TE OGH 1951/1/17 1Ob12/51

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Veröffentlicht am 17.01.1951
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Norm

ABGB §163
EO §35
JN §42 Abs3
JN §46
ZPO §7
ZPO §235 Abs4
ZPO §411
ZPO §529
ZPO §530

Kopf

SZ 24/18

Spruch

Ist die Zulässigkeit eines von zwei in Betracht kommenden Rechtsbehelfen rechtskräftig verneint, so ist der zweite Rechtsbehelf nicht mehr auf seine Zulässigkeit zu prüfen.

Entscheidung vom 17. Jänner 1951, 1 Ob 12/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Mauerkirchen; II. Instanz: Kreisgericht Ried i. I.

Text

Der am 8. Mai 1942 geborene Kläger hatte beim Bezirksgericht Mauerkirchen gegen den Beklagten eine Klage auf Feststellung der a.

e. Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes eingebracht. Die Klage war darauf gestützt, daß der Beklagte mit der Mutter des Klägers im kritischen Zeitraume verkehrt hat. Die Mutter des Klägers hat im Verlaufe des Rechtsstreites angegeben, daß sie nur einmal, u. zw. am 26. August 1941, in St., in dem sich dort anderthalb Stunden aufhaltenden Abendzug, stehend mit dem Beklagten verkehrt hätte. Die damalige Klage wurde mit Urteil vom 16. Feber 1943 abgewiesen, weil angenommen wurde, es sei dem Beklagten der Beweis gelungen, daß er sich am 26. August 1941 in Salzburg aufgehalten hat. Zu C ../48 hat der Kläger, gestützt auf die Tatsache, daß zwischen ihm und dem Beklagten eine auffallende Ähnlichkeit zutage tritt, eine Wiederaufnahmsklage eingebracht, in welcher die erbbiologische Untersuchung beantragt wurde. Diese Klage wurde vom Bezirksgericht Mauerkirchen mit der Begründung zurückgewiesen, die Ähnlichkeit stelle ein factum superveniens dar, welches wohl eine neue Klagsmöglichkeit biete, aber nicht Anlaß zur Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens geben könne. Das Rekursgericht schloß sich dieser Meinung an. Der in diesen Entscheidungen niedergelegten Rechtsansicht folgend, hat der Kläger nun eine neue Klage auf Feststellung der a. e. Vaterschaft des Beklagten und auf Leistung von Unterhalt erhoben.

Das Erstgericht hat die vom Beklagten erhobene Einrede der Rechtskraft zwar nicht ausdrücklich verworfen, aber in der Begründung ausgeführt, daß Rechtskraft nicht vorliegt und dies in Übereinstimmung mit der Erledigung der Wiederaufnahmsklage damit begrundet, daß die Ähnlichkeit eine neue "rechtsnotorische" Tatsache sei, die nicht prozeßrechtlich, sondern nur privatrechtlich wirke. Es hat im übrigen, gestützt auf das erbbiologische Gutachten, nach welchem der höchste Grad der Wahrscheinlichkeit für die Zeugung des Klägers durch den Beklagten spricht, als erwiesen erachtet, daß der Beklagte mit der Mutter des Klägers am 26. August 1941 den Geschlechtsverkehr vollzogen hat, den Gegenbeweis aber, daß der Beklagte sich an diesem Tage in Salzburg befand, als nicht erbracht angesehen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht erkennt richtig - auch die Revision gibt dies zu -, daß die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage zu Unrecht erfolgte. Ähnlichkeit ist keine neue rechtserhebliche Tatsache. Sie ist nur ein Indiz für die allein rechtserhebliche Tatsache der Abstammung. Das Berufungsgericht ging aber davon aus, daß die erste Klage sich nur auf einen Verkehr am 26. August 1941 als Klagsgrund stützt, während Klagsgrund der neuen Klage ein ein oder zwei Tage früher oder später erfolgter Verkehr sei. Nun ist diese Annahme insofern aktenwidrig, als der Kläger sich auch im ersteren Rechtsstreit nicht gerade auf einen Verkehr am 26. August 1941 stützte, sondern auf einen Verkehr innerhalb der kritischen Zeit. Aber ganz abgesehen davon, müßten die Ansprüche, die in beiden Klagen geltend gemacht werden, an sich als dieselben bezeichnet werden, auch wenn in der ersten Klage als Tag der Beiwohnung wirklich nur der 26. August, in der neuen Klage aber ein anderer Tag behauptet worden wäre. Derartige Änderungen in der Klagserzählung bilden nach § 235 Abs. 4 ZPO. keine Änderung des Klagsgrundes. Der Anspruch auf Feststellung der Vaterschaft wird nur durch die Tatsache der Zeugung durch den Beklagten individualisiert oder substantiiert, wobei auch die Frage, ob der unmittelbare Beweis der Zeugung angetreten oder von der Vermutung des § 163 ABGB. Gebrauch gemacht wird, belanglos ist. Auch die Behauptung, daß die Mutter des Klägers sich bei der Annahme, der Verkehr habe am 26. August stattgefunden, geirrt hat, der Verkehr könne auch um ein bis zwei Tage später stattgefunden haben, könnte nur im Wege einer Wiederaufnahmsklage in den Rechtsstreit eingeführt werden. Da die Aktenwidrigkeit, die dem berufungsgerichtlichen Urteil unterlaufen ist, aus rechtlichen Gründen zur Aufhebung der Rechtskraftwirkung des ersten Urteiles nicht geeignet ist, kommt ihr eine Bedeutung für die Erledigung der Rechtssache nicht zu.

