TE OGH 1952/1/4 1Ob885/51

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Veröffentlicht am 04.01.1952
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Norm

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9

Kopf

SZ 25/1

Spruch

Zeitungstitel genießen den Schutz nach § 9 UWG.

Der Titelschutz erlischt erst mit endgültigem Einstellen des Erscheinens der Zeitung, kann aber auch diesen Zeitpunkt überdauern.

Entscheidung vom 4. Jänner 1952, 1 Ob 885/51.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Kläger war Eigentümer der "M.-Nachrichten", eines seit 32 Jahren unter diesem Titel erscheinenden Wochenblattes. Da Kläger Nationalsozialist gewesen war und daher im Sinne der nach der Befreiung geltenden Vorschriften seine Zeitschrift nicht weiter herausgeben durfte, so schloß er am 2. März 1946 mit dem Beklagten einen Vertrag, wonach (Punkt 1) Kläger zustimmt, daß Beklagter für die von ihm herauszugebende Zeitung den Titel der von den vom Beklagten herausgegebenen "M.-Nachrichten" verwenden darf, gewissermaßen diesen Titel pachtet, da es sich hier um den Titel einer seit 32 Jahren gut eingeführten "M.-Wochenzeitung" handelt, wofür er als Entgelt sich verpflichtet, dem Kläger einen wöchentlichen Betrag von 125 S zahlbar am Samstag einer jeden Woche, bar und unverkürzt zu dessen Handen in M. zu bezahlen. Der Vertrag war zeitlich befristet, vierteljährlich kundbar. Punkt 4 bestimmte:

"Nach Beendigung des Vertrages hat Kläger selbstverständlich wieder das volle und uneingeschränkte und alleinige Recht auf Verwendung des Titels "M.-Nachrichten" für eine eventuell von ihm herauszugebende Zeitung".

Da Beklagter im Jahre 1949 die Gültigkeit des Vertrages bestritt und die Zahlungen einstellte, nichtsdestoweniger aber seine Zeitschrift nach wie vor als "M.-Nachrichten" bezeichnete, sah Kläger den Vertrag für gelöst an und erhob Klage auf Unterlassung der Weiterführung des Titels der Zeitung.

Sämtliche Instanzen gaben der Klage Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsrüge ist nicht begrundet.

Zeitungstitel genießen Schutz nach § 9 UWG. Der Titelschutz erlischt erst dann, wenn die Zeitschrift ihr Erscheinen endgültig einstellt. Er kann aber auch diesen Zeitpunkt überdauern, so immer dann, wenn durch die Übernahme des Titels für ein neues Organ Fehlschlüsse und Verkehrsverwirrung hervorgerufen werden können. Eine vorübergehende Einstellung, insbesondere ein solche, die durch die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse erzwungen wurde, führt nicht zum Erlöschen des Titelschutzes und benimmt dem Berechtigten nicht den Schutz nach dem Unlauteren Wettbewerbgesetz, wenn er die Fortsetzung der Unternehmertätigkeit nach Eintritt anderer Verhältnisse erkennbar beabsichtigt. Daß Kläger seine Zeitschrift endgültig einstellen wollte, hat Beklagter gar nicht behauptet; das Gegenteil ergibt sich aus Punkt 4 des Vertrages vom 2. März 1946. Da die vorübergehende Einstellung der Zeitung durch den Kläger infolge seiner politischen Belastung als Nationalsozialist, also infolge eines durch die Nachkriegsverhältnisse bedingten Umstandes erfolgt ist, kann von einem endgültigen Erlöschen des Titelschutzes und seiner Klagsberechtigung nach dem Unlauteren Wettbewerbgesetz keine Rede sein.

