TE OGH 1951/3/7 2Ob62/51

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Veröffentlicht am 07.03.1951
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Norm

ABGB §1297
ABGB §1304
ABGB §1325
Dienstarbeitsunfallsgesetz (Gesetz vom 7) 12. 1948
Dienstarbeitsunfallsgesetz DRGBl. I S. 674.
Dienstarbeitsunfallsgesetz §1
Einführungsverordnung zum Kraftfahrzeugverkehrsgesetz ArtIV
Reichshaftpflichtgesetz §1
Reichsversicherungsordnung §898
Reichsversicherungsordnung §899

Kopf

SZ 24/62

Spruch

Eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr liegt nicht vor, wenn der verunglückte Dienstnehmer mit einem nicht der Allgemeinheit zugänglichen Fahrzeug des Dienstgebers befördert wurde.

Die §§ 898, 899 RVO. und § 1 DienstArbUnfG. regeln nur die Haftung der Unternehmer und der ihnen gleichgestellten Personen, schließen aber keineswegs aus, daß andere Personen die Folgen eines Dienstunfalles zu verantworten haben.

Entscheidung vom 7. März 1951, 2 Ob 62/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger verunglückte am 11. April 1947 beim Zusammenprall eines reversierenden Lastkraftwagens mit einer Straßenbahn; er war damals bei der zweitbeklagten Partei als Arbeiter bedienstet und befand sich bei der Fahrt des Kraftwagens, während der er sich auf dem Plateau des Wagens aufhielt, im Dienst. Die zweitbeklagte Partei war zur Zeit des Unfalles Halterin des Kraftwagens, der ihr samt dem Lenker, dem Erstbeklagten, von seinem Eigentümer zur Verfügung gestellt worden war. Der Erstbeklagte ist wegen des Unfalles rechtskräftig nach § 335 StG. verurteilt worden.

Der Kläger anerkannte, zu seinem Unfall auch selbst beigetragen zu haben, und trug seinem Mitverschulden dadurch Rechnung, daß er nur 3/4 seiner Ansprüche gegen die Beklagten geltend machte, wobei er die Haftung des Erstbeklagten aus dem Titel seines Verschuldens, die der zweitbeklagten Partei aus der Bestimmung des Art. IV EVzKFG. vom 23. März 1940, DRGBl. I S. 537, ableitete.

Das Prozeßgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und erkannte, daß dieser gegen beide Beklagte dem Gründe nach zur Hälfte zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht änderte das nur von den Beklagten angefochtene Zwischenurteil dahin ab, das der Klagsanspruch dem Gründe nach nicht zu Recht bestehe.

Der Oberste Gerichtshof stellte in Ansehung des Erstbeklagten das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her und bestätigte in Ansehung der zweitbeklagten Partei in der Hauptsache das Urteil des Berufungsgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Prozeßgericht leitete die Haftung des Erstbeklagten aus dem strafgerichtlichen Schuldspruch ab und begrundete im Zusammenhang damit auch die Haftung der zweitbeklagten Partei als Fahrzeughalterin; nach der Ansicht des Prozeßgerichtes konnten sich die Beklagten auf die Bestimmungen der §§ 898, 899 RVO. nicht mit Erfolg berufen, da diese durch § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die erweiterte Zulassung von Ersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. Dezember 1943, DRGBl. I S. 674, gegenstandslos geworden seien und da sich der Unfall im allgemeinen Verkehr ereignet habe. Das Berufungsgericht hat die Haftung des Erstbeklagten mit der Begründung abgelehnt, daß er als Lenker des Lastkraftwagens nur untergeordnete Dienste geleistet habe, daß er hiebei nicht als Betriebs- oder Arbeitsaufseher im Sinn des § 899 RVO. tätig gewesen sei und daß daher Schadenersatzansprüche gegen ihn aus dem Dienstunfall des Klägers überhaupt nicht geltend gemacht werden könnten; die Haftung der zweitbeklagten Partei wurde vom Berufungsgericht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger ihr gegenüber nicht am allgemeinen Verkehr teilgenommen habe.

