TE OGH 1952/3/19 3Ob169/52

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Veröffentlicht am 19.03.1952
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Norm

ABGB §367
ZPO §268

Kopf

SZ 25/70

Spruch

Auf herausgelockte Sachen ist § 367 ABGB. nicht anwendbar.

Ein verurteilendes strafgerichtliches Erkenntnis hat bindende Wirkung, auch wenn daraus Ansprüche gegen einen Dritten abgeleitet werden.

Entscheidung vom 19. März 1952, 3 Ob 169/52.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrt die Verurteilung aller vier Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 30.273 S s. A. mit folgender Begründung: Otto St. habe dem Kläger als dem Eigentümer von 1638.40 kg englischem Cacao im Werte von 37.273.60 S diese Ware betrügerisch herausgelockt und sie den Beklagten verkauft, die beim Erwerb der Ware in grob fahrlässiger Weise vorgegangen seien und die Ware um einen Schleuderpreis von Otto St. erworben hätten. Die Beklagten hätten die ganze Ware, an der sie kein Eigentum erworben hätten, weiter veräußert, so daß deren Rückstellung nicht möglich sei und die Beklagten volle Genugtuung zu leisten hätten. Der dem Kläger entstandene Schaden betrage abzüglich einer teilweisen Schadensgutmachung 30.273.60 S.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Kläger mit St. in der Weise in Geschäftsverbindung stand, daß er dem St. Ware zum kommissionsweisen Verkauf übergab. Der Kläger übergab nach den Feststellungen des Prozeßgerichtes am 15. Juli 1949 das gegenständliche Quantum Cacao dem Otto St. in Kommission mit der Vereinbarung, daß Otto St. den Kaufpreis von 22.75 S je Kilogramm bis längstens 18. Juli I949 an den Kläger abführe. Otto St. verkaufte die Ware am gleichen Tage einem Dr. M. und erhielt von diesem den Kaufpreis, den er aber nicht dem Kläger abführte, sondern für sich behielt. Dr. M. verkaufte im eigenen Namen und für eigene Rechnung 28 Kisten Cacao um 20.50 S je Kilogramm den Beklagten am 18. Juli 1949. Die Ware wurde den Beklagten am 19. Juli 1949 geliefert, die gleich vier Kisten weiterverkauften. Erst am 20. Juli 1940 erfolgte bei der beklagten Partei eine vom Kläger veranlaßte polizeiliche Sicherstellung der noch vorhandenen Kisten, die aber nachträglich vom Landesgericht für Strafsachen aufgehoben wurde, wobei der Kläger mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde. Der restliche Cacao wurde daraufhin von den Beklagten weiter veräußert. Das Prozeßgericht stellte weiters fest, daß Otto St. vom Landesgericht für Strafsachen wegen Verbrechens des Betruges zu fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt wurde, wobei das Strafgericht von der Ansicht ausging, daß Otto St. schon bei der kommissionsweisen Übernahme der Ware die Absicht gehabt habe, die Ware unter dem festgesetzten Preis zu verkaufen und den Erlös für sich zu behalten. Es stellte schließlich fest, daß nach dem Gutachten des vernommenen Sachverständigen aus dem Preise von 20.50 S je Kilogramm nicht ersichtlich war, daß es sich um gestohlene oder veruntreute Ware handle. Nach Ansicht des Prozeßgerichtes sei kein Beweis erbracht, daß dem Beklagten beim Erwerb der gute Glaube gemangelt habe; durch die wieder aufgehobene polizeiliche Sicherstellung sei auch der gute Glaube nicht verlorengegangen und es habe auch der Rechtsvorgänger der Beklagten Dr. M. Eigentum im Sinne des § 367 ABGB. erworben. Die Unterstellung des Tatbestandes durch das Strafgericht unter die Bestimmung der §§ 197 ff. StG. habe auf die Frage des Eigentumserwerbes des Dr. M. keinen Einfluß, weil die Bindung an das Erkenntnis des Strafgerichtes nur so weit gehe als es sich um die Person des Verurteilten, also des Otto St., handle. Aber selbst wenn Dr. M. nicht Eigentum erworben habe, weil die Ware nicht veruntreut, sondern herausgelockt worden war, sei die beklagte Partei doch als redliche Besitzerin anzusehen und habe als solche über den Cacao verfügt, sie hafte daher nach § 329 ABGB. nicht für dessen Verlust.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es vertrat die Ansicht, daß die Ware dem Otto St. als Kommissionsware zum Verkauf anvertraut gewesen sei und daß der vom Strafgericht festgestellte Betrug sich nicht auf das Herauslocken der Ware, sondern nur auf die Zusage der Gegenleistung beziehe und daher ein Anvertrauen nicht ausschließe; Dr. M. habe daher Eigentum an dem Cacao im guten Glauben gemäß § 367 ABGB. erworben und dieses auf die Beklagten übertragen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und trug dem Prozeßgericht die Verfahrensergänzung und die neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Mai 1950 wurde Otto St. unter anderem schuldig erkannt, sich im Juli 1949 hinter dem falschen Scheine eines redlichen Geschäftsmannes verborgen und durch listige Vorstellungen und Handlungen, und zwar dadurch, daß er vorgab, den Erlös für zum kommissionsweisen Verkauf zu übernehmenden Cacao binnen kurzem abzuliefern, den Oswald N. in Irrtum geführt zu haben, wodurch Oswald N. einen Schaden von über 5000 S erleiden sollte und durch Ausfolgung von Cacao im Werte von 36.864 S tatsächlich erlitten hat. In den Urteilsgrunden wird festgestellt, daß Otto St. bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäftes nicht die Absicht gehabt habe, entsprechend den getroffenen Vereinbarungen vorzugehen, und daß er dem Oswald N. vorspiegelte, die Ware zu einem entsprechenden Preise zu verkaufen und den Verkaufserlös sofort abzuliefern, während er in Wahrheit die Absicht hatte, die Ware unter dem festgesetzten Preis zu verkaufen und den Erlös für eigene Zwecke zu verwenden, und daß sich erst durch diese Täuschung Oswald N. (Kläger) dazu bewegen ließ, den Cacao dem Otto St. auszufolgen, was er nicht getan hätte, wenn ihm die wahre Absicht des Otto St. bekannt gewesen wäre. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung bilden Spruch und Gründe des Strafurteiles eine Einheit und erstreckt sich die Bindung des Zivilrichters gemäß § 268 ZPO. auf den vom Strafgericht festgestellten Sachverhalt, der den strafbaren Tatbestand bildet. Einem strafgerichtlichen Urteile kommt in dem Umfang, als darin ein strafbarer Tatbestand festgestellt worden ist, insofern bindende Wirkung zu, als die strafbare Handlung erwiesen und einer bestimmten Person zuzurechnen ist und ein kausaler Zusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und dem zugefügten Schaden besteht. Dem strafgerichtlichen Erkenntnis kommt entgegen der Ansicht des Prozeßgerichtes nicht nur gegen den Verurteilten, sondern auch gegen jeden Dritten, gegen den im Zusammenhang mit der dem Strafurteil zugrunde gelegenen Handlung des Verurteilten Ansprüche geltend gemacht werden, im oberwähnten Umfange bindende Wirkung zu (1 Ob 774/51, 4 Ob 78/50, 2 Ob 324/51 u. a. m.).

