TE OGH 1952/11/19 3Ob666/52

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Veröffentlicht am 19.11.1952
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Norm

Landarbeitsgesetz §20 (3)
Ob.öst. Landarbeitsordnung §20 (3)
Schutzverordnung Art6

Kopf

SZ 25/307

Spruch

Bei Zutreffen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 oö. LArbO. ist nur diese Vorschrift anwendbar und nicht Art. 6 SchutzV. Wenn diese Voraussetzungen aber fehlen, kommt die Anwendung des Art. 6 in Frage.

Entscheidung vom 19. November 1952, 3 Ob 666/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Die verpflichtete Partei war als Landarbeiter bei der betreibenden Partei beschäftigt und wurde mit Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 7. November 1951 rechtskräftig zur Räumung der Dienstwohnung in M. Nr. 22, verpflichtet. Gemäß § 20 Abs 3 der oö. LArbO. vom 18. Mai 1949, LGBl. Nr. 2, wurde ihr Räumungsaufschub bis 1. Juli 1952 bewilligt.

Auf den neuerlichen Antrag des Verpflichteten schob das Erstgericht die zwangsweise Räumung bis zum 1. November 1952 gemäß Art. 6 der Schutzverordnung auf.

Zufolge Rekurses der betreibenden Partei wies das Rekursgericht den Aufschiebungsantrag des Verpflichteten in der Erwägung ab, daß der dem Verpflichteten nach § 20 der oberösterreichischen Landarbeitsordnung zustehende höchstmögliche Aufschub von drei Monaten bereits durch den erstgerichtlichen Beschluß überschritten worden sei. Ein weiterer Aufschub könne ihm auch unter Berufung auf die Bestimmungen der Schutzverordnung nicht gewährt werden. Diese könne hier nicht angewendet werden. Die einschlägigen Bestimmungen der oberösterreichischen Landarbeitsordnung schlössen als späteres und Spezialgesetz die Anwendung des Art. 6 der Schutzverordnung aus. Hätte der Gesetzgeber dies nicht beabsichtigt, wären die Bestimmungen des § 20 Landarbeitsgesetz überhaupt unverständlich, weil dann auch bei Räumung von Landarbeiterwohnungen die allgemeinen Vorschriften, mithin auch jene der Schutzverordnung, Anwendung finden könnten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Verpflichteten Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof vermag der Ansicht des Rekursgerichtes, daß die Bestimmungen des § 20 der oberösterreichischen Landarbeitsordnung die Anwendung des Art. 6 der Schutzverordnung im gegebenen Fall ausschließen, nicht zuzustimmen.

Die oberösterreichische Landarbeitsordnung wurde in Ausführung des Bundesgesetzes vom 2. Juni 1948, BGBl. Nr. 140, betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz) erlassen. § 20 der oberösterreichischen Landarbeitsordnung, der die Räumung der Wohnung bei Beendigung des Dienstverhältnisses regelt, stimmt wörtlich mit dem § 20 des Landarbeitsgesetzes überein. Die Regierungsvorlage zum Landarbeitsgesetz (Nr. 332 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates) sah in § 20 Abs. 3 die Aufschiebung der Räumung durch das Exekutionsgericht um höchstens zwei Monate vor und bestimmte im letzten Satz ausdrücklich, daß ein Aufschub der Exekution auf Grund anderer Vorschriften unzulässig sei. Nun hat aber die Regierungsvorlage in diesem Punkt nicht die Billigung der gesetzgebenden Körperschaften gefunden. In der vom Nationalrat beschlossenen Fassung des § 20 Abs. 3 Landarbeitsgesetz findet sich ein ausdrückliches Verbot, einen Räumungsaufschub auf Grund anderweitiger Vorschriften zu bewilligen, nicht. Nach der erwähnten Gesetzesbestimmung ist dem Exekutionsgericht die Befugnis eingeräumt, dem Verpflichteten einen Aufschub der zwangsweisen Räumung um höchstens drei Monate dann zu bewilligen, wenn er sonst der Gefahr der Obdachlosigkeit ausgesetzt wäre und wenn es sich um die Freimachung einer Wohnung für den nachfolgenden Dienstnehmer bzw. dessen Familie handelt. Da sich § 20 Abs. 3 des Landarbeitsgesetzes und der mit ihm übereinstimmende § 20 Abs. 3 der oberösterreichischen Landarbeitsordnung gegenüber dem Art. 6 der Schutzverordnung als eine Spezialnorm darstellt, ist bei Zutreffen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 nur diese Vorschrift anwendbar; das Exekutionsgericht darf also in diesem Falle dem Verpflichteten nur einen Aufschub der zwangsweisen Räumung um höchstens drei Monate bewilligen und Art. 6 der Schutzverordnung mit seinen weitergehenden Möglichkeiten nicht anwenden. Wenn hingegen die zu räumende Dienstwohnung für einen nachfolgenden Dienstnehmer bzw. dessen Familie nicht benötigt wird, bleiben die Bestimmungen der Schutzverordnung weiter anwendbar (vgl. Erlaß des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 11. Jänner 1949, Zl. 48.936-I/3/48, abgedruckt bei Nuel - Strau, Die niederösterreichische Landarbeitsordnung, Manz 1952, Anm. 4 zu § 20, S. 55).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes ist ein dringender Bedarf an der vom Verpflichteten zu räumenden Dienstwohnung derzeit nicht gegeben, da die betreibende Partei noch über eine andere dreiräumige Wohnung zur Unterbringung von Landarbeitern verfügt, die gegenwärtig leer steht. Hingegen wäre der Verpflichtete der Obdachlosigkeit preisgegeben, wenn ihm kein Aufschub gewährt würde.

Bei dieser Sachlage kann der betreibenden Partei der vom Erstrichter dem Verpflichteten bis zum 1. November 1952 bewilligte Räumungsaufschub ohne weiteres zugemutet werden. Die Voraussetzungen des Art. 6 der Schutzverordnung sind somit gegeben.

Anmerkung

Z25307

Schlagworte

Dienstwohnung Räumungsschutz nach § 20 o.ö. LandarbO. und Art. 6 SchutzV, Landarbeiter, Räumungsschutz der Dienstwohnung, Räumungsschutz nach § 20 (3) o. ö. LandarbO. und Art. 6 SchutzV.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0030OB00666.52.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19521119_OGH0002_0030OB00666_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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