TE OGH 1952/11/11 4Ob159/52

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Veröffentlicht am 11.11.1952
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Norm

ABGB §531
Arbeiterurlaubsgesetz §7

Kopf

SZ 25/297

Spruch

Urlaubsabfindung nach § 7 Arbeiter-Urlaubsgesetz vererblich.

Entscheidung vom 11. November 1952, 4 Ob 159/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Der Gatte der Klägerin war bis zu seinem Tode als Arbeiter beim Beklagten tätig. Er hatte noch einen Urlaubsrest von 11 Werktagen ausständig. Der Nachlaß wurde der erblasserischen Witwe und ihren Kindern eingeantwortet. Klägerin begehrt als Miterbin und Zessionarin der erblasserischen Kinder eine aliquote Urlaubsabfindung in der Höhe von S 572.88.

Streitig ist zwischen den Parteien nur die grundsätzliche Frage, ob der Erbe berechtigt ist, im Falle des Todes eines Arbeiters für den nicht verbrauchten Urlaub die dem Verstorbenen im Falle der Auflösung des Dienstverhältnisses nach § 7 ArbUG. gebührende Urlaubsabfindung zu begehren.

Die erste Instanz hat im Sinne des Klagebegehrens erkannt, die zweite Instanz hat das Klagebegehren abgewiesen.

Das Berufungsgericht ließ sich von nachstehenden Erwägungen leiten. Nach §§ 7, 8 ArbUG. trete an Stelle des Naturalurlaubes im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses der Anspruch auf Abfindung. Der Anspruch entstehe somit erst mit der Beendigung des Dienstverhältnisses. Da die Abfindung dem Arbeiter erst dann gebühre, wenn das Dienstverhältnis beendet ist, sei dessen Beendigung Voraussetzung für das Existentwerden des Abfindungsanspruches und weitere Voraussetzung, daß der Arbeiter die Beendigung des Dienstverhältnisses erlebe, weil er nur dann durch die Beendigung des Dienstverhältnisses den Anspruch auf Abfindung erwerbe. Erlebe er die Beendigung des Dienstverhältnisses nicht, weil es durch seinen Tod aufgelöst wurde, so könne er auch den Anspruch auf Abfindung nicht erwerben, weil ein Toter keine Rechte neu erwerben könne. Nur die Rechte, die der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes besaß, also bereits erworben hat, könnten auf die Erben übergehen, nicht aber solche, die zu Lebzeiten des Erblassers noch nicht existent geworden waren. Es sei daher der Anspruch auf die Abfindung nach § 7 ArbUG. nur dann vererblich, wenn er vom Erblasser durch die vor seinem Tode erfolgte Beendigung des Dienstverhältnisses bereits erworben wurde, dagegen sei das Recht des Erblassers auf Urlaubsabfindung, das erst durch Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Tod existent werde, nicht vererblich. Als Toter habe er dieses Recht nicht mehr ausüben können und vor seinem Tode habe er es nicht ausgeübt. Es sei somit kein Anspruch auf Abfindung nach § 7 ArbUG. existent geworden, der Gegenstand des Erbrechtes sein könnte.

Auch aus dem Wortlaut des § 7 ArbUG. könne nicht auf eine Vererblichkeit des Abfindungsanspruches im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Tod des Arbeiters geschlossen werden. Denn die Bestimmung der Höhe der Abfindung besage nur, wieviel der Arbeiter an Abfindung erhalten solle, wenn dieser Anspruch existent wird, nicht aber, daß dem Arbeiter schon während des Laufes des Dienstverhältnisses wöchentlich dieser Anspruch anfällt, sodaß er fortlaufend einen Teil des ihm nach dem Gesetze gebührenden Urlaubes darstellt, denn während des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses stehe dem Arbeiter nur der Anspruch auf Urlaub in natura zu, niemals aber ein Geldanspruch für nicht verbrauchten Urlaub oder eine Anwartschaft auf einen solchen, da von einer Anwartschaft nur dann gesprochen werden könne, wenn das diese Anwartschaft begrundende Ereignis mit Bestimmtheit eintreten wird.

Dieses Urteil wird von der Klägerin mit Revision angefochten, in der nur der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht wird.

Der Oberste Gerichtshof stellte das erstrichterliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist begrundet.

Es ist seit der Entscheidung SZ. XXIII/8 ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß vereinbart werden kann, daß Rechte und Pflichten, die dem Erblasser nicht zugestanden sind bzw. ihm nicht auferlegt waren, in der Person des Erben im Zeitpunkt des Todes entstehen können. Das bekannteste Beispiel ist die Todesfallversicherung zugunsten der Erben oder des Nachlasses. Es ist daher kein begriffliches Hindernis anzuerkennen, welches einer gesetzlichen Regelung entgegenstunde, daß ein Anspruch der Erben auf einen Geldbetrag unter gewissen Voraussetzungen an den Tod des Erblassers geknüpft ist. Auch die Ungewißheit, ob diese Voraussetzungen im Zeitpunkte des Todes gegeben sein werden, steht einer solchen Regelung nicht entgegen, wie die Termefixe-Versicherung beweist, bei der ebenfalls nicht im vorhinein gesagt werden kann, ob der Versicherte den Tag, mit dem die Termefixe-Versicherung abläuft, überleben wird. Es kann daher keineswegs schlechthin gesagt werden, die Abfindung könne dem Nachlaß nicht zustehen, weil nur bereits entstandene oder bedingte Rechte vererbt werden, da die Erben in diesen Fällen nicht kraft Erbrechtes erwerben, sondern originär auf Grund des Vertrages bzw. des Gesetzes.

