TE OGH 1952/11/5 2Ob812/52

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Veröffentlicht am 05.11.1952
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Norm

ABGB §1295 (1)
ABGB §1304
ABGB §1311
Straßenpolizeigesetz §14 (1)
Straßenpolizeigesetz §17

Kopf

SZ 25/292

Spruch

Voraussetzung für die Beachtung des Vorranges ist, daß ein von rechts kommendes Fahrzeug überhaupt erblickt wird. Ist dieses im Zeitpunkte der Anfahrt an die Straßeneinmundung noch nicht wahrnehmbar, so trifft den Fahrer des nicht den Vorrang habenden Fahrzeuges kein Verschulden.

Entscheidung vom 5. November 1952, 2 Ob 812/52.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Der auf einem Motorrad fahrende Kläger ist an einer Straßenkreuzung mit dem dem Beklagten gehörenden und von ihm gelenkten Lastkraftwagen zusammengestoßen und hiebei schwer verletzt worden. Er begehrte die Verurteilung des Beklagten, der vom Strafgericht rechtskräftig der Übertretung des § 335 StG. schuldig erkannt worden war, zum Schadenersatz.

Das Prozeßgericht sprach dem Kläger zwei Drittel des festgestellten Schadens zu.

Das Berufungsgericht änderte das von beiden Parteien bekämpfte erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es den Beklagten zur Zahlung von vier Fünfteln des dem Kläger erwachsenen Schadens verpflichtete.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte das nur mehr vom Beklagten bekämpfte Urteil des Berufungsgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Prozeßgerichtes hat der Beklagte die Einfahrt in die M ... -straße nicht im weiten Bogen genommen, sondern die Kurve geschnitten, ist daher ganz plötzlich vor dem Kläger, der mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 Stundenkilometern gefahren ist, aufgetaucht und hat ihm den Weg versperrt; der Kläger hat zwar noch im letzten Augenblick versucht, nach rechts auszuweichen, hat aber nicht mehr verhindern können, daß er an den Lastkraftwagen (vor dessen linkem Hinterrad) angeprallt ist.

Das Berufungsgericht hat dem Beklagten angelastet, daß er, obwohl mit den örtlichen Verhältnissen vertraut, unvorsichtig und entgegen der Vorschrift des § 14 Abs. 1 StPolG. in die M ... -straße eingefahren ist, während das Mitverschulden des Klägers lediglich darin erblickt worden ist, daß mit Rücksicht auf die Straßenkreuzung seine Geschwindigkeit zu hoch und seine Bremsbereitschaft zu gering gewesen ist; das Verschulden des Beklagten ist deshalb wesentlich höher als das des Klägers beurteilt worden, weil er sich gegen eine ausdrückliche Gesetzesbestimmung schwer vergangen hat. Der Revisionswerber bekämpft diese Annahme vor allem mit dem Hinweis, daß ihm nach § 17 Abs. 4 StPolG. der Vorrang vor dem Kläger gebührt und daß der Kläger ihn nicht beachtet habe. Das Revisionsgericht schließt sich jedoch der Ansicht des Berufungsgerichtes an, daß der Kläger, solange er des Beklagten nicht ansichtig geworden war, keinen Anlaß gehabt hat, ihm den Vorrang einzuräumen. Gerade deshalb, weil der Beklagte nicht, wie in § 14 Abs. 1 StPolG. angeordnet, in weitem Bogen gefahren ist, ist er vom Kläger erst in einem Zeitpunkt wahrgenommen worden, in dem diesem eine Beachtung des Vorranges des Beklagten nicht möglich und ein Zusammenstoß unvermeidlich gewesen ist. Wäre der Beklagte entsprechend der Vorschrift des § 14 Abs. 1 StPolG. gefahren, dann hätte der Kläger ihn früher sehen, seinen Vorrang berücksichtigen und jedenfalls so abbremsen können, daß der Unfall überhaupt unterblieben oder zumindestens leichter gewesen wäre. Da bereits dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 StPolG. zu entnehmen ist, daß nur der den Vorrang beachten kann, der ein "von rechts kommendes Fahrzeug" erblickt hat, kann den Ausführungen des Revisionswerbers nicht gefolgt werden, daß die Rechtshandregel auch schon dann verletzt werden kann, wenn das Fahrzeug, das den Vorrang genießt, noch nicht wahrnehmbar ist. Kann demnach dem Kläger ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 17 Abs. 4 StPolG. nicht zur Last fallen, dann begrundet nur die Tatsache, daß er zu rasch und daher zu wenig bremsbereit gefahren ist, sein Mitverschulden. Im Hinblick darauf, daß in der geschlossenen Ortschaft eine Geschwindigkeit bis zu 40 km zulässig ist und eine Herabsetzung der Geschwindigkeit nach § 18 Abs. 4 StPolG. bloß wegen der Straßeneinmundung geboten gewesen ist, muß das Verschulden des Klägers weitaus geringer als das des Beklagten gewertet werden; die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensaufteilung wird vom Revisionsgericht durchaus gebilligt.

Anmerkung

Z25292

Schlagworte

Rechtsregel für Vorrang an Straßenkreuzung, Straßenkreuzung, Rechtsregel, Vorrang an Straßenkreuzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0020OB00812.52.1105.000

Dokumentnummer

JJT_19521105_OGH0002_0020OB00812_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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