TE OGH 1952/2/20 1Ob131/52

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Veröffentlicht am 20.02.1952
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Norm

ZPO §60 (2)

Kopf

SZ 25/45

Spruch

Der Paupertätseid kann auch vor einem ausländischen Gericht abgelegt werden. Auf die Einhaltung der Gegenseitigkeit kommt es hiebei nicht an.

Entscheidung vom 20. Februar 1952, 1 Ob 131/52.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes wurde über Antrag der beklagten Partei dem Kläger aufgetragen, eine Sicherheitsleistung für Prozeßkosten in der Höhe von 10.000 S zu erlegen oder die Unfähigkeit zum Erlag eidlich zu bekräftigen (§§ 57, 60 ZPO.).

Innerhalb der im Sinne des § 60 Abs. 1 ZPO. gesetzten Frist hat der Kläger gemäß § 60 Abs. 2 ZPO. um Anberaumung einer Tagsatzung zum Zwecke der eidlichen Bekräftigung seiner Unfähigkeit zum Erlag der Sicherheitssumme angesucht und es dem Erstgericht anheimgestellt, im Hinblick auf seinen Wohnsitz in den USA. bei Ablegung des Eides nach dem Rechtshilfeerlaß vom 30. März 1932, JABl. 21, vorzugehen oder ihm den Auftrag zu erteilen, eine notarielle Bestätigung über den vor einem amerikanischen Notar abzulegenden Eid beizubringen.

Das Prozeßgericht hat den Antrag des Klägers, den Eid in San-Francisco abzulegen, abgewiesen, da es an der formellen Gegenseitigkeit fehle und der Paupertätseid vor dem Gericht des Wohnsitzes abzulegen sei.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Rekurs erhoben, wobei gleichzeitig eine notarielle Urkunde über die Ablegung des Paupertätseides vom 5. November 1951 vorgelegt wurde.

Das Rekursgericht hat dem Rekurs Folge gegeben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses dem Erstgericht aufgetragen, wegen Ablegung des Paupertätseides des Klägers bei dem Gerichte seines Wohnsitzes im Sinne des § 8 des Rechtshilfeerlasses vom 30. März 1932, JABl. 21, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Wenn auch - so führte das Rekursgericht aus - die obzitierte notariell beglaubigte Urkunde vom 5. November 1951 in keiner Weise der im Art. XL E. G. z. ZPO. vorgesehenen Eidesform entspreche, da hiedurch nur die Vermögenslosigkeit bescheinigt worden sei, die Urkunde sich aber nicht als eine eidliche Bekräftigung über die Unfähigkeit zum Erlag der Sicherheitssumme darstelle, so wäre mit Rücksicht auf den Antrag des Klägers die Eidesleistung im Sinne des Rechtshilfeerlasses 1932 einzuleiten gewesen.

Nach dem Wortlaut des § 60 Abs. 2 ZPO. sei dieser Eid beim Gericht des Wohnsitzes oder des Aufenthaltsortes des Klägers zu leisten, wobei es keinen Unterschied mache, ob der Kläger im Inland oder im Ausland seinen Wohnsitz oder Aufenthalt habe.

Die Frage des Ortes der Eidesleistung nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit so zu lösen wie die der Sicherheit für die Prozeßkosten im Sinne des § 57 Abs. 2 Z. 1 ZPO. lasse aber die Bestimmung des § 60 Abs. 2 ZPO. nicht zu, da der in Geltung stehende Rechtshilfeerlaß vom 30. März 1932, JABl. 21, in der Bestimmung des § 8 ausdrücklich die Möglichkeit der eidlichen Parteienvernehmung durch die zuständigen amerikanischen Behörden vorsehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei, dem der Oberste Gerichtshof nicht Folge gab.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 57 Abs. 1 ZPO. haben Ausländer, die vor einem österreichischen Gericht als Kläger auftreten, grundsätzlich dem Beklagten auf dessen Verlangen für die Prozeßkosten Sicherheit zu leisten, sofern nicht durch Staatsverträge etwas anderes festgesetzt ist. Eine solche Verpflichtung tritt nach § 57 Abs. 2 Z. 1 ZPO. auch dann nicht ein, wenn nach den Gesetzen des Staates, dem der Kläger angehört, österreichische Staatsangehörige im gleichen Falle zur Sicherheitsleistung für Prozeßkosten nicht verpflichtet sind.

