Norm
Kollektivvertragsgesetz §2Kopf
SZ 24/166
Spruch
Schiedsgerichtsklauseln in Kollektivverträgen sind zwischen dem einzelnen Dienstnehmer und seinem Dienstgeber nicht wirksam.
Entscheidung vom 15. Juni 1951, 4 Ob 56/51.
I. Instanz: Arbeitsgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück, weil das Dienstverhältnis des Klägers den Bestimmungen des Kollektivvertrages für Bühnenangehörige vom 1. Juli 1949 unterliege, der in seinem § 5 alle Streitigkeiten aus dem Bühnendienstvertrag in die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes verweise. Der Dienstgeber sei Mitglied des Verbandes österreichischer Theaterdirektoren, also einer der Vertragspartner, die den Kollektivvertrag geschlossen haben. Es sei deshalb unerheblich, ob der Kläger Mitglied des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ist, weil sich gemäß § 10 des Kollektivvertragsgesetzes die Rechtswirkungen des Kollektivvertrages auch auf nichtkollektivvertragsangehörige Dienstnehmer eines kollektivvertragsangehörigen Dienstgebers erstrecken. Im § 1 Z. 1 des Bühnenkollektivvertrages sei bestimmt, daß dieser für alle künstlerisch tätigen Personen, unter anderem für die bestellten künstlerischen Leiter Anwendung zu finden habe. Aus dem Inhalt der beiden vorliegenden Dienstverträge ergebe sich, daß dem Kläger künstlerische Aufgaben oblagen.
Das Rekursgericht hob infolge Rekurses des Klägers den erstrichterlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht unter Zurückweisung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit die Durchführung der Verhandlung und die Entscheidung auf.
Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß auch dann, wenn der Bühnenkollektivvertrag auf das streitgegenständliche Dienstverhältnis Anwendung zu finden hätte, noch immer nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes gegeben wäre. Zu dieser Zuständigkeit bedürfe es einer ausdrücklichen Vereinbarung im Dienstvertrag, und es könne die Kollektivvertragsbestimmung allein mangels ihres Normativcharakters die Rechtssache der Kompetenz des Arbeitsgerichtes nicht entziehen. Nur der normative Teil eines Kollektivvertrages, also jene Bestimmungen, welche die Regelung der aus dem Dienstverhältnis entsprechenden Rechte und Pflichten zum Gegenstand haben, statuiere zwingendes Recht und bilde automatisch und unabdingbar einen Bestandteil jedes Einzeldienstvertrages, nur auf diese Bestimmungen beschränke sich die Rechtswirkung des § 9 des Kollektivvertragsgesetzes. Die übrigen Bestimmungen des Kollektivvertrages, die im Gegensatz zu den normativen als obligatorische bezeichnet werden, schaffen Verbindlichkeiten nur zwischen den Kollektivvertragsparteien als solchen und bilden nur dann einen Bestandteil des Dienstvertrages, wenn sie in den Einzeldienstvertrag Aufnahme gefunden haben. Da der Dienstvertrag des Klägers eine Schiedsgerichtsvereinbarung nicht enthalte, werde der aufgeworfene Kompetenzstreit mit der Frage entschieden, ob die Schiedsgerichtsvereinbarung einen normativen oder nur einen obligatorischen Teil des Kollektivvertrages bildet. Diese Frage werde in der Lehre (Klang, Kommentar, 1. Aufl., zu § 1153, S. 174, Hofmann, Das Kollektivvertragsgesetz, S. 33, Hämmerle, Arbeitsvertrag, S. 160) im letzten Sinne beantwortet, und der Bühnenkollektivvertrag selbst bringe dies in seinem § 4 Z. 7 durch die Anordnung zum Ausdruck, daß "im Dienstvertrag zu vereinbaren ist, daß sich die Vertragsparteien in allen aus dem Dienstvertrag ..... entstehenden Streitigkeiten dem im § 5 vorgesehenen Schiedsgericht unterwerfen". Einer solchen Anordnung hätte es nicht bedurft, wenn die Bestimmung dieses § 5 eine Normativbestimmung wäre und automatisch einen Bestandteil auch jedes Einzeldienstvertrages bilden würde. Aus § 4 Z. 7 des Kollektivvertrages sei somit zu schließen, daß die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes nur dann gegeben ist, wenn sie im Einzeldienstvertrag besonders vereinbart wurde. Das Rekursgericht folgte hiebei den eingehenden Ausführungen von Dr. Gustav Zedek "Die Einsetzung von Schiedsgerichten in Kollektivverträgen" in der OeJZ. 1950, S. 520, die insbesondere auf den Bühnenkollektivvertrag Bezug nehmen.
