TE OGH 1951/7/18 1Ob412/50

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Veröffentlicht am 18.07.1951
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Norm

ABGB §7
ABGB §905
ABGB §1412
ABGB §1447

Kopf

SZ 24/190

Spruch

Über die Frage, in welcher Währung ein Vertrag zu erfüllen ist, nach dessen Abschluß eine Währungsspaltung (z. B. Schilling und Reichsmark) eingetreten ist.

Entscheidung vom 18. Juli 1951, 1 Ob 412/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Das Erstgericht hat die Beklagten zur Bezahlung eines Kapitalbetrages von 11.588 S samt Zinsenraten, und Verzugszinsen verurteilt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagten haben sich in einem am 11. Juni 1943 in A. ausgefertigten Schuldschein verpflichtet, ein Darlehen von 12.000 RM in gewissen Raten zurückzuzahlen. Das Darlehen wurde auf der Liegenschaft EZ. 156 Kat. Gem. R. sichergestellt. Es liegt keine Aktenwidrigkeit darin, daß die Untergerichte Klagenfurt als Erfüllungsort angesehen haben, denn sie haben nicht etwa den Text des Schuldscheines im Urteil falsch wiedergegeben, wohl aber liegt darin eine falsche rechtliche Beurteilung. Denn weder in der Bestimmung des Punktes 1 des Schuldscheines, nach welcher die Zinsen bei der Hypothekenkasse der Sparkasse selbst oder auf Grund ihrer Weisung an einem von ihr bestimmten Orte des Deutschen Reiches zu bezahlen sind, noch in der Bestimmung des Punktes 2, daß das Kapital nach Aufkündigung als Ganzes und bis dahin jährlich 2% des Kapitals an die Sparkasse zurückzubezahlen bzw. an die Sparkasse zu leisten sind, noch auch in der Vereinbarung des Gerichtsstandes Klagenfurt kann die Vereinbarung eines Erfüllungsortes erblickt werden. Die ersteren Bestimmungen bezeichnen lediglich die Adresse, an welche die Schuldner den geschuldeten Geldbetrag nach § 905 Abs. 2 ABGB. zu übersenden haben; die letztere Bestimmung betrifft nur den Gerichtsstand.

Als Erfüllungsort gilt also gemäß § 905 Abs. 1 ABGB. der Wohnsitz der Schuldner zur Zeit des Vertragsabschlusses.

Allerdings ist dadurch für den Standpunkt der Beklagten, daß die Klage abzuweisen sei, nichts gewonnen. Dies kann nicht deswegen geschehen, weil es noch unbekannt ist, ob und welche gesetzlichen Bestimmungen oder zwischenstaatlichen Vereinbarungen einmal über das Schicksal von Forderungen bestehen werden, die österreichischen Gläubigern gegenüber Personen zustehen, die bis 1945 ihren Wohnsitz in Oberkrain hatten und ihn später irgendwohin verlegt haben, wobei das Pfandobjekt in Krain jedweder Verfügung des Eigentümers entzogen wurde. Selbst wenn bekannt wäre, daß zwischenstaatliche Vereinbarungen über die Tilgung solcher Forderungen beabsichtigt sind, müßten die Gerichte bis zu deren Zustandekommen die noch nicht geregelte Frage im Wege der Auslegung und allenfalls nach natürlichen Rechtsgrundsätzen lösen (§ 7 ABGB.). Es liegt also auch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin, daß die Untergerichte eine Anfrage an die in Betracht kommenden Ministerien darüber, ob solche Vereinbarungen im Zuge sind, abgelehnt haben.

Die Beklagten haben sich lediglich auf den Standpunkt gestellt, daß das Klagebegehren abzuweisen gewesen wäre, weil noch nicht feststeht, nach welchen Grundsätzen die Umwandlung der Reichsmarkschuld in eine der jetzt geltenden Währungen zu erfolgen hat. Sie haben in diesem Sinne die Anwendung der Umrechnung nach dem Schillinggesetz ausgeschlossen. Sie haben aber nicht ausgeführt, daß man unter Anwendung eines anderen bereits geltenden oder auch im Wege der Auslegung festzustellenden Umrechnungsschlüssels zu einer anderen Lösung kommen könnte, die zu einem für sie günstigeren Ergebnis führt. Sie haben insbesondere nicht behauptet, daß durch die Umrechnung der Reichsmarkschuld nach den für ihren früheren Wohnsitz in Jugoslawien geltenden gesetzlichen Bestimmungen oder Rechtsgrundsätzen in eine Dinarschuld und durch die Umwandlung dieser Dinarschuld in eine Schillingschuld sich ein für sie günstigeres Ergebnis erzielen ließe. Doch wollte man selbst von dem in der Entscheidung Rsp. 1932, Nr. 1, ausgesprochenen Grundsatz, daß ausländisches Recht von Amts wegen wahrzunehmen ist, abgehen und den in der Besprechung dieser Entscheidung von Wahle aufgeführten Gedankengängen folgen, daß ausländische Rechtsnormen von der Partei, die sich darauf beruft, behauptet und bewiesen werden müssen, so ist doch schon in der Berufung der Beklagten auf das Recht des Erfüllungsortes, in der Ablehnung des Umrechnungsschlüssels nach dem Schillinggesetz und in dem Antrag auf Abweisung der Klage als ein Minus die Berufung darauf mitenthalten, daß sich unter Berücksichtigung ausländischer Rechtsnormen ein geringerer Betrag ergeben würde, obwohl es durchaus möglich ist, daß ein weiteres Eingehen auf diese Fragen zu dem gegenteiligen Ergebnis führen könnte. Es muß also geprüft werden, ob für die Umrechnung der Reichsmarkschuld in eine andere der jetzt geltenden Währungen andere Normen als das Schillinggesetz in Betracht kommen.

