geltend zu machen.

Entscheidung vom 4. Oktober 1950, 3 Ob 533/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die klagende Partei als öffentliche Verwalterin der Liegenschaft, Haus in Wien IX., X-Straße 10, begehrt die Verurteilung der beklagten Gemeinde zur Bezahlung eines Benützungsentgeltes von 707.07 S für die von Karl H. im vorgenannten Hause benützte Wohnung Nr. 7, in die der Genannte von der beklagten Partei am 23. April 1945 eingewiesen wurde, unter Berufung auf die Bestimmung des § 17 Abs. 2 WAG., da Karl Z. die Bezahlung des eingeklagten Betrages verweigere. Die beklagte Partei stellte das Klagsvorbringen mit Ausnahme der Behauptung, der Einweisung des Karl Z. ermangle die gesetzliche Grundlage, außer Streit und erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges.

Das Prozeßgericht gab der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges "keine Folge" und wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß es sich bei der im § 17 Abs. 2 WAG. statuierten Haftung der Gemeinde um eine Verpflichtung bürgerlichen Rechts handle, die Gemeinde die Stellung eines Bürgen habe und über die Ansprüche aus dieser Bürgschaft daher im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden sei. Um die Haftung aus der Bürgschaft geltend zu machen, hätte es aber einer vorherigen Prozeß- und fruchtlosen Exekutionsführung gegen den Hauptschuldner bedurft; eine solche sei aber von der klagenden Partei nicht behauptet worden.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es teilte die Rechtsansicht des Prozeßgerichtes hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsweges, vertrat aber die Ansicht, daß die Inanspruchnahme des Bürgen nicht eine vorherige erfolglose Exekutionsführung gegen den Hauptschuldner, sondern nur eine Mahnung des Hauptschuldners voraussetze und eine solche dem unbestritten gebliebenen Klagsangaben zu entnehmen sei, weshalb sich der Klagsanspruch als begrundet erweise.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionsgrund des § 503 Z. 1 ZPO. wird dahin ausgeführt, daß die im § 17 Abs. 2 WAG. vorgesehene Haftung nur im Verwaltungswege geltend gemacht werden könne, da die auf Grund des Wohnungsanforderungsgesetzes zu erlassenden Verfügungen öffentlichrechtlicher Natur seien und gemäß § 21 WAG. die Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes angewendet werden müßten.

Bereits im Wohnungsanforderungsgesetz 1922, das im wesentlichen den gleichen Inhalt hatte wie das Wohnungsanforderungsgesetz 1945 in der derzeit in Geltung stehenden Fassung, war im § 22 Abs. 2 eine Haftung der Gemeinde für das Benützungsentgelt des Eingewiesenen vorgesehen; § 31 des erwähnten Gesetzes bestimmte ausdrücklich, daß alle Ersatzansprüche, somit auch die nach § 22 Abs. 2, binnen sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Wenn nun auch im Wohnungsanforderungsgesetz 1945 eine diesbezügliche Bestimmung fehlt, die ja nur wegen der Befristung der Anspruchserhebung in das Gesetz aufgenommen wurde, so ergibt sich doch bereits aus dieser Bestimmung eindeutig, daß Ansprüche aus der im Wohnungsanforderungsgesetz vorgesehenen Bürgschaft der Gemeinde gegen diese im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen sind. Der Anspruch des Eigentümers des Bestandgegenstandes auf das Benützungsentgelt ist ein solcher privatrechtlicher Natur; die im § 17 Abs. 2 WAG. 1945 statuierte Bürgschaft für diesen privatrechtlichen Anspruch des Hauseigentümers ist daher gleichfalls nach Privatrecht zu beurteilen, wenn auch die Gemeinde die Einweisung in ihrer Eigenschaft als Träger des öffentlichen Rechtes vorgenommen hat. Die Ansicht der Revisionswerberin, aus der Bestimmung des § 21 WAG. 1945 ergebe sich, daß die Ansprüche aus der Haftung für das Benützungsentgelt gegen die Gemeinde im Verwaltungswege geltend zu machen seien, ist verfehlt; denn § 21 regelt lediglich das Verfahren bei der Anforderung und Zuweisung, hat aber mit den sich aus dem Gesetze ergebenden privatrechtlichen Ansprüchen nichts zu tun (siehe auch Schuppich, Kommentar zum WAG., Erl. 71 zu § 17, S. 271 ff.). Da das Wohnungsanforderungsgesetz eine Bestimmung, nach welcher der in Rede stehende Anspruch nur im Verwaltungswege geltend gemacht werden kann, nicht enthält, ist der Geltendmachung des Anspruches der Rechtsweg keineswegs verschlossen, wie die Untergerichte zutreffend festgestellt haben.

