TE OGH 1951/11/28 1Ob871/51

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Veröffentlicht am 28.11.1951
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Norm

ABGB §1118
Mietengesetz §19 Abs1
Mietengesetz §19 Abs2 Z4
Mietengesetz §19 Abs2 Z4a
ZPO §232
ZPO §233
ZPO §477
ZPO §519 Z2
ZPO §572

Kopf

SZ 24/326

Spruch

Eine Klage auf Aufhebung des Bestandvertrages nach § 1118 ABGB. und eine Kündigung nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 und 4a MietG. begrunden nicht gegenseitig die Einrede der Streitanhängigkeit.

Entscheidung vom 28. November 1951, 1 Ob 871/51.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Zu. K./51 des Bezirksgerichtes für ZRS. Graz haben die klagenden Parteien am 11. August 1951 eine auf die Kündigungsgrunde nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 und 4a MietG. gestützte Aufkündigung gegen den Beklagten überreicht. Diesbezüglich wurde auf Grund des Bescheides des Magistrates vom 27. Juli 1951 vorgebracht, daß dem Ansuchen auf Abtragung des bombengeschädigten Hauses in Graz, S.gasse-B.gasse, zum Zwecke der Errichtung eines Neubaues stattgegeben worden sei, wobei festgestellt wurde, daß der in der S.gasse noch stehengebliebene Teil, in dem sich die vom Beklagten gemieteten Lokalitäten befinden, in der der Beklagte seine Bar betreibt, wegen Einsturzgefahr nach allenfalls nötiger vorheriger Räumung zum ehestmöglichen Zeitpunkt zu demolieren sei. Weiters wurde in diesem Bescheid ausgeführt, daß die Abtragung des Gebäudes zum Zwecke der Errichtung eines Neubaues erfolge und aus Verkehrsrücksichten und zur Beseitigung einer Verunstaltung des Straßenbildes im öffentlichen Interesse liege.

Die klagenden Parteien gaben in der Aufkündigung weiters an, daß im Falle der Errichtung eines Neubaues durch den Staatssekretär für Äußeres des Staates X. für einen zehnjährigen Mietvertrag hinsichtlich des Erdgeschosses und des ersten Stockes eine Zinsvorauszahlung in der Höhe von 2.600.000 S für den 1. August 1952, dem Tage der Übergabe der Bestandräume, zur Verfügung gestellt werde, so daß mit der Abtragung und dem Neubau des Gebäudes umgehend begonnen werden müsse, weil sonst der obgenannte Betrag nicht ausbezahlt werde.

Gegen diese Aufkündigung hat die beklagte Partei am 21. August 1951 Einwendungen erhoben, in welchen die geltend gemachten Kündigungsgrunde bestritten wurden.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 6. September 1951, . C./51, die Aufkündigung für wirksam erkannt, indem es den Kündigungsgrund nach Z. 4 des § 19 Abs. 2 MietG. als gegeben angesehen hat.

In der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei hat diese unter anderem die Einrede der Streitanhängigkeit erhoben und diesbezüglich auf das Räumungsverfahren zu . C .../51 desselben Gerichtes verwiesen.

Das Berufungsgericht hat infolge Streitanhängigkeit das angefochtene Urteil aufgehoben und die Kündigung zu. K./51 zurückgewiesen. Hiezu wurde folgendes festgestellt: Die klagenden Parteien haben am Tage der Überreichung der Aufkündigung auch zu. C./51 eine auf § 1118 ABGB. gestützte Räumungsklage überreicht, in der sie unter Anführung derselben Gründe wie in der obzitierten Kündigung die sofortige Auflösung des Bestandvertrages und die Räumung der gemieteten Lokalitäten durch den Beklagten begehrt haben. Voraussetzung für die Streitanhängigkeit sei, so führte das Berufungsgericht aus, außer der Nämlichkeit der Streitteile, Nämlichkeit der Streitsache und die Gleichheit des Rechtsschutzzieles. Während die erste Voraussetzung außer Zweifel stehe, treffe dies auch bei den zwei weiteren Voraussetzungen zu. Sowohl der Kündigung wie auch dem Verfahren der Räumungsklage zu. C .../51 liege derselbe Tatbestand zugrunde, nämlich die Abbruchsreife des Hauses und die Demolierungsbewilligung des Magistrates. Auch die dritte Voraussetzung der Gleichheit des Rechtsschutzzieles sei gegeben, da sowohl die Räumungsklage wie auch die Aufkündigung das Begehren enthalte, daß der Beklagte das Bestandobjekt räumen müsse.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der klagenden Partei Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem auf, über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Weisungsgrunde zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst war die Frage zu prüfen, ob mit Rücksicht auf die Bestimmungen des § 519 Z. 2 ZPO. der Rekurs überhaupt zulässig ist. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung vom 4. März 1937, SZ. XIX/74, zum Ausdruck gebracht hat, steht, wenn auch die Streitanhängigkeit nicht einen der im § 477 ZPO. angeführten Nichtigkeitsgrunde bildet, gegen die Zurückweisung wegen Streitanhängigkeit des Anspruches gemäß § 232 ZPO. ein Rechtsmittel zu, weil diese Einrede doch ebenso wie die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache zur Vernichtung des angefochtenen Urteiles und zur Zurückweisung des Klagebegehrens führt.

