TE OGH 1952/10/25 2Ob551/52

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Veröffentlicht am 25.10.1952
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Norm

Ehegesetz §15
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §6
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §9

Kopf

SZ 25/285

Spruch

Anerkennung diplomatischer oder konsularischer Eheschließungen grundsätzlich nur beim Vorhandensein eines Staatsvertrages. Beurteilung der Ehelichkeit eines Kindes aus einer derartigen Ehe nach dem Recht des Staates, dem der Vater zur Zeit der Geburt des Kindes angehört, oder, wenn er vor dessen Geburt gestorben ist, zuletzt angehört hat.

Entscheidung vom 25. Oktober 1952, 2 Ob 551/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Ein bulgarischer Staatsangehöriger hat mit einer Österreicherin am 30. September 1950 vor der bulgarischen Gesandtschaft in Wien, nicht aber auch vor dem österreichischen Standesamt die Ehe geschlossen; am 30. Oktober 1950 ist aus dieser Verbindung ein Kind geboren worden.

Das Erstgericht hat den Antrag des Standesamtes auf Berichtigung des Geburtseintrages (eheliche Geburt) abgewiesen.

Das Rekursgericht hat dem Antrag des Standesamtes stattgegeben.

Der Oberste Gerichtshof hat den erstgerichtlichen Beschluß wiederhergestellt.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht hat zwar zutreffend angenommen, daß der Begriff der Exterritorialität sich im wesentlichen auf eine persönliche Immunität des Gesandten und des Gesandtschaftspersonals beschränkt und daß eine im Gesandtschaftsgebäude eines fremden Staates geschlossene Ehe tatsächlich im Inland und nicht im Ausland geschlossen ist. Demnach werden diplomatische oder konsularische Ehen für den inländischen Rechtsbereich grundsätzlich nicht anerkannt, weil der Vorschrift des § 6 Punkt 3 der vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz nicht entsprochen ist. Eine andere Beurteilung könnte nur dann Platz greifen, wenn im Verhältnis zu Bulgarien die diplomatische oder konsularische Eheschließung durch Staatsvertrag zugelassen wäre. Da dies nicht der Fall ist, hat das Rekursgericht zutreffend festgestellt, daß der minderjährige N. von einer nach österreichischem Recht unverehelichten Frau geboren wurde (vgl. Walker, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., S. 648 ff.; Nußbaum, Deutsches Internationales Privatrecht, 1932, S. 142 ff., und Pfundtner - Neubert II b 12, S. 203).

Doch ist damit die Frage der Ehelichkeit des Kindes noch nicht gelöst, denn § 9 der vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz besagt nur, daß die eheliche Abstammung eines Kindes dann nach den österreichischen Gesetzen zu beurteilen ist, wenn der Ehemann der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes die österreichische Staatsanhörigkeit besitzt. Eine Vorschrift, nach welchen Gesetzen die eheliche Abstammung zu beurteilen ist, wenn der Ehemann der Mutter Ausländer ist, oder welches Recht bei Prüfung der Voraussetzungen anzuwenden ist, unter denen Kinder aus nichtiger Ehe die rechtliche Stellung ehelicher Kinder haben, besteht nicht.

Daß in diesen Fällen nur das Recht des vermeintlichen Ehemannes, also das väterliche Personalstatut entscheidend ist, kann allerdings nicht aus dem § 9 der vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz abgeleitet werden, der ja gerade den Bestand einer Ehe voraussetzt; doch ist dieser Grundsatz in der im internationalen Privatrecht anerkannten Regel festgelegt, daß die Ehelichkeit eines Kindes nach dem Recht jenes Staates beurteilt wird, dem der Vater zur Zeit der Geburt des Kindes angehört oder, wenn er vor dessen Geburt gestorben ist, zuletzt angehört hat (vgl. Walker, 5. Aufl., S. 777; Nußbaum, 1932, S. 141 und 172; Frankenstein, Internationales Privatrecht, I. Band, S. 235 ff., und IV. Band, S. 12 ff.; Lewald, Das Internationale Privatrecht, S. 130; Raape - Staudinger, VI. Band, S. 456; Pacchioni, Diritto internazionale privato, S. 280; Roucek - Sedlacek zu § 37 ABGB.; Arminjon, Revue de droit international prive, 1929, S. 424).

Nach dem im internationalen Privatrecht anerkannten Grundsatz ist also die Frage der Ehelichkeit des minderjährigen N. nach bulgarischem Recht zu beurteilen.

Gemäß Art. 30 des bulgarischen Gesetzes vom 9. August 1949, Staatsanzeiger Nr. 182, über die Personen und die Familie kann, wenn ein bulgarischer Staatsbürger im Ausland eine Ehe schließt, die Ehe vor dem konsularischen oder diplomatischen Vertreter geschlossen werden. Die von Nicolai K. mit Theresia Sch. am 30. September 1950 geschlossene Ehe ist daher nach bulgarischem Recht in gültiger Form abgeschlossen worden, so daß der am 30. Oktober 1950 geborene minderjährige N., ungeachtet der Ungültigkeit dieser Ehe für den Bereich der Republik Österreich, nach bulgarischem Recht ein eheliches Kind ist und somit zutreffend als eheliches Kind in das Geburtenbuch eingetragen wurde.

Anmerkung

Z25285

Schlagworte

Ausländer, Anerkennung diplomatischer oder konsularischer, Eheschließungen, Bulgarien, Anerkennung diplomatischer oder konsularischer, Eheschließungen, Bulgarien Ehelichkeit eines Kindes aus konsularisch geschlossener Ehe, Ehelichkeit eines Kindes aus diplomatisch oder konsularisch, geschlossener Ausländerehe, Eheschließung vor diplomatischen oder konsularischen Behörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0020OB00551.52.1025.000

Dokumentnummer

JJT_19521025_OGH0002_0020OB00551_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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