TE OGH 1953/6/17 3Ob317/53

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Veröffentlicht am 17.06.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §591
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §595
Außerstreitgesetz §125

Kopf

SZ 26/161

Spruch

Die "Vernehmung der Parteien" (§ 125 AußstrG.) kann auch in der Form stattfinden, daß die Parteien durch schriftliche Eingaben Stellung nehmen.

Voraussetzungen für die Gültigkeit eines mündlichen Testamentes.

Entscheidung vom 17. Juni 1953, 3 Ob 317/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Stainz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Zum Nachlaß nach der am 20. Oktober 1952 verstorbenen Emma L. gaben Luise F. und Karl H. auf Grund des Gesetzes sowie Dipl.-Ing. Fritz W. auf Grund eines mündlichen Testamentes Erbserklärungen zum ganzen Nachlaß ab. Alle Erbserklärungen wurden vom Erstgericht angenommen und die gesetzlichen Erben mit ihren Erbansprüchen auf den Rechtsweg verwiesen, wobei ihnen die Klägerrolle zugeteilt wurde. Die gesetzlichen Erben hatten vorgebracht, daß ein gültiges mündliches Testament nicht vorliege, weil einer der Testamentszeugen als Lebensgefährtin des eingesetzten Erben gemäß § 594 ABGB. kein fähiger Zeuge gewesen sei, außerdem ergäben sich aus den Aussagen der Zeugen erhebliche Widersprüche. Die Zeugen hätten nicht das Bewußtsein gehabt, als Testamentszeugen zu fungieren.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß in seinem angefochtenen Teile auf und wies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil die Parteien nicht vernommen worden seien. Eine solche Vernehmung wäre aber umso notwendiger gewesen, als die gesetzlichen Erben behaupteten, eine Testamentszeugin sei als Lebensgefährtin des eingesetzten Erben keine fähige Zeugin gewesen. Es wäre zu klären gewesen, ob diese Behauptung richtig sei. Wohl erwähne § 594 ABGB. die Lebensgefährtin nicht, doch habe diese Gesetzesstelle eine Person ausschließen wollen, die in einem engen wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Bedachten steht. Die Lebensgefährtin habe eine Stellung, die zwischen der Gattin und dem besoldeten Hausgenossen liege. Sie stehe in einem weit engeren wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis als ein besoldeter Hausgenosse. Wäre die Testamentszeugin Rosa K. tatsächlich Lebensgefährtin des Erben, könnte kein gültiges Testament vorliegen, sodaß die Erbserklärung des Dipl.-Ing. Fritz W. nicht zu Gericht angenommen werden könnte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Testamentserben Dipl.-Ing. Fritz W. Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die vom Rekursgerichte angenommene Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor. Gemäß § 125 AußstrG. hat wohl das Gericht nach Vernehmung der Parteien zu entscheiden. Eine mündliche Verhandlung ist aber nicht vorgeschrieben. Es muß daher als zulässig erkannt werden, daß die Vernehmung auch schriftlich in Form von Eingaben der Parteien stattfindet. Zweck der Vorschrift des § 125 AußstrG. ist lediglich, daß die Parteien zur Sachlage Stellung nehmen und ihre Einwendungen vorbringen können. Hiezu hatten aber die Parteien hinreichend Gelegenheit. Die gesetzlichen Erben haben zu dem behaupteten mündlichen Testament in einer schriftlichen Eingabe, die von ihrem Rechtsfreunde verfertigt wurde, Stellung genommen und ihre Einwendungen erhoben, während der Testamentserbe in einem Protokoll vor dem Gerichtskommissär seine entsprechenden Anträge stellte. Auf dieser Grundlage war das Gericht in der Lage zu entscheiden.

Eine weitere Vernehmung war aber auch zu dem Zweck nicht erforderlich, um zu klären, ob die Testamentszeugin Rosa K. eine fähige Zeugin ist. Nach dem Inhalt der Zeugenaussage hat die Erblasserin, an deren Identität kein Zweifel bestehen kann, ihren letzten Willen vor drei gleichzeitig anwesenden Zeugen kundgetan. Der äußeren Form nach liegt somit ein mündliches Testament vor. Ob die Erblasserin damals eine Testierabsicht hatte, oder ob es sich nur um eine gesprächsweise Erklärung handelte, ob die Aussagen der drei Zeugen hinreichend übereinstimmen, um eine gültige letztwillige Erklärung annehmen zu können, ob die Zeugen bewußt als Testamentszeugen anwesend waren, hängt von der Würdigung der Aussagen dieser Zeugen ab. Eine solche Würdigung ist aber dem Erstrichter versagt (RZ. 1937, S. 333). Ebenso betrifft die Frage, ob Rosa K. Lebensgefährtin des Bedachten im Zeitpunkte der Testamentserrichtung war und als solche nach § 594 ABGB. eine fähige Zeugin ist, die Gültigkeit des mündlichen Testamentes. Die Frage der Gültigkeit eines Testamentes ist aber ausschließlich im Rechtswege zu klären, zumal eine offenbare Unfähigkeit des Testamentszeugen im Sinne des § 591 ABGB. nicht vorliegt (NotZ. 1931, S. 57, NotZ. 1937, S. 143). Da somit ein äußerlich formgerechtes mündliches Testament vorliegt, war die Erbserklärung des Dipl.-Ing. Fritz W. zu Gericht anzunehmen und war den gesetzlichen Erben, da sie den schwächeren Erbrechtstitel für sich haben, die Klägerrolle zuzuweisen, ohne daß es eines weiteren Verfahrensbedurfte.

Anmerkung

Z26161

Schlagworte

Außerstreitiges Verfahren, Parteienvernehmung, Eingaben der Parteien, Klagerollen im Erbrechtsstreit, Letztwillige Verfügung, mündliche -, Mundliches Testament, Parteieingaben im Außerstreitverfahren, Parteienvernehmung nach § 125 AußStrG., Testament, mündliches -, Verlassenschaft, Parteirollenverteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00317.53.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19530617_OGH0002_0030OB00317_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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