TE OGH 1951/6/6 2Ob354/51

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Veröffentlicht am 06.06.1951
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Norm

Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §17

Kopf

SZ 24/159

Spruch

Die Ausgleichungspflicht nach § 17 KFG. besteht nur, wenn der Schaden auf die besondere Betriebsgefahr zurückzuführen ist.

Entscheidung vom 6. Juni 1951, 2 Ob 354/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Am 15. September 1944 stieß ein auf einer Bundesstraße fahrender Lastkraftwagen, der im Eigentum des Klägers stand und von seinem Chauffeur Franz K. gesteuert wurde, mit einem dem Erstbeklagten gehörigen und vom Zweitbeklagten gelenkten Lastkraftwagen, der aus einer Nebenstraße in die Bundesstraße einbog, zusammen. Bei dem Zusammenprall wurden beide Kraftwagen beschädigt. Der Kläger begehrte die solidarische Verurteilung der beiden Beklagten zum Ersatz der ihm durch die Reparatur seines Wagens und die Beschädigung seiner Fracht erwachsenen Auslagen, soweit sie nicht bereits durch eine Leistung der Versicherungsanstalt des Erstbeklagten gedeckt worden waren.

Das Prozeßgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Klagsanspruches ein und erkannte diesen mit 4/5 als zu Recht bestehend.

Das Berufungsgericht änderte das nur vom Kläger angefochtene erstgerichtliche Urteil ab und sprach aus, daß der Schadenersatzanspruch des Klägers zur Gänze zu Recht bestehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Prozeßgerichtes hat der Zweitbeklagte, obwohl er den Kraftwagen des Klägers auf mindestens 50 Schritte hätte wahrnehmen müssen, versucht, noch vor diesem die Fahrbahn der Bundesstraße zu überqueren; er hat hiebei die Schrittgeschwindigkeit (4 bis 5 Stundenkilometer) nicht eingehalten und ist übermäßig rasch in die Bundesstraße ausgefahren. Als Franz K. merkte, daß der Zweitbeklagte sein Vorfahrtrecht nicht beachtete, zog er seinen Wagen nach links und bremste; dieser wurde aber trotzdem vom Wagen des Erstbeklagten gerammt und weiter nach links "überschoben".

Das Prozeßgericht hat in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Sachverständigen angenommen, daß Franz K. gegen die Fahrvorschriften nicht verstoßen habe; es hat ihm jedoch - u. zw. ebenfalls dem Sachverständigen folgend - angelastet, daß er nicht sofort, als er die kritische Sachlage erkannte, energisch abgebremst habe, wozu ihm allerdings unter Zubilligung der "Schrecksekunde" nur eine Wegstrecke von 5 m zur Verfügung gestanden war, und daß er zu spät mit dem Bremsen begonnen und dadurch unterlassen habe, alle zur Herabminderung der Unfallsfolgen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Aus diesen Erwägungen gelangte das Prozeßgericht zu einer Verschuldensteilung. Das Berufungsgericht lehnte die Annahme eines Mitverschuldens Franz K.'s ab.

Der Erstbeklagte rügt in seiner Revision die Feststellung des Berufungsgerichtes, daß Franz K. überhaupt gebremst habe, als aktenwidrig und im Widerspruch stehend zur Feststellung, daß nach dem Zusammenstoß von keinem der beiden Kraftwagen Bremsspuren sichtbar gewesen seien. Dieser Vorwurf ist jedoch völlig unberechtigt, da im zweiten Absatz des Punktes 5 des Urteiles ausdrücklich festgestellt ist, daß Franz K. gebremst hat, und im Punkt 8 lediglich daraus, daß auch vom Wagen des Klägers Bremsspuren gefehlt haben, geschlossen wird, daß Franz K. zu spät zu bremsen begonnen habe.

In rechtlicher Beziehung wird vom Erstbeklagten die Ansicht des Prozeßgerichtes, daß Franz K. deshalb, weil er nicht rechtzeitig und zu wenig energisch abgebremst habe, den Unfall mitverschuldet habe, verteidigt, während vom Zweitbeklagten in dieser Richtung ausgeführt wird, daß ein Verschulden Franz K.'s gar nicht vorliegen müsse und daß es für die Abwälzung eines Teiles des Schadens auf den Kläger ausreiche, wenn K. nur objektiv zur Verursachung des Schadens beigetragen habe.

