Norm
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §863Kopf
SZ 26/101
Spruch
In der Vereinbarung, daß die bisherige Mietwohnung während der Dauer des Dienstverhältnisses als Dienstwohnung gelten soll, liegt kein stillschweigender Verzicht auf die Mietrechte.
Entscheidung vom 21. April 1953, 4 Ob 68/53.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Der Beklagte mietete im Jahre 1949 vom Kläger eine Wohnung um einen Mietzins von 15 S, wobei er sich überdies verpflichtete, gelegentlich Zuhaltearbeiten in der Landwirtschaft des Klägers zu verrichten. Im März 1952 verdang sich der Beklagte beim Kläger als Landarbeiter. Dabei wurde auch über die Wohnung gesprochen und vereinbart, daß der Beklagte fortab für die Wohnung eine Miete nicht mehr bezahlen brauche, da er diese nun als Dienstwohnung benutzen kann. Der Beklagte war mit dieser Regelung einverstanden und bezahlte für die Dauer des Dienstverhältnisses keinen Zins. Erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses Ende Juni 1952 versuchte er dem Kläger Zins anzubieten, der jedoch nicht angenommen wurde.
Aus diesem Sachverhalt folgerte das Erstgericht in rechtlicher Beziehung, daß mit dem Eingehen des Dienstverhältnisses das Mietverhältnis beendet wurde, daß der Beklagte von da ab die Wohnung als Dienstwohnung benützte und daß nach Beendigung des Dienstverhältnisses ein neues Mietverhältnis nicht begrundet wurde. Wenn auch ein ausdrücklicher Verzicht des Beklagten auf seine Mietrechtein dem Sinne, daß er in Worten gesagt hätte, die Miete sei aufgelöst, nicht erweislich sei, so sei doch durch konkludente Handlungen, vor allem die Nichtbezahlung des Mietzinses erkennbar, daß der Beklagte damit einverstanden war, daß ihm die Wohnung nunmehr als Dienstwohnung überlassen sei.
Infolge Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Das Berufungsgericht ging dabei von den Feststellungen des Erstgerichtes aus, schloß sich aber nicht dessen rechtlicher Beurteilung an. Zwar sei der Bestandvertrag ein entgeltlicher Vertrag, doch habe das Arbeitsgericht übersehen, daß das Entgelt nicht in Geld bestehen müsse, sondern auch in der Verrichtung von Diensten oder Arbeiten bestehen könne und daß Wohnräume auch gegen Zahlung eines bestimmten, auf den Lohn anzurechnenden Mietzinses zugewiesen werden können. Eine Überlassung der Wohnung ohne Leistung irgend eines Entgeltes ab März 1952 sei weder behauptet noch bewiesen worden. Von einem ipso jure Erlöschen des Mietvertrages könne demnach keine Rede sein. Wenn beide Teile bei Abschluß des Dienstverhältnisses übereinkamen, die Wohnung alsDienstwohnung anzusehen und für die Dauer des Dienstverhältnisses die Zahlung bzw. Einforderung eines Mietzinses zu unterlassen, so könne aus diesem Übereinkommen nicht geschlossen werden, daß der Beklagte in konkludenter Weise damit auch auf sein Bestandrecht verzichtet hätte, denn ein solcher Verzicht müßte nach § 863 ABGB. durch solche Handlungen seitens des Beklagten stillschweigend erklärt worden sein, welche mit Überlegung aller Umstände des Falles keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übriglassen. In der Bereitschaft des Beklagten, für die Dauer des Dienstverhältnisses die Wohnung als Dienstwohnung anzusehen und keinen Zins in Bargeld zu bezahlen, könne eine solche Handlung nicht erblickt werden. Es ergebe sich darum der rechtliche Zustand, daß der im Jahre 1949 begrundete Mietvertrag neben dem Dienstvertrag aufrecht bestehen blieb und mit letzterem eine Bindung de facto nur insoweit einherging, als ein Teil der Dienstleistungen des Beklagten von nun an bestimmt waren, als Entgelt für die Überlassung der Wohnung zu dienen. Ob die Weigerung weiterer Dienstleistungen Ende Juni 1952, also die Weigerung, weiterhin das Entgelt für die Überlassung der Wohnung in Form von Diensten zu entrichten, den Kläger berechtige, das Bestandverhältnis zu kundigen, sei hier nicht zu entscheiden. Keinesfalls sei dem Kläger durch Beendigung des Dienstverhältnisses ein Anspruch auf Räumung der Wohnung erwachsen.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die berufungsgerichtliche Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Rechtsrüge kommt keine Berechtigung zu. Es ist wohl richtig, daß derBestandvertrag zu den entgeltlichen Verträgen gehört und daß die Leistung des Bestandnehmers für den ihm überlassenen Gebrauch des Bestandgegenstandes in der Bezahlung eines bestimmten Entgeltes besteht. Ebensowenig jedoch wie sich durch Nichtzahlung des einmal bedungenen Entgeltes der Bestandvertrag von selbst auflöst, endigt das Bestandverhältnis auch nicht, wenn vom Bestandgeber dem Bestandnehmer ein Zinserlaß gewährt wird.
Nach den Feststellungen der Untergerichte sind die Parteien übereingekommen, daß der Beklagte für die Dauer seines Dienstverhältnisses zum Kläger von der Zinszahlung befreit sein soll. Dabei ist ein ausdrücklicher Verzicht des Beklagten auf seine Mietrechte nicht erklärt worden.
Es ist der Ansicht des Berufungsgerichtes beizupflichten, daß in der Bereitschaft des Beklagten, für die Dauer des Dienstverhältnisses die Wohnung als Dienstwohnung anzusehen und keinen Mietzins zu bezahlen, einstillschweigender Verzicht auf die Mietrechte nicht erblickt werden kann. Es kann nach allgemeinen Denkgesetzen nicht angenommen werden, daß es in der Absicht des Beklagten gelegen war, ein mietengeschütztes Bestandverhältnis aufzugeben und dafür ein jederzeit lösbares Dienstverhältnis einzutauschen. Eine solche Annahme ist umso weniger gerechtfertigt, als angesichts des notorischen Landarbeitermangels der Abschluß des Dienstvertrages vor allem im Interesse des Klägers gelegen war.
Ist nun aber weder ein ausdrücklicher Verzicht des Beklagten auf seine Mietrechte erfolgt und kann nach den Umständen ein stillschweigender Verzicht nicht angenommen werden, dann bestand das Mietverhältnis neben dem Dienstverhältnis weiter und ist auch durch die Auflösung des letzteren nicht beendet worden. Der Räumungsanspruch des Klägers besteht daher nicht zu Recht.
Anmerkung
Z26101Schlagworte
Dienstvertrag Mietwohnung, Dienstwohnung, Mietwohnung, Mietrechte, Dienstwohnung, Mietwohnung Dienstwohnung, Schuldenhaftung des treuhändigen Firmeninhabers, Verzicht auf Mietrechte, Umwandlung in Dienstwohnung kein -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0040OB00068.53.0421.000Dokumentnummer
JJT_19530421_OGH0002_0040OB00068_5300000_000