TE OGH 1951/10/11 3Ob447/51

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Veröffentlicht am 11.10.1951
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Norm

ABGB §138
ABGB §156
ABGB §163

Kopf

SZ 24/271

Spruch

Zur Frage, ob der Rh-Faktor (Rhesus-Faktor) als Beweismittel für den Ausschluß der Vaterschaft in Betracht kommt.

Entscheidung vom 11. Oktober 1951, 3 Ob 447/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger mit der Kindesmutter in der Zeit vom 22. bis 25. Juli 1941 Geschlechtsverkehr gepflogen. Zu dieser Zeit war der Kläger mit der Kindesmutter noch nicht verheiratet, er hat sie vielmehr erst am 4. Dezember 1941 geehelicht. Die Ehe ist am 13. März 1947 geschieden worden. Nach den Beweisergebnissen hatte die Kindesmutter in der kritischen Zeit, u. zw. nach ihrer Aussage am 27. Juli 1941, auch mit Heinz L. Geschlechtsverkehr.

Die Untersuchung nach den klassischen Blutgruppen A, B, 0 sowie die Faktorenbestimmung nach den Blutkörperchenmerkmalen M und N zeitigte das Ergebnis, daß weder der Kläger noch Heinz L. als Erzeuger des beklagten Kindes auszuschließen sei. Auch eine zweite beim Kläger durchgeführte Blutuntersuchung nach den Untergruppen A 1 und A 2 ergab nicht den Ausschluß der Vaterschaft. Nach dem Ergebnis der anthropologisch-erbbiologischen Untersuchung ist die Vaterschaft des Klägers zum beklagten Kinde zwar nicht mit Sicherheit auszuschließen, doch unwahrscheinlich; die Vaterschaft des Heinz L. hingegen wahrscheinlich. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L. ist die Zeugung des Kindes durch Heinz L. wesentlich wahrscheinlicher als durch den Kläger. Für sein Gutachten zog dieser Sachverständige auch den Umstand heran, daß das von der Kindesmutter angegebene Datum des Geschlechtsverkehrs mit Heinz L. der maximalen Empfängnisfähigkeit nach Knaus entsprechen würde.

Das Erstgericht hat auf Grund dieses Sachverhaltes die Klage des gesetzlichen Vaters auf Feststellung der Unehelichkeit des am 3. Mai 1942 geborenen beklagten Kindes abgewiesen und hat sich von der Erwägung leiten lassen, daß die anthropologischen Merkmale, in denen eine Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft des Heinz L. besteht, nur äußerlich sind und ihnen keine Dominanz zukommt. Nach Ansicht des Erstgerichtes ist nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens die Vaterschaft des Klägers nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos, das Berufungsgericht hat das Ersturteil bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile beider Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Den Vorinstanzen ist beizupflichten, wenn sie annehmen, daß die vorliegenden Beweisergebnisse noch nicht ausreichen, um den Kläger mit Sicherheit als Vater des beklagten Kindes ausschließen zu können. Der in erster Instanz vernommene Sachverständige Dr. L. hat angegeben, daß die Bestimmung des Rh-Faktors unter Umständen den Ausschluß der Vaterschaft des Klägers ergeben könnte. Auf das Beweismittel der Heranziehung des Rh-Faktors zur Frage der Vaterschaft sind die Vorinstanzen nicht eingegangen. Das Revisionsgericht ist der Ansicht, daß insofern dem Verfahren Mangelhaftigkeit zum Vorwurf gemacht werden kann. Da das Verfahren in Streitigkeiten über die eheliche Abstammung von dem Grundsatz der Amtswegigkeit beherrscht ist, wäre dieser Mangel auch von Amts wegen zu beachten gewesen. Nach den vorliegenden Beweisergebnissen ist die Vaterschaft des Klägers zu dem beklagten Kinde als unwahrscheinlich zu erachten. Dieser Grad der Unwahrscheinlichkeit kann unter Umständen noch eine Steigerung erfahren, wenn die Blutbestimmung unter Heranziehung des Rh-Faktors gegen die Vaterschaft des Klägers spricht.

Für sich allein kann allerdings der Rh-Faktor nur sehr selten die Annahme der Vaterschaft ausschließen. Aus der Testung des Rh-Phänotypus mit Anti-Seren läßt sich aber in einer größeren Anzahl von Fällen eine Unterlage für die Vaterschaftsbestimmung gewinnen. Wenn auch der Rh-Faktor neben den Blutgruppen und den Blutfaktoren noch nicht allgemein als Beweismittel anerkannt werden kann, so kann doch in besonders gelagerten Zweifelsfällen - und ein solcher liegt hier im Hinblick auf die Ergebnisse der anthropologischen Untersuchung und die auch für einen Laien erkennbare Ähnlichkeit des beklagten Kindes mit Heinz L. vor - eine Ergänzung der Blutbestimmung nach diesem Faktor unter Umständen die Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft des gesetzlichen Vaters in einem solchen Maß steigern, daß die Vermutung des § 138 ABGB. als widerlegt angesehen werden kann.

Anmerkung

Z24271

Schlagworte

Abstammungsverfahren Rhesusfaktor, Ausschluß der Vaterschaft, Rhesusfaktor, Bestreitung der ehelichen Geburt, Beweiswert des Rhesusfaktors, Beweismittel, Blutuntersuchung, Rhesusfaktor, Blutgruppenuntersuchung, Rhesusfaktor, Gutachten über Blutfaktoren, Rhesusfaktor, Kind Ausschluß der Zeugung durch Rhesusfaktor, Paternitätsprozeß Beweiswert des Rhesusfaktors, Rhesusfaktor, Blutuntersuchung im Vaterschaftsprozeß, Sachverständigengutachten über Blutfaktoren, Rhesusfaktor, Unmöglichkeit der Zeugung, Rhesusfaktor, Vaterschaft Blutuntersuchung auf Rhesusfaktor, Zeugung Unmöglichkeit der -, Rhesusfaktor

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0030OB00447.51.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19511011_OGH0002_0030OB00447_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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