Das Revisionsgericht vermag diesen Ausführungen nicht beizupflichten. Gerade der Kommentator, auf den der Zweitbeklagte Bezug nimmt (Dr. Müller, Straßenverkehrsrecht, 16. Aufl., Seite 325 ff.), führt aus, daß in § 17 KFG. eine besondere Ausgleichungspflicht nur aus den beiderseitigen Betriebsgefahren und ihrer Ursächlichkeit bestimmt wird, während sonst dem Anspruch des Geschädigten nur sein eigenes Verschulden entgegengehalten werden kann; wenn aber die Entstehung des Schadens nicht auf die besondere Betriebsgefahr (mit-)zurückzuführen ist, dann ist § 17 nicht anwendbar. Als Beispiel für eine Betriebsgefahr wird im Kommentar der Bruch der Bremsstange erwähnt; daraus geht hervor, daß im vorliegenden Fall von einer Mitverursachung des Unfalles durch den Wagen des Klägers nicht die Rede sein kann, da Franz K. nicht eine Betriebsgefahr gesetzt hat, die bei der Entstehung des Unfalles mitgewirkt hat. Hingegen genügt es nach der Ansicht des Revisionsgerichtes, zur Widerlegung der Rechtsausführungen beider Beklagten auf die Entscheidung des Reichsgerichtes vom 8. Feber 1926 (AAZ. Nr. 11/1926, S. 24) hinzuweisen, zu der der Kommentar Müllers (S. 339) folgende Ausführungen enthält: "Ist ein Unfall zweier Kraftfahrzeuge dadurch herbeigeführt worden, daß der Führer des einen sich ohne Grund mit den Fahrvorschriften in Widerspruch setzte, leichtsinnig und rücksichtslos fuhr, so ist es ohne entscheidende Bedeutung, ob es etwa dem Führer des anderen Fahrzeuges möglich gewesen wäre, bei größerer Geistesgegenwart oder Geschicklichkeit dem Zusammenstoß zu entgehen. Denn selbst, wenn für ihn die Möglichkeit, zweckmäßiger zu handeln, vorgelegen hätte, so würde doch die Tatsache bestehen bleiben, daß die von dem anderen Führer herbeigeführte gefährliche Lage es war, die zu ruhigem Überlegen keine Zeit ließ und durch den Zwang plötzlicher Entschließung zugleich deren etwaige Unzweckmäßigkeit zur Folge hatte."

Die Feststellungen über das Verhalten Franz K.'s bieten keinen Raum für die Annahme, daß er sich sein Vorfahrtrecht erzwingen wollte, zumal er erst in einer Entfernung von ungefähr 20 Schritten erkennen konnte, daß der Zweitbeklagte sein Recht mißachtete. Es mag dahingestellt sein, ob Franz K. gleichzeitig mit dem Abbiegen seines Wagens auch die Bremse, zumindestens energisch, betätigen konnte; jedenfalls stand ihm von dem Zeitpunkt seiner Reaktionsfähigkeit an bloß eine Strecke von 5 m zur Verfügung, die Situation, in der er sich befand, war ausschließlich vom Zweitbeklagten verschuldet worden und daher muß es auch dieser allein verantworten, wenn Franz K. nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die Wirkungen des ohnehin bereits unvermeidlich gewordenen Zusammenpralles noch etwas zu mindern.

Anmerkung

Z24159

Schlagworte

Ausgleichspflicht bei Kraftfahrzeugzusammenstoß, Betriebsgefahr, Ausgleichspflicht nur bei Schaden durch besondere -, Kraftfahrzeugzusammenstoß, Schaden durch -, Ausgleichungspflicht nur, bei Verursachung durch besondere Betriebsgefahr, Schadensausgleich nach § 17 KFG., Schadensverursachung durch besondere Betriebsgefahr, Ausgleichspflicht, nur bei -, Vorfahrtrecht, Verletzung des -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0020OB00354.51.0606.000

Dokumentnummer

JJT_19510606_OGH0002_0020OB00354_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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