Der Oberste Gerichtshof hat dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Begründung:
Es ist davon auszugehen, daß der normative Teil des Kollektivvertrages die aus dem Dienstverhältnis entspringenden Rechtsverhältnisse zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer regelt, somit jene Bestimmungen enthält, die kraft gesetzlicher Anordnung in den Einzeldienstvertrag übergehen. Hieher gehören z. B. Vereinbarungen über Lohn, Arbeitszeit, Urlaub, Endigung des Dienstverhältnisses usw. Nur die sich aus dem Dienstvertrag ergebenden wechselseitigen Rechtsverhältnisse können Normativwirkung erlangen. Der zweite sogenannte obligatorische Teil umfaßt jene Bestimmungen der Gesamtvereinbarung, die nicht geeignet sind, Bestandteil des Einzeldienstvertrages zu werden. Dazu gehören z. B. Vereinbarungen über Arbeitsvermittlung, Lehrlingszahl, Schiedsgericht usw. An dieser Rechtslage hat auch das neue Kollektivvertragsgesetz vom 26. Feber 1947, BGBl. Nr. 76, nichts geändert. Auch dieses unterscheidet, wie aus der Fassung des § 2 Abs. 1 hervorgeht, zwischen den gegenseitigen, aus dem Dienstverhältnis entspringenden Rechten und Pflichten (normative Bestimmungen) und den Rechtsbeziehungen zwischen den Kollektivvertragsparteien (obligatorische Bestimmungen). Gemäß § 9 Kollektivvertragsgesetz gelten die Bestimmungen des Kollektivvertrages nur, soweit sie die Rechtsverhältnisse zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern regeln, als Bestandteil der Dienstverträge, die zwischen kollektivvertragsangehörigen Dienstgebern und kollektivvertragsangehörigen Dienstnehmern abgeschlossen werden. Die Regelung des § 9 Kollektivvertragsgesetz erstreckt sich somit nur auf den normativen Teil des Kollektivvertrages. Die gegenteilige Auffassung des Revisionsrekurses ist rechtsirrig. Sie ist für den vorliegenden Fall um so mehr abzulehnen, als nach dem durch die Bestimmungen des § 4 Z. 7 des in Rede stehenden Kollektivvertrages zum Ausdruck gebrachten Willen der Kollektivvertragsparteien die Schiedsgerichtsklausel nur dann wirksam sein soll, wenn sie in den Einzeldienstvertrag aufgenommen wird.
Wenn der Revisionsrekurs die Gültigkeit der Bestimmung des § 4 Z. 7 des Bühnenkollektivvertrages mit dem Hinweis darauf, daß noch alte Vertragsmuster verwendet worden seien, anzuzweifeln versucht, so können seine Ausführungen schon mit Rücksicht auf das auch im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot (ZBl. 1921 Nr. 79, Rsp. 1924, S. 16 u. a.) keine Beachtung finden.
Dem unbegrundeten Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen keine Folge zu geben, ohne daß es notwendig war, die Frage zu prüfen, ob der Wirksamkeit der Vereinbarung eines Schiedsgerichtes durch die Kollektivvertragsparteien nicht etwa auch noch die Bestimmungen der §§ 577 Abs. 3 und 599 ZPO. entgegenstehen (vgl. SZ. XIV/55).
Anmerkung
Z24166Schlagworte
Arbeitsrecht Schiedsgerichtsklauseln in Kollektivverträgen, Dienstnehmer Schiedsgerichtsklauseln in Kollektivverträgen, Dienstvertrag Schiedsgerichtsklauseln in Kollektivverträgen, Einrede des Schiedsvertrages (Kollektivvertrag), Kollektivvertrag Schiedsgerichtsklausel in einem -, Rechtsweg Schiedsgerichtsklausel in Kollektivvertrag, Schiedsgerichtsklausel in einem Kollektivvertrag, Schiedsvertrag in einem Kollektivvertrag, Schiedsverfahren Kollektivvertrag, Zulässigkeit des Rechtsweges, Schiedsgerichtsklausel im KollektivvertragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1951:0040OB00056.51.0615.000Dokumentnummer
JJT_19510615_OGH0002_0040OB00056_5100000_000