Nun hat aber, wie bereits erwähnt, das strafgerichtliche Urteil ausdrücklich festgestellt, daß Otto St. die Ware dem Kläger herausgelockt hat, indem er diesen durch die Vorspiegelung, er werde die Ware zu einem entsprechenden Preis verkaufen und den Verkaufserlös zugleich abliefern, dazu veranlaßte, ihm die Ware auszufolgen, was der Kläger nicht getan hätte, wenn ihm die wahre Absicht des Otto St. bekannt gewesen wäre. Das Strafgericht hat also nicht angenommen, daß der Cacao dem Otto St. anvertraut worden sei, sondern daß Otto St. diesen dem Kläger in betrügerischer Weise herausgelockt habe. An diese Feststellung ist der Zivilrichter gemäß § 268 ZPO. gebunden. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der vom Strafgericht festgestellte Betrug beziehe sich nicht auf das Herauslocken der Ware, sondern nur auf die Zusage der Gegenleistung und schließe daher ein Anvertrauen der Ware nicht aus, ist rechtsirrig, da das Strafgericht ausdrücklich festgestellt hat, daß die Ware dem Otto St. nicht anvertraut wurde, sondern daß Otto St. diese dem Kläger in betrügerischer Absicht herausgelockt habe. Nach Lehre und Rechtsprechung haben aber die Bestimmungen des § 367 ABGB. nur auf anvertraute, nicht aber auf herausgelockte Sachen Anwendung zu finden. Da weiters nach den Feststellungen der Vorinstanzen weder Otto St. noch Dr. M. einen Gewerbeschein für den Handel mit Lebens- und Genußmitteln oder einen sonstigen Gewerbeschein besitzen, kommt auch die weitere Voraussetzung des § 367 ABGB., der Erwerb von einem zu diesem Verkehr befugten Gewerbsmann, den Beklagten nicht zugute. Es haben daher weder Dr. M. noch die Beklagten Eigentum an dem gegenständlichen Cacao erworben.