Beklagter war daher - abgesehen von dem mit dem Kläger getroffenen Abkommen - nicht berechtigt, sich den Titel "M.-Nachrichten" anzumaßen. Nur auf Grund des Pachtvertrages vom 2. März 1946 war demnach der Beklagte zur Verwendung des angeführten Titels berechtigt. Es kann also keine Rede davon sein, daß der Vertrag nicht verbindlich ist. Ist dies aber der Fall, so haben die Unterinstanzen den Beklagten nach Ablauf des Vertrages mit Recht zur Unterlassung verurteilt.

Völlig bedeutungslos für die Entscheidung ist der Umstand, daß Kläger angeblich seine aus dem Vertrag sich ergebenden Verpflichtungen verletzt habe, indem er eine Konkurrenzzeitschrift unterstützt und die Zeitschrift des Beklagten angegriffen habe, denn diese Umstände hätten den Beklagten nur möglicherweise zur sofortigen Lösung des Vertragsverhältnisses oder zum Schadenersatz berechtigt, nicht aber dazu, nach Auflösung des Vertrages den Zeitungstitel weiter zu verwenden, was allein Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist.

Auch dem von den Unterinstanzen festgestellten, von der Revision bekämpften Umstand, daß Beklagter die während der Vertragsdauer erschienenen Jahrgänge der "M.-Nachrichten" fortlaufend als 35. bis 38. Jahrgang bezeichnet hat, kommt keine entscheidende Bedeutung zu, weil Beklagter, mag er nun während der Vertragsdauer mit Recht oder Unrecht seine Zeitschrift als Fortsetzung der seinerzeit vom Kläger herausgegebenen bezeichnet haben, heute nach Beendigung des Vertrages, den beanstandeten Titel jedenfalls nicht mehr benützen darf, da er sonst nicht nur dem Vertrag (Punkt 4) zuwiderhandeln, sondern auch § 9 UWG. übertreten würde.

Die Annahme des Beklagten, § 9 UWG. setze voraus, daß Kläger derzeit ein Wettbewerbsunternehmen tatsächlich betreibt, ist verfehlt; es genügt, daß er sein Unternehmen nur vorübergehend infolge der politischen Verhältnisse eingestellt hat und beabsichtigt, sobald es die Verhältnisse wieder gestatten, den Betrieb wieder aufzunehmen. Übrigens ist es im vorliegenden Fall gleichgültig, ob Kläger derzeit diese Absicht hat oder nicht, da er jedenfalls schon auf Grund des Vertrages die Unterlassung begehren kann. Daß er aber die Absicht, die "M.-Nachrichten" wieder herauszugeben, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hatte, haben die Unterinstanzen mit Recht aus Punkt 4 gefolgert.

Auch von einer Sittenwidrigkeit des Begehrens kann keine Rede sein. Beklagter hat durch den Vertrag das Recht erworben, während der Dauer des Vertragsverhältnisses den Titel "M.-Nachrichten" für seine Zeitschrift zu verwenden. Es kann nicht als sittenwidrig bezeichnet werden, wenn der Kläger für die Einräumung dieses Rechtes sich eine Geldentschädigung ausbedungen hat. Da Beklagter als Verleger Kaufmann ist, so kann er auch nicht geltend machen, daß er bei dem Vertrag ungünstig abgeschnitten oder mehr als das Doppelte des Wertes des Titels gezahlt hat. Daß Kläger ihn zum Abschluß des Vertrages gezwungen oder ihn irregeführt habe, konnte er gar nicht behaupten. Übrigens würde Zwang und Irreführung ihn nur berechtigen, Schadenersatz oder Aufhebung des Vertrages zu verlangen, nicht aber zu dem Begehren, nach Aufhebung des Vertrages den Zeitungstitel entschädigungslos weiter zu verwenden.

Die Rechtsrüge ist demnach nicht begrundet.

Anmerkung

Z25001

Schlagworte

Name einer Zeitung, Schutz, Titel, Schutz des - einer Zeitung, Unlauterer Wettbewerb Schutz von Zeitungstiteln, Zeitung, Schutz des Titels

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00885.51.0104.000

Dokumentnummer

JJT_19520104_OGH0002_0010OB00885_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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