Es ist aber auch die Ansicht der Revision rechtsirrig, daß die Haftung nach § 17 Abs. 2 WAG. als Schadlosbürgschaft, gemeint offenbar im Sinne des § 1356 ABGB., anzusehen sei. Die Fassung des Gesetzes läßt keinen Zweifel darüber offen, daß es sich bei der Bestimmung des § 17 Abs. 2 WAG. um eine Bürgschaft im Sinne des § 1355 ABGB. handelt, deren Inanspruchnahme lediglich eine vorherige Mahnung des Hauptschuldners voraussetzt (Schuppich, a. a. O.). Die von der Revision herangezogene Bestimmung des § 1350 ABGB. hat mit der hier zur Entscheidung stehenden Frage, ob die in Rede stehende Haftung als einfache oder eine Schadlosbürgschaft aufzufassen ist, nichts zu tun. Es handelt sich auch entgegen der in der Revision vertretenen Meinung bei der Bestimmung des § 17 Abs. 2 WAG. nicht um eine Bürgschaft für Schadenersatzansprüche, da der Anspruch des Hauseigentümers gegen den Eingewiesenen auf Leistung eines Benützungsentgeltes keinen Schadenersatzanspruch darstellt.

Hingegen ist die Revision begrundet, soweit sie geltend macht, daß die Einweisung nach dem Klagsvorbringen selbst bereits am 23. April 1945, somit vor dem Inkrafttreten des Wohnungsanforderungsgesetzes erfolgte und dieses daher keine Anwendung zu finden habe. Das Wohnungsanforderungsgesetz 1945, das in Wien am 1. September 1945 in Kraft getreten ist, enthält keine Bestimmung, nach welcher die Vorschriften dieses Gesetzes auch auf Ein- oder Zuweisungen anzuwenden seien, die vor seinem Inkrafttreten vorgenommen wurden. Wenn nun auch das Benützungsentgelt für einen Zeitraum nach dem Inkrafttreten des Wohnungsanforderungsgesetzes begehrt wird, so ist doch für die Beurteilung der Frage, ob das Wohnungsanforderungsgesetz zur Anwendung zu kommen hat, lediglich der Zeitpunkt der Einweisung maßgebend. Da die Einweisung aber vor dem Inkrafttreten des Wohnungsanforderungsgesetzes erfolgte, können die Vorschriften dieses Gesetzes auf das vorliegende Benützungsverhältnis nicht angewendet und daher auch von der klagenden Partei ein Anspruch aus dem Rechtsgrunde des § 17 Abs. 2 WAG. nicht erhoben werden.

Da somit dem Klagsanspruch die rechtliche Grundlage fehlt, war der Revision Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.

Anmerkung

Z23283

Schlagworte

Benützungsentgelt, Haftung der Gemeinde nach § 17 Abs. 2 WAG., Bürgschaft nach § 17 Abs. 2 WAG., Einweisung Haftung der Gemeinde nach § 17 Abs. 2 WAG., Gemeinde Haftung nach § 17 Abs. 2 WAG., Haftung der Gemeinde nach § 17 Abs. 2 WAG., Hauseigentümer, Anspruch nach § 17 Abs. 2 WAG., Rechtsweg für Ansprüche nach § 17 Abs. 2 WAG., Unzulässigkeit des Rechtsweges nicht für Ansprüche nach § 17 Abs. 2, WAG., Wohnungszuweisung Haftung der Gemeinde nach § 17 Abs. 2 WAG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0030OB00533.5.1004.000

Dokumentnummer

JJT_19501004_OGH0002_0030OB00533_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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