Nun handelt es sich aber im vorliegenden Fall nicht um eine Eigentums-, sondern um eine Schadenersatzklage. Wäre daher Dr. M. oder die beklagten Parteien redlicher Besitzer der Ware gewesen, so könnten sie, da sie diese im Zeitpunkte der Klagszustellung bereits weiter veräußert hatten, dem Kläger gegenüber nicht ersatzpflichtig werden, da der redliche Besitzer die Sache, die er besitzt, ohne Verantwortung nach Belieben brauchen, verbrauchen, vernichten und daher auch veräußern kann (§ 329 ABGB.). Darüber, ob die Beklagten bzw. Dr. M. redliche Besitzer waren, haben aber die Vorinstanzen keine hinlänglichen Feststellungen getroffen. Das Prozeßgericht hat zwar festgestellt, daß die Ware von Dr. M. und den Beklagten mittels Handkaufes ohne Fakturen erworben wurde und daß der Kauf von 28 Kisten Cacao für einen Lebensmittelgroßhandel nicht als großes Geschäft bezeichnet werden könne, beide Instanzen haben sich aber nicht damit befaßt, daß nach dem Gutachten des vernommenen Sachverständigen Cacao nur im Wege eines Kompensationsgeschäftes erhältlich war, daß der Importeur nach einer Verordnung des Innenministeriums eine Auflage hinsichtlich der Verwendung oder des Preises zu leisten hatte, daß bei einem normalen Verkauf aus einem Kompensationsgeschäft sogar die Verzollung auf der Faktura vermerkt sein mußte und daß bei einem außerhalb einer solchen Transaktion getätigten Geschäfte jeder Käufer aus der Branche ein Risiko, auch hinsichtlich der Besitzverhältnisse, einging. Nach dem Gutachten des Sachverständigen wurde dieses Risiko von einer vorsichtigen Firma dadurch verkleinert, daß sie kleinere Handkäufe tätigte. Dieses Gutachten dürfte das Prozeßgericht dazu veranlaßt haben, anzunehmen, daß beim Ankauf einer nicht großen Menge dem Erwerber die Redlichkeit zugebilligt werden müsse. Dabei hat aber das Prozeßgericht das Gutachten mißverstanden, da aus diesem hervorgeht, daß der Erwerber beim Ankauf von Cacao außerhalb eines Kompensationsgeschäftes und ohne Faktura ein Risiko einging, indem er unter Umständen die Ware vom Nichteigentümer kaufte, und daß dieses Risiko von vorsichtigen Firmen dadurch verkleinert zu werden pflegte, daß nur geringe Mengen gekauft wurden. Da gemäß § 326 ABGB. nur derjenige redlicher Besitzer ist, der aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält, nicht aber derjenige, der aus den Umständen vermuten muß, daß die in seinem Besitz befindliche Sachen einem anderen gehöre, wären die Untergerichte verpflichtet gewesen, sich mit dem ganzen Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen und festzustellen, ob Dr. M. und die Beklagten trotz des Umstandes, daß sie den Cacao außerhalb eines Kompensationsgeschäftes, ohne Fakturen- oder Lieferscheine zu einem unter dem wahren Wert gelegenen Preise kauften, der Meinung sein konnten, daß sie an der Ware Eigentum erworben hätten.

Im Hinblick auf diesen Feststellungsmangel ist die Sache nicht spruchreif.

Anmerkung

Z25070

Schlagworte

Bindung des Zivilrichters an Strafurteil, Eigentumserwerb, nach § 367 ABGB., herausgelockte Sachen, Redlichkeit, § 367 ABGB., Strafurteil, Bindung im Zivilprozeß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0030OB00169.52.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19520319_OGH0002_0030OB00169_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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