TE OGH 1950/10/20 2Ob358/50

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Veröffentlicht am 20.10.1950
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Norm

ABGB §1166
JN §88
Ratengesetz §1
Ratengesetz §5

Kopf

SZ 23/298

Spruch

Ein Ratengeschäft liegt auch dann vor, wenn der Verkäufer die verkaufte Ware erst anzufertigen hat und wenn die Ware nicht gleich beim Vertragsabschluß übergeben wird, sofern sie nur vor Bezahlung des ganzen Kaufpreises zu übergeben ist.

Entscheidung vom 20. Oktober 1950, 2 Ob 358/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Leoben; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Kläger, ein Möbelfabrikant, verkaufte dem in Knittelfeld wohnhaften Beklagten mehrere Möbelstücke, die nach dem Vertrag erst anzufertigen waren. Er belangte den Beklagten auf Grund des Gerichtsstandes nach § 88 Abs. 1 JN. beim Bezirksgericht Leoben auf Zahlung des restlichen Kaufpreises.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht hob das erstrichterliche Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren aus Anlaß der Berufung des Beklagten als nichtig auf und wies die Klage zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klage richtet sich gegen den Käufer aus einem Ratengeschäft im Sinne des § 1 Ratengesetz vom 27. April 1896, RGBl. Nr. 70, denn es wird mit ihr der Kaufpreis aus einem vom Kläger in Ausübung seines Handelsgewerbes vorgenommenen Verkauf von beweglichen Sachen (Möbeln) eingeklagt, welcher Kaufpreis vereinbarungsgemäß in Teilbeträgen (Raten) zu entrichten war, und es ist nach dem vorgelegten Bestellschein vom 20. April 1949 nach dem Vorbringen in der Klage und nach dem Rekursvorbringen auch als vereinbart anzunehmen, daß die Möbel vor der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises übergeben werden sollten. Wenn im Bestellschein vom 20. April 1949 einerseits für die Lieferung der Ware keine Frist bestimmt, anderseits für die Zahlung des Kaufpreises von 3116 S vereinbart ist "Sofort 1200 S und weiter jeden Ersten ab 1. Mai je 200 S im vorhinein", geht daraus hervor, daß die Lieferung gemäß § 904 ABGB. sogleich, das heißt, ohne unnötigen Aufschub, zu erfolgen hatte, sonach jedenfalls lange vor Vollzahlung (Fälligkeit der zehnten und letzten Rate am 1. Februar 1950). Dementsprechend bringt auch der Kläger in seiner bereits am 6. Juli 1949 überreichten Klage vor, daß er die Möbel gleich fertiggestellt und dem Beklagten angeboten hat, und wiederholt dies in seinem Rekurse. Der Beklagte wird in der Klage selbst als Hilfsarbeiter bezeichnet, sodaß das Geschäft auf seiner Seite kein Handelsgeschäft war. Demnach finden die Bestimmungen des Gesetzes vom 27. April 1896, RGBl. Nr. 70, betreffend Ratengeschäfte. Anwendung und wird die Anwendung dieses Gesetzes nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Möbel nicht fertig gekauft wurden, sondern erst auf Grund der Bestellung des Beklagten nach seinen Wünschen angefertigt werden mußten. Denn der Kläger, ein Möbelfabrikant, hatte ohne Zweifel das zur Verfertigung der Möbel nötige Holz zu liefern, sodaß gemäß § 1166 ABGB. der Vertrag als Kaufvertrag und nicht als Werkvertrag anzusehen ist. Der Anwendung des Ratengesetzes steht aber auch nicht entgegen, daß die Ware dem Beklagten noch nicht übergeben wurde. Ob ein Ratengeschäft im Sinne des Ratengesetzes vorliegt, entscheidet der Inhalt des Vertrages, nicht dessen Durchführung. Das folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes (§ 1 leg. cit.), demzufolge schon der Verkauf, also der Vertrag, das Ratengeschäft ist und bleibt der Verkauf auch dann ein Ratengeschäft, wenn die Ware nicht gleich beim Vertragsabschluß übergeben wird (vgl. § 5 leg. cit.). Der Verkauf ist also auch ein Ratengeschäft, solange die Ware noch nicht dem Käufer übergeben ist. Die Worte "und welche dem Käufer vor der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises übergeben werden" in § 1 RatenG. sind daher dahin zu verstehen, daß die Ware vereinbarungsgemäß vor Bezahlung des ganzen Kaufpreises zu übergeben ist (so auch SZ. XIX/30). Eine andere Auslegung würde gegen den Zweck des Ratengesetzes verstoßen, "wirtschaftlich schwache und unverständige Leute nach Möglichkeit vor dem Schaden eines unüberlegten Kaufes zu bewahren, zu dem sie dadurch verleitet werden, daß sie die Ware sofort erhalten, den Kaufpreis aber erst später in Raten abzuzahlen haben" (so die Materialien, vgl. bei SZ. IX/44). Danach kommt es für die Beurteilung, ob ein Ratengeschäft vorliegt, nur auf den Inhalt des Kaufvertrages an.

Anmerkung

Z23298

Schlagworte

Ratengeschäft, erst herzustellende Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00358.5.1020.000

Dokumentnummer

JJT_19501020_OGH0002_0020OB00358_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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