Das Revisionsgericht pflichtet dem Berufungsgerichte insoweit bei, als es eine Haftung der zweitbeklagten Partei nicht angenommen hat. Da diese den Unfall nicht vorsätzlich herbeigeführt hat, kann sie nach § 898 RVO. nicht haftbar gemacht werden; ihre Haftung nach § 1 Abs. 2 DienstArbUnfG. ist davon abhängig, ob der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Da außer Streit steht, daß mit dem Lastkraftwagen Zustellungen im Auftrage der zweitbeklagten Partei vorgenommen wurden und daß sich nur ihre unmittelbaren oder mittelbaren Angestellten auf dem Wagen befunden haben, kann von einer Teilnahme am allgemeinen Verkehr nicht die Rede sein. Der Kläger stand bei der Fahrt im Dienst der zweitbeklagten Partei, er benützte nicht ein der Allgemeinheit zugängliches Fahrzeug und nahm daher am allgemeinen Verkehr nicht teil. Daß der Zusammenstoß mit einem öffentlichen Verkehrsmittel erfolgt ist, ist aber für die Frage der Haftung der zweitbeklagten Partei vollkommen unerheblich.

Hingegen vermag das Revisionsgericht der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht beizupflichten, daß ein im Dienst Verunglückter nur gegen den Unternehmer oder eine diesem nach § 899 RVO. gleichgestellte Person Schadenersatzansprüche erheben könne und daß daher den Erstbeklagten eine Haftpflicht überhaupt nicht treffe. Das Revisionsgericht ist allerdings gleich dem Berufungsgericht der Ansicht, daß der Erstbeklagte nur in einer untergeordneten Dienstleistung und nicht in der von § 899 RVO. verlangten tätig gewesen ist; das Berufungsgericht hat jedoch die Tatsache, daß der Erstbeklagte strafgerichtlich verurteilt worden ist, rechtlich überhaupt nicht berücksichtigt. Die Bestimmungen der §§ 898, 899 RVO. und des § 1 DienstArbUnfG. regeln nur die Haftung der Unternehmer und der ihnen Gleichgestellten, schließen aber keineswegs aus, daß andere Personen, die nicht Unternehmer oder diesen gleichgestellt sind, die Folgen eines Dienstunfalles zu verantworten haben, sofern sie nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes hiezu verpflichtet sind. Da der Erstbeklagte vom Strafgerichte schuldig erkannt worden ist, den Unfall des Klägers fahrlässigerweise zumindest mitverschuldet zu haben, hat er deshalb allein schon die Unfallsfolgen gemäß den §§ 1297, 1304, 1325 ABGB. zu vertreten.

Anmerkung

Z24062

Schlagworte

Allgemeiner Verkehr, Tätigkeit des Straßenkehrers keine Teilnahme Arbeitsunfall Haftung des Unternehmers und Dritter bei - Außenstehende, Haftung - für Dienstunfälle Autounfall Teilnahme des Dienstnehmers am allgemeinen Verkehr Dienstgeber Haftung des - bei Dienstunfällen Dienstnehmer Teilnahme des - am allgemeinen Verkehr Dienstunfall Haftung des Unternehmers und Haftung Dritter für - Dritte Haftung - bei Dienstunfällen Fahrzeug des Dienstgebers, Teilnahme am allgemeinen Verkehr Haftung Dritter für Dienstunfälle Öffentlicher Verkehr, Begriff des - (§ 1 DienstArbUnfG.) Schadenersatz bei Teilnahme des Dienstnehmers am allgemeinen Verkehr Unfall des Dienstnehmers, Teilnahme am allgemeinen Verkehr Unternehmer Haftung des - für Dienstunfälle Verkehr, allgemeiner, Teilnahme am -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0020OB00062.51.0307.000

Dokumentnummer

JJT_19510307_OGH0002_0020OB00062_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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