Nach dieser Bestimmung hat daher für die Frage, ob der Kläger eine Sicherheitsleistung für Prozeßkosten zu leisten hat oder hievon befreit ist, das Vorhandensein der materiellen Gegenseitigkeit (SZ. XXII/18) eine entscheidende Rolle zu spielen. Doch bietet das Gesetz keine Handhabe, die Frage des Ortes der Eidesleistung nach demselben Grundsatz der Gegenseitigkeit zu lösen.

Abgesehen von dem Wortlaut der Bestimmung des § 60 ZPO., der sich auf diesen Grundsatz gar nicht bezieht, muß davon ausgegangen werden, daß im Falle der Gegenseitigkeit der Kläger von der Sicherheitsleistung für Prozeßkosten befreit ist und es daher in diesem Falle gar nicht zur Ablegung eines Paupertätseides kommen kann. Für den Ort der Eidesleistung kann daher die Frage des Bestehens der materiellen oder formellen Gegenseitigkeit überhaupt nicht von entscheidender Bedeutung sein.

Wenn im § 60 Abs. 2 ZPO. bestimmt wird, daß die Ablegung des Eides bei dem Gericht des Wohnsitzes oder Aufenthaltes des Klägers erfolgen kann, so ergibt die vernünftige Auslegung dieser Gesetzesstelle, daß der Kläger nicht verhalten werden soll, den Eid vor dem Prozeßgericht abzulegen, sondern daß er auch das Recht hat, den Eid vor dem Gericht seines Wohnsitzes oder Aufenthaltes abzulegen. Aus der ganz allgemeinen Fassung des § 60 ZPO. muß aber geschlossen werden, daß unter den in dieser Gesetzesstelle angeführten Gerichten nicht nur die inländischen, sondern auch die ausländischen Gerichte gemeint sind, da sonst der Gesetzgeber eine Einschränkung hätte machen müssen.

Wenn daher in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 6. September 1951, Ev. Bl. 1951 Nr. 471, unter Bezug auf Pollak, System, 2. Aufl., S. 181, der gegenteilige Standpunkt vertreten wird, so muß zunächst darauf verwiesen werden, daß Pollak die Gerichte des Wohnsitzes oder Aufenthaltes dem Prozeßgericht gegenüberstellt und keineswegs zwischen inländischen und ausländischen Gerichten unterscheidet.

Es ist im übrigen auch nicht einzusehen, warum der im Ausland sich aufhaltende Ausländer als Kläger im Sinne dieser Bestimmung schlechter gestellt werden sollte als der Ausländer, der im Inland seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat.

Aus diesen Gründen ist daher der Oberste Gerichtshof der Ansicht, daß der Frage der Gegenseitigkeit für den Ort der Eidesleistung keine entscheidende Bedeutung zukommt und auch der im Ausland lebende Ausländer vor dem Gericht seines Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes den Paupertätseid leisten kann.

Die in der Entscheidung 2 Ob 473/34, AnwZ. 1934 S. 419, zum Ausdruck gebrachte Rechtsmeinung wird daher nicht mehr aufrecht erhalten.(

Wenn schließlich die Revisionsrekurswerberin noch ausführte, daß der Kläger mit Rücksicht auf seinen Aufenthalt in Zürich und Kalifornien in der Lage sei, die auferlegte Sicherheit zu leisten und daher zur Eidesleistung überhaupt nicht zuzulassen sei, so ist zu erwidern, daß die Zivilprozeßordnung in der Bestimmung des § 60 Abs. 1 ZPO. es dem Kläger ausdrücklich freistellt, ob er die Sicherheitssumme leisten oder den Eid ablegen will. Aus diesem Wortlaut ergibt sich daher, wie der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen GH. 1931 S. 85, SZ. XII/129, Rspr. 1931 Nr. 35, zum Ausdruck gebracht hat, daß eine Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Eidesleistung vorliegen, nicht stattzufinden hat und eine Abwehr der unrichtigen Angaben bei der Eidesleistung nur auf strafrechtlichem Weg erfolgen kann.

Aus diesen Erwägungen war daher dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z25045

Schlagworte

Aktorische Kaution, Ablegung des Paupertätseides im Ausland, Ausland, Ablegung des Paupertätseides im -, Gegenseitigkeit bei Paupertätseid unerheblich, Paupertätseid, Ablegung im Ausland, Prozeßkostensicherheit, Ablegung des Paupertätseides im Ausland

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00131.52.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19520220_OGH0002_0010OB00131_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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