Nun stehen Rechtslehre und Rechtsprechung vorwiegend auf dem Standpunkt, daß die Frage, welche Währung nach einer Währungsspaltung anzuwenden ist, nicht durchaus nach dem Rechte des Erfüllungsortes beurteilt werden kann, wenn sich gewichtigere Anknüpfungspunkte ergeben (SZ. I/93; Spr. 3; Wahle, Rsp. 1922, S. 60, Raape, Internationales Privatrecht, S. 345 ff.). Nach Raape kommt es insbesondere auf die Verhältnisse im Augenblicke der Währungstrennung an. Da die Beklagten mit dem Zusammenbruch der deutschen Besetzung das jugoslawische Gebiet verlassen mußten, hatten sie im Augenblick der Währungstrennung ihren Wohnsitz bereits nicht mehr in Jugoslawien, sondern ihren Aufenthalt in Österreich, wo sie bisher verblieben sind. Es träfe sie also schon nach diesem Grundsatz die in Österreich für Reichsmarkschulden geltende Regelung. Es mag dahin gestellt bleiben, ob diese Argumentation durchgreifend ist. Denn zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man sonst nach den Schwergewicht des Schuldverhältnisses forscht. Das Schicksal der Reichsmarkforderungen am Erfüllungsorte mag für die Sicherung durch die Hypothek deswegen maßgebend sein, weil das verpfändete Grundstück an diesem Orte liegt. Für die persönliche Schuld der Beklagten, die in diesen Prozeß allein geltend gemacht wird, muß das Recht am Sitze des Kreditinstitutes maßgebend sein, welches das Darlehen gewährt hat, weil doch angenommen werden muß, daß dieses im Hinblick auf seine gesamte Gebarung weder auf einem außerordentlichen Gewinn spekulieren noch das Risiko eines den Bestimmungen der Gesetze, die an ihrem Sitze gelten, nicht entsprechenden Verlustes auf sich nehmen wollten (Nussbaum, Geld, S. 233 ff.; diesem folgend Lüders, MDR. 1948, S. 386 ff.).

Wenn also auch als Erfüllungsort der Wohnsitz der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses anzusehen ist, so haben die Untergerichte doch mit Recht angenommen, daß die Umrechnung von Reichsmark in eine andere geltende Währung in diesem Falle nach den am Sitz der Gläubigerin geltenden Bestimmungen zu erfolgen hat.

Die Beklagten machen weiter geltend, daß die Leistung für sie unerschwinglich sei, weil ihnen zufolge der Kriegsereignisse und der sich daraus ergebenden Wirkungen der Besitz der Liegenschaft entgangen sei und sie bei der Flucht aus Jugoslawien lediglich das nackte Leben gerettet hätten und jetzt unter schwierigsten Erwerbsverhältnissen stunden. Dieses Vorbringen vermag eine Berufung auf § 1447 ABGB. nicht zu rechtfertigen, wie die Untergerichte mit Recht angenommen haben. Der Verlust des Pfandgegenstandes beeinträchtigt nicht den Bestand der persönlichen Schuld. Die persönliche Leistungsfähigkeit stellt keine absolute Unmöglichkeit der Erfüllung dar. Alle diese Umstände könnten nur für die Beurteilung der Frage maßgebend sein, ob eine richterliche Vertragshilfe am Platze ist (§§ 6, 7, 9 der Vertragshilfeverordnung, DRGBl. 1939, I S. 2329 ff.). Eine ausdrückliche Inanspruchnahme der richterlichen Vertragshilfe ist aber seitens der Beklagten in diesem Verfahren nicht erfolgt. Die ergangenen Entscheidungen werden auch nicht als mangelhaft angefochten, weil die Untergerichte richterliche Vertragshilfe nicht gewährt haben. Die zuletzt angeführten Umstände sind also für die Entscheidung ohne Bedeutung. Es bleibt den Beklagten übrigens unbenommen, einen Antrag auf Gewährung der richterlichen Vertragshilfe auch nach Abschluß des Rechtsstreites zu stellen (§ 17 der genannten VO., Vogls, Note 14 lit. c zu § 24).

Anmerkung

Z24190

Schlagworte

Erfüllung nach Währungsspaltung, Reichsmark-Schilling, Vertragserfüllung nach Währungsspaltung, Schilling-Reichsmark, Vertragserfüllung nach Währungsspaltung, Schuld Erfüllung nach Währungsspaltung, Valuta Vertragserfüllung nach Währungsspaltung, Vertrag Erfüllung nach Währungsspaltung, Währung, Erfüllung eines Vertrages, Währungsänderung, Vertragserfüllung, Währungsspaltung, Vertragserfüllung, Zahlung nach Währungsspaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00412.5.0718.000

Dokumentnummer

JJT_19510718_OGH0002_0010OB00412_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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