TE OGH 1951/1/10 1Ob734/50

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Veröffentlicht am 10.01.1951
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Norm

Deutsche Zivilprozeßordnung §811
EO §39 Z2
EO §42 Z3
EO §43 Abs1
EO §44 Abs1
EO §44 Abs2 Z3
EO §251
EO §290
EO §308
Versicherungsvertragsgesetz §15

Kopf

SZ 24/3

Spruch

Die Aufschiebung einer Forderungsexekution ist auch nach Überweisung zur Einziehung noch möglich. Erst die Zahlung des Drittschuldners beendet die Exekution.

Über die Pfändbarkeit von Versicherungsansprüchen.

Entscheidung vom 10. Jänner 1951, 1 Ob 734/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht hat die Forderungsexekution auf Grund des vom Verpflichteten gestellten Einstellungsantrages nach § 42 Z. 3 EO. ohne Vorschreibung einer Sicherheitsleistung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einstellungsantrag aufgeschoben.

Infolge Rekurses der betreibenden Partei änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Aufschiebungsantrag abgewiesen wurde. Die Exekution betreffe eine vom Drittschuldner (Schadenversicherungsgesellschaft) an den Verpflichteten zu bezahlende Brandschadenversicherungssumme. Die Exekution auf Versicherungssummen sei im Rahmen des § 15 VersVG. (nach gänzlicher Aufhebung des § 290 EO. alter Fassung) grundsätzlich zulässig. Das Abtretungs- und Pfändungsverbot des § 15 VersVG. erfasse nur mehr den Anspruch auf Naturalersatz und den Rechtsschutz in der Haftpflichtversicherung, während Forderungen auf Auszahlung von Brandschadenversicherungssummen aus Fahrnisschaden grundsätzlich pfändbar seien. Der Versicherungsnehmer bleibe Vertragsgegner, aber dessen sämtliche Forderungen könnten für die Dauer des aufrechten Pfandrechtes an der Versicherungssumme nur mit Zustimmung des betreibenden Gläubigers geltend gemacht werden. Der betreibende Gläubiger könne im Range seines Forderungspfandrechtes das Pfandrecht an den wiederhergestellten Gegenständen geltend machen. Da ein Erfolg des Einstellungsantrages des Verpflichteten deshalb nicht zu erwarten sei, könne die beantragte Aufschiebung der Forderungsexekution nicht bewilligt werden, ohne daß es nötig sei, die Frage der Zulässigkeit der Aufschiebung von Forderungsexekutionen aufzuwerfen, in denen die Überweisung der Forderung zur Einziehung bereits bewilligt worden sei.

Dem gegen diese Rekursentscheidung erhobenen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gab der Oberste Gerichtshof teilweise Folge, stellte den erstgerichtlichen Beschluß mit der Ergänzung wieder her, daß dem Verpflichteten der Erlag einer Sicherheitsleistung in der Höhe von 1000 S aufgetragen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was die Frage betrifft, ob nach der Überweisung der Forderung zur Einziehung eine Exekutionsaufschiebung überhaupt noch zulässig ist, war früher die Meinung vorherrschend, daß mit der Überweisung zur Einziehung die Exekution beendet, der betreibende Gläubiger in die Rechte nach § 308 EO. eingetreten sei und eine Exekutionsaufschiebung keine Wirkung mehr haben könne (Petschek, Zivilprozeßrechtliche Streitfragen, S. 213, Neumann - Lichtblau, S. 957, unklar Walker, Exekutionsrecht 4. Aufl., S. 136). Dem steht die besonders von Kollroß (Rsp. 1932, Nr. 46) vertretene Rechtsansicht gegenüber, daß mit der Überweisung zur Einziehung die Exekution noch nicht beendet sei. Das Gericht sei auch nach diesem Zeitpunkt zu Verfügungen befugt (§§ 39, 311 Abs. 2, § 314 Abs. 1, § 317 EO.) und erst die Zahlung beende die Zwangsvollstreckung. Der Oberste Gerichtshof hält diese, schon in mehreren seiner Entscheidungen (SZ. XIV/118, Rsp. 1932, Nr. 13, SZ. VIII/306, so auch vom Landesgericht Wien DREvBl. 1942, Nr. 166) vertretene Meinung in der Erwägung für richtig, daß auch nach der Überweisung zur Einziehung, so lange, wie im vorliegenden Fall, der Drittschuldner noch nicht bezahlt hat, die Exekutionsaufschiebung hemmende Wirkung äußert. Der status quo wird aufrechterhalten und jede weitere Vollzugshandlung, daher auch die Bezahlung der überwiesenen Forderung und deren gerichtliche Geltendmachung, aufgeschoben, ohne daß die Bestimmung des § 43 Abs. 1 EO. über das grundsätzliche Aufrechtbleiben der bereits in Vollzug gesetzten Exekutionsakte umgangen würde. Denn für die Dauer der Aufschiebung wird nur die Durchführung der Forderungsüberweisung gehemmt, diese selbst bleibt aufrecht. Grundsätzlich kann deshalb im vorliegenden Fall die Exekution durch Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Partei gegen die Schadenversicherungsgesellschaft auf Grund des Feuerversicherungsvertrages Pol. No. ..... zustehenden Forderung von angeblich 25.000 S zur Einziehung gemäß § 42 EO. aufgeschoben werden.

