TE OGH 1952/6/4 2Ob377/52

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Veröffentlicht am 04.06.1952
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Norm

Reichsversicherungsordnung §899

Kopf

SZ 25/153

Spruch

Für die Frage, ob eine Person den Schutz des § 899 RVO. genießt, ausschließlich deren Stellung als Bevollmächtigter usw. maßgebend, nicht jedoch die Tatsache ihrer Tätigkeit im Zeitpunkte des Unfalles.

Entscheidung vom 4. Juni 1952, 2 Ob 377/52.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger ist am 2. Juli 1949 bei einer Fahrt in einem Kraftwagen, der vom Zweitbeklagten gelenkt wurde und im Eigentum des Johann S. stand, verunglückt. Wegen dieses Unfalles sind der Zweitbeklagte und der Lenker eines anderen Kraftwagens der Übertretung des § 335 StG. schuldig erkannt worden. Der Verunglückte brachte gegen die Verlassenschaft nach dem später gestorbenen Johann S. und den Lenker eine Schadenersatzklage ein.

Das Prozeßgericht schränkte das Verfahren über das Schadenersatzbegehren des Klägers auf den Grund des Anspruches ein und erkannte, daß der Schadenersatzanspruch gegenüber der Verlassenschaft dem Gründe nach nicht zu Recht bestehe, daß er jedoch gegenüber dem Zweitbeklagten berechtigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das sowohl vom Kläger als auch vom Zweitbeklagten angefochtene Zwischenurteil.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte das berufungsgerichtliche - nur vom Zweitbeklagten angefochtene - Urteil.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Prozeßgerichtes ist der Kläger am 1. Juli 1949 von der Gattin des Johann S., Franziska S., die selbständig eine Gemischtwarenhandlung betreibt und damals einen Neubau aufführen ließ, als Hilfsarbeiter für diesen Neubau aufgenommen und zur Sozialversicherung angemeldet worden. Johann S. war Zimmermeister und bediente sich bei Arbeiten in seinem Betriebe gelegentlich der Angestellten seiner Gattin; diese war damit einverstanden und nahm fallweise ihrerseits auch Angestellte ihres Mannes zu Dienstleistungen in Anspruch. Am 2. Juli 1949 sollte für den Betrieb des Johann S. mit zwei Lastkraftwagen, von denen einer ihm gehörte, der andere von ihm gemietet war, Altblech aus Wien geholt werden; mit der Aufgabe, den Transport durchzuführen und zu beaufsichtigen, war der Zweitbeklagte, ein Stiefsohn des Johann S., beauftragt. Neben anderen Arbeitern der Franziska S. nahm auch der Kläger an dieser Fahrt teil, ohne jedoch zu wissen, daß ihn seine Dienstgeberin ihrem Gatten zur Verfügung gestellt habe. Auf der Rückfahrt hatte der Lastkraftwagen Johann S.'s eine Panne, die zur Folge hatte, daß er die Fahrt nicht mehr fortsetzen konnte und daß das auf ihm befindliche Blech auf den gemieteten Lastkraftwagen umgeladen wurde. Mit der Ankunft in A. war der Transport beendet und wurde die Ladung dort gelöscht. Der Zweitbeklagte ersuchte nunmehr telephonisch seinen Stiefvater, einen anderen Kraftwagen zu schicken, damit er und die Arbeiter heimfahren könnten. Johann S. ließ daraufhin durch Walter St. seinen Personenkraftwagen nach A. bringen. Die beim Transport beschäftigt gewesenen Arbeiter, darunter der Kläger, nahmen im Wagen Platz, der Zweitbeklagte übernahm die Lenkung und fuhr bald darauf mit einem auf der Straße stehenden Lastkraftwagen zusammen. Hiebei wurde der Kläger schwer verletzt.