Die Entscheidung, ob die Erben die Urlaubsabfindung verlangen können, hängt infolgedessen nur von der Frage ab, ob die Urlaubsabfindung ein höchstpersönlicher Anspruch ist, der nur vom Arbeiter selbst geltend gemacht werden kann. Das ist aber zu verneinen.

Wie das Judikat 52 ausgeführt hat, hat das Arbeiterurlaubsgesetz 1946 die Urlaubsabfindung vom Urlaubsanspruch dem Gründe und der Höhe nach losgelöst. Auch der Arbeiter, der sich den Urlaubsanspruch bereits verdient hat, erhält, wenn das Dienstverhältnis vor Antritt des Urlaubes endet, nicht das ganze ihm im Urlaubsfall gebührende Urlaubsentgelt, sondern nur einen mit der Dienstzeit verhältnismäßig anwachsenden Teilbetrag. Diesen Nachteil erkauft er mit dem Vorteil, daß ihm die "Abfindung" ohne Rücksicht auf die Dauer der Dienstzeit gebührt. Die Urlaubsabfindung ist also keine Urlaubsentschädigung, wie nach dem früheren Recht, sondern ein Anspruch eigener Art, der vom Gesetz im Falle der Auflösung des Dienstverhältnisses zugesprochen wird, es sei denn, daß der Dienstnehmer ohne wichtigen Grund austritt; er behält den Abfindungsanspruch sogar im Falle einer verschuldeten vorzeitigen Entlassung (§ 8), obwohl er dann keinen Urlaubsanspruch hat, was klar zum Ausdruck bringt, daß die Urlaubsabfindung nach § 7 ArbUG. keine Urlaubsentschädigung ist. Auch im Falle des Ablebens des Arbeiters können die Erben naturgemäß nicht Nachgewährung des Urlaubes und folgerichtig auch keine Entschädigung für den nicht genommenen Urlaub verlangen, wohl aber fehlt jeder Anhaltspunkt, auch den Abfindungsanspruch für einen höchstpersönlichen Anspruch zu erklären und über den Wortlaut des § 8 hinaus die Urlaubsabfindung auch im Falle der Auflösung des Dienstverhältnisses durch den Tod des Dienstnehmers zu versagen.

Daß der Arbeiter die Abfindung, wenn er gestorben ist, zur Finanzierung eines Urlaubes nicht verwenden kann, ist richtig. Aber die finanzielle Ermöglichung, auf Urlaub zu gehen, ist nur die occasio legis und nicht Bedingung des Anspruches auf die Abfindung. Auch der Arbeiter, der selbst kurzfristig gekundigt hat, weil er einen besseren Posten in Aussicht hat, den er sofort nach Auflösung des Dienstverhältnisses antreten muß, hat Anspruch auf die Abfindung, obwohl er keine Möglichkeit hat, auf Urlaub zu gehen, ja, wie schon bemerkt, selbst der schuldhaft Entlassene, der überhaupt keinen Anspruch auf Urlaub in natura hat. Der Abfindungsanspruch ist demnach kein in Geld umgewandelter Urlaubsanspruch. Die höchstpersönliche Natur eines Urlaubsentschädigungsanspruches nach dem Angestelltengesetz gilt für den Abfindungsanspruch nach § 7 ArbUG. deshalb nicht.

Der Abfindungsanspruch ist ein reiner Geldanspruch, der auch nicht etwa besonders geltend zu machen ist, um existent zu werden, sondern mit der Auflösung des Dienstverhältnisses ipso jure existent wird. Es ist nicht einzusehen, warum der Dienstgeber durch den Todesfall die Abfindung lukrieren soll und warum die Erben, denen gerade im Todesfall unerwartete Auslagen erwachsen, die Abfindung verlieren sollen.

Auch der Umstand, daß es sich nicht um einen erbrechtlichen Anspruch der Erben, sondern einen ihnen ex lege zustehenden Anspruch handelt, darf nicht zur Folgerung verleiten, die Abfindung zu verweigern, weil das Gesetz nur dem Arbeiter selbst die Abfindung zuerkenne. Auch wenn der Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag bestimmt hat, daß die Ablebensversicherungssumme ihm selbst auszuzahlen ist, oder wenn der Begünstigte nachträglich wegfällt (§ 168 VVG.), kommt die Versicherung seinen Erben zu. Das muß analog auch hier gelten.

Auch aus der Vorschrift des Bauarbeitergesetzes, daß im Ablebensfall die Abfindung seinen gesetzlichen Erben zusteht (§ 12 Abs. 2 BArbUG.), kann man nicht erschließen, daß arg. a contrario nach dem allgemeinen Arbeiterurlaubsrecht die Erben keinen Anspruch auf die Abfindung haben, sondern nur, daß das im Bauarbeiterurlaubsgesetz den gesetzlichen Erben eingeräumte Vorrecht nach dem Arbeiterurlaubsgesetz nicht gilt.

Es mußte daher der Revision Folge gegeben und das erstrichterliche Urteil wiederhergestellt werden.

Anmerkung

Z25297

Schlagworte

Urlaubsabfindung nach § 7 ArbUrlG. vererblich, Vererblichkeit der Urlaubsabfindung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0040OB00159.52.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19521111_OGH0002_0040OB00159_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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