Das Rekursgericht hat sich mit dieser Frage deshalb nicht beschäftigt, weil es der Meinung ist, daß eine Forderung auf Bezahlung einer Feuerversicherungssumme gemäß § 15 VersVG. ohneweiters pfändbar sei. Die Ausführungen des Rekursgerichtes, die dem klaren Wortlaut der genannten Gesetzesstelle nicht gerecht werden, beruhen anscheinend auf einer mißverständlichen Auffassung. Es gilt allerdings der Grundsatz, daß der Anspruch aus der Versicherung abgetreten, gepfändet und verpfändet werden könne. Hievon bestehen aber Ausnahmen. Überhaupt nicht abtretbar und pfändbar sind z. B. der Anspruch auf Naturalersatz und auf Rechtsschutz aus der Haftpflichtversicherung. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes bezieht sich diese Ausnahme aber nicht auf den Fall des § 15 VersVG. Forderungen aus der Versicherung unpfändbarer Sachen (§ 251 EO. vgl. § 811 DZPO.) unterliegen vielmehr unabhängig davon dem relativen Abtretungs- und Pfändungsverbot nach § 15 VersVG. in der Fassung der Verordnung vom 19. Dezember 1939, DRGBl.

I S. 2443 (Prölß, Versicherungsvertragsgesetz 5. Aufl., S. 83 ff., Bruck, Privatversicherungsrecht, S. 736, Fromm, Gesetz über den Versicherungsvertrag, S. 166, 127).

Der Verpflichtete hat behauptet, daß die gepfändete Forderung den Anspruch auf Bezahlung der Feuerversicherungssumme für die zur persönlichen Fortsetzung seines Kleingastwirtsbetriebes erforderlichen Gegenstände betreffe, daß sie sich somit auf unpfändbare Sachen gemäß § 251 Z. 6 EO. beziehe. Da der betreibende Gläubiger dem Verpflichteten Ersatzgegenstände für die durch Brand zerstörten und beschädigten unpfändbaren Sachen nicht geliefert habe, könne er die dem Verpflichteten zustehende Forderung auf Bezahlung der Versicherungssumme nicht pfänden. Es kann nicht gesagt werden, daß der Einstellungsantrag des Verpflichteten, den er auf § 39 Z. 2 EO. stützt, von vornherein aussichtslos wäre, wie das Rekursgericht annimmt. Denn wenn sich die gepfändete Forderung tatsächlich auf unpfändbare Gegenstände beziehen sollte, könnte sich die Forderungsexekution gemäß § 15 VersVG. als unzulässig herausstellen. Dieser Grund für die Abweisung des Aufschiebungsantrages des Verpflichteten hält daher einer Überprüfung nicht stand.

Es ist dem Verpflichteten zuzugeben, daß die Fortsetzung der Exekution für ihn mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre (§ 44 Abs. 1 EO.). Denn wenn der Drittschuldner die Versicherungssumme an den betreibenden Gläubiger auszahlt, besteht die Gefahr, daß eine spätere Rückforderung aussichtslos sein und der Verlust der durch die Versicherungssumme wieder zu beschaffenden unpfändbaren Gegenstände eintreten könnte. Die Voraussetzungen für die Exekutionsaufschiebung nach § 42 Z. 3 EO. sind gegeben. Da aber die Aufschiebung für die voraussichtlich zwar nur kurze Dauer des Verfahrens über den Einstellungsantrag dem betreibenden Gläubiger zumindest einen Zinsenverlust verursachen könnte und damit dessen Befriedigung durch die Aufschiebung gefährdet werden kann, mußte sie gemäß § 44 Abs. 2 Z. 3 EO. vom Erlag einer Sicherheitsleistung in der angemessenen Höhe von 1000 S abhängig gemacht werden.

Anmerkung

Z24003

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00734.5.0110.000

Dokumentnummer

JJT_19510110_OGH0002_0010OB00734_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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