Das Prozeßgericht hat mit Billigung des Berufungsgerichtes dem Klagsanspruch, soweit er gegen die Verlassenschaft nach Johann S. geltend gemacht worden ist, mit dem Hinweis auf die Bestimmung des § 898 RVO. die Berechtigung versagt, wobei es davon ausgegangen ist, daß der Kläger sowohl bei der Fahrt nach Wien und zurück bis A. als auch bei der anschließenden Fahrt im Personenkraftwagen im Unternehmen des Johann S. beschäftigt gewesen sei; das Berufungsgericht hat die beschränkte Haftung des Unternehmers nach § 898 RVO. nicht nur gegenüber Verunglückten, die bei ihm auf Grund eines Arbeits-, Dienst- oder Lohnverhältnisses beschäftigt sind, sondern auch gegenüber Verunglückten angenommen, die nur vorübergehend tätig sind. Da der Kläger das Urteil des Berufungsgerichtes unangefochten gelassen hat, kann die von diesem vertretene Rechtsansicht und ihre Auswirkung auf den Klagsanspruch gegenüber der erstbeklagten Partei vom Revisionsgericht nicht mehr überprüft werden.

Hinsichtlich des Zweitbeklagten hat das Berufungsgericht zwar die Begründung des Prozeßgerichtes, daß der Stellvertreter des Unternehmers und seine Betriebsgehilfen grundsätzlich schadenersatzpflichtig seien, abgelehnt, seine unbeschränkte Haftung jedoch daraus abgeleitet, daß er im Zeitpunkt des Unfalles weder als Bevollmächtigter und Repräsentant des Unternehmens, noch als Betriebs- und Arbeiteraufseher tätig gewesen sei und daher nicht nach § 898 RVO. begünstigt sei. Mag auch der vom Revisionswerber vertretenen Rechtsansicht beigepflichtet werden, daß die Beantwortung der Frage, wer den Schutz nach dieser Gesetzesstelle genieße, nicht davon abhänge, ob die dort genannten Personen im Zeitpunkt des Unfalles als Bevollmächtigte usw. tätig gewesen seien, sondern daß es ausschließlich auf die Stellung als Bevollmächtigter usw. ankomme, um sie bereits des Schutzes des § 899 RVO. teilhaftig werden zu lassen, so ist damit für den Revisionswerber nichts gewonnen; denn flach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Prozeßgerichtes war der Zweitbeklagte nur mit der Aufgabe, den Transport des Altbleches durchzuführen und zu beaufsichtigen, beauftragt und dieser Auftrag in A. beendet. Damit war aber auch seine Stellung als Arbeiteraufseher zu Ende, so daß sich der Unfall, den der Zweitbeklagte mitverschuldet hat, nicht mehr zu einer Zeit ereignet hat, als er Arbeiteraufseher war. Die in der Revision erwähnten Beispiele treffen nicht den Kern der Rechtsfrage: Ein Baumeister bleibt Unternehmer, auch wenn er seinen Arbeitern beim Ziegelschupfen behilflich ist, wie auch ein Baupolier Arbeiter- oder Betriebsaufseher bleibt, selbst wenn er einen Zementsack fallen läßt; die Unfälle, die von diesen Personen hiebei verschuldet worden sind, sind jedenfalls während des Betriebes und ohne Beeinträchtigung ihrer Stellung als Unternehmer oder - stellvertreter ausgelöst worden. Da der Zweitbeklagte schon nach den vorstehenden Ausführungen den Schutz des § 899 RVO. nicht beanspruchen kann, erübrigt sich eine Erörterung der Frage, ob die in den §§ 898, 899 RVO. verfügte Haftungsbeschränkung gegenüber Angestellten, die von ihrem Dienstgeber einem anderen Betrieb nur vorübergehend zur Verfügung gestellt sind und in diesem einen Arbeitsunfall erleiden, dem Unternehmer oder den in § 899 RVO. genannten Personen des anderen Betriebes überhaupt zustatten kommt.

Anmerkung

Z25153

Schlagworte

Arbeitsunfall, Stellung als Bevollmächtigter nach § 899 RVO., Bevollmächtigter im Sinne der RVO., Dienstunfall, Stellung als Bevollmächtigter nach § 899 RVO., Haftungsausschluß nach § 899 RVO., Bevollmächtigter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0020OB00377.52.0604.000

Dokumentnummer

JJT_19520604_OGH0002_0020OB00377_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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