Der Beklagte sieht darin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, daß das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung von der Feststellung des Erstgerichtes, daß der Verkehr am 26. August 1941 stattgefunden habe, abgegangen ist. Tatsächlich hat es nur festgestellt, daß der Verkehr in dem in der Klage angeführten Zeitraum stattgefunden hat, das ist eben der 26. August 1941 oder ein oder zwei Tage früher oder später. Aber hier spielt der Tag des Verkehres nur insofern eine Rolle, als die auf Grund des erbbiologischen Gutachtens von beiden Untergerichten als zwingend erwiesen angesehene Tatsache, daß der Kläger ein Kind des Beklagten ist, mit den übrigen Ergebnissen des Beweisverfahrens auf zwei Wegen in Übereinstimmung gebracht werden kann, indem man einen Irrtum annimmt entweder der Zeugen, die bestätigen, daß der Beklagte am 26. August 1941 in S. war, oder der Mutter des Klägers, die annimmt, daß der Geschlechtsverkehr am 26. August 1941 stattgefunden hat. Die ohne Beweiswiederholung nicht ganz in Übereinstimmung mit dem Erstgericht vorgenommene Feststellung bezieht sich also nicht auf einen rechtserheblichen Umstand. Sie weist im Gründe nur eine zweite, vom Erstgericht nicht ausdrücklich hervorgehobene Möglichkeit auf, den Widerspruch im Beweisverfahren im Sinne der von beiden Gerichten übereinstimmend gemachte Feststellung der Vaterschaft aufzuklären. Eine für die Erledigung des Rechtsstreites maßgebende Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt also nicht vor.

Es wurde bereits ausgeführt, daß die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage auf Grund eines Rechtsirrtumes erfolgte, daß aber der neuerlichen Geltendmachung der Vaterschaft an sich die Rechtskraft des Urteiles über die frühere Vaterschaftsklage entgegenstunde, weil die aufgetretene Ähnlichkeit kein neuer rechtserheblicher Tatbestand ist und weil der Anspruch nicht dadurch, daß ein anderer Beiwohnungstag behauptet wird, zu einem vom erstbehandelten verschiedenen wird. Nun muß aber bedacht werden, daß auch Beschlüsse rein prozessualen Inhaltes bindende Wirkungen ausüben. Es fehlt wohl diesbezüglich eine dem § 411 ZPO. entsprechende allgemeine Regel, doch gibt dieser Grundsatz Anlaß zu einer Anzahl von Bestimmungen, so in den §§ 42 Abs. 3, und 46 JN. und in den §§ 7 Abs. 2, und 529 Abs. 2 ZPO. Aus dieser Bindung ergibt sich aber für den vorliegenden Fall, daß ein an sich unzulässiger prozessualer Rechtsbehelf zur Geltendmachung eines Umstandes dann nicht mehr als prozessual unzulässig angesehen werden kann, wenn in einer anderen zwischen den Streitteilen ergangenen und rechtskräftig gewordenen Entscheidung ein anderer zur Geltendmachung dieses Umstandes in Anspruch genommener Rechtsbehelf irrtümlich deswegen prozessual nicht zugestanden wurde, weil angenommen wurde, daß nur der andere ersterwähnte Rechtsbehelf zur Geltendmachung des Anspruches offenstehe. Es ist also wohl der Standpunkt des Erstgerichtes an sich falsch, er muß aber dennoch im Hinblick auf die bindende Wirkung der über die Wiederaufnahmsklage des Klägers ergangenen Beschlüsse im gegebenen Falle gebilligt werden.

Der Beklagte ist durch diese Erledigung im Endergebnis nicht geschädigt, denn die gegen ihn eingebrachte Wiederaufnahmsklage wäre nach dem vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung SZ. XXII/71 angenommenen Standpunkt als rechtzeitig anzusehen gewesen. Vielmehr hätte die aufrechte Erledigung der Wiederaufnahmsklage zum Zuspruch des Unterhaltes schon von einem früheren Zeitpunkt an geführt.

Anmerkung

Z24018

Schlagworte

Prüfung der Zulässigkeit eines Rechtsbehelfes, Rechtsbehelf, Zulässigkeit, Rechtskraft der Verneinung der Zulässigkeit eines Rechtsbehelfes, Wahl zwischen zwei Rechtsbehelfen, Wirkung der rechtskräftigen, Zurückweisung eines derselben, Zulässigkeit eines Rechtsbehelfes, Zurückweisung eines Rechtsbehelfes, Zulässigkeit des wahlweise geltend, zu machenden Rechtsbehelfes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00012.51.0117.000

Dokumentnummer

JJT_19510117_OGH0002_0010OB00012_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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