Dem Rekurs selbst kommt Berechtigung zu. Es ist in der Rechtsprechung (ZBl. 1927 Nr. 292, JBl. 1935 S. 322, SZ. VI/223) einheitliche Auffassung, daß im Falle der sofortigen Vertragsauflösung der Vermieter sowohl mit einer Klage nach § 1118 ABGB. vorgehen, wie auch den Vertrag bei Vorliegen eines Abstehungsgrundes aufkundigen kann.

Die entscheidende Frage geht dahin, ob die Aufhebungsklage neben der Kündigung zulässig ist oder hiedurch bei Einleitung beider Verfahren Streitanhängigkeit begrundet wird.

Wird davon ausgegangen, daß die Einrede der Streitanhängigkeit neben der Identität der Parteien die Identität der Streitsache, also des Rechtsgrundes und des Klagsanspruches (ZBl. 1927, Nr. 218, JBl. 1928 S. 225) zur Voraussetzung hat, so kann der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Gleichheit des Klagsanspruches gegeben ist, nicht gefolgt werden.

Wenn es auch richtig ist, daß die Räumung des Bestandgegenstandes den wesentlichen Zweck beider Verfahren bildet, so darf nicht übersehen werden, daß in jenem der Räumungsklage die sofortige Räumung auf Grund der Auflösung des Bestandvertrages, im anderen Fall bei der Kündigung die Räumung zu einem unter Einhaltung der Kündigungsfrist festgesetzten Zeitpunkt verlangt wird.

Kündigung und Räumung zu einem bestimmten Termin sind nun sicherlich nicht derselbe Anspruch wie die sofortige Räumung. Schon daraus folgt, daß der Klagsanspruch auf sofortige Räumung nicht identisch ist mit dem Klagsanspruch auf Räumung zu einem bestimmten Termin, daß also, wenn auch derselbe Bestandvertrag vorliegt, aus ihnen verschiedene Rechtsverhältnisse abgeleitet werden können, deren Durchsetzung mit verschiedenen Klagen zulässig ist und die Einrede der Streitanhängigkeit nicht begrundet.

Wird weiters erwogen, daß das über die Räumungsklage zu ergehende Urteil sich nur darüber auszusprechen hat, ob die Verpflichtung oder die Nichtverpflichtung des Beklagten besteht, das Bestandobjekt zu räumen, daß aber das Urteil im Kündigungsstreit gemäß § 572 ZPO. nur zu erkennen hat, ob und inwieweit die gegenständliche Aufkündigung als wirksam erkannt und aufgehoben wird, so tritt es klar zu Tage, daß ein Unterschied in den zu erwartenden Sprüchen des Gerichtes, die allein Rechtskraft erlangen können, gelegen ist, weshalb keinesfalls von einer Streitanhängigkeit im gegenständlichen Falle die Rede sein kann (SZ. II/118, AnwZ. 1935 S. 254, EvBl. 1936 Nr. 918).

Aus diesen Erwägungen war daher dem Rekurs Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgerichte aufzutragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Weisungsgrund über die Berufung der beklagten Partei zu entscheiden.

Anmerkung

Z24326

Schlagworte

Auflösung eines Bestandvertrages nach § 1118 ABGB., keine, Streitanhängigkeit mit Kündigung, Baufälligkeit, keine Streitanhängigkeit bei Klage nach § 1118 ABGB. und, Kündigung wegen -, Bestandverfahren keine Streitanhängigkeit bei Klage nach § 1118 ABGB., und Kündigung, Bestandvertrag keine Streitanhängigkeit bei Klage nach § 1118 ABGB. und, Kündigung, Klage nach § 1118 ABGB., keine Streitanhängigkeit bei Kündigung und -, Kündigung keine Streitanhängigkeit bei gleichzeitiger Klage nach, § 1118 ABGB., Litispendenz, keine - bei Klage nach § 1118 ABGB. und Kündigung, Mietvertrag keine Streitanhängigkeit bei Kündigung und Klage nach, § 1118 ABGB., Räumungsklage keine Streitanhängigkeit mit Kündigung, Streitanhängigkeit, keine - bei Räumungsklage und Kündigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00871.51.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19511128_OGH0002_0010OB00871_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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