TE OGH 1953/9/23 3Ob602/53

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Veröffentlicht am 23.09.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1116
Exekutionsordnung §1
Zivilprozeßordnung §562
Zivilprozeßordnung §565

Kopf

SZ 26/236

Spruch

Die formlose außergerichtliche Kündigung eines landwirtschaftlichen Pachtvertrages schafft zwar keinen Exekutionstitel, bewirkt aber den Eintritt der privatrechtlichen Folgen.

Entscheidung vom 23. September 1953, 3 Ob 602/53.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der streitverfangene Acker liegt in nordöstlicher Richtung des Hauses F.Nr. 37 und hat ein Ausmaß von 565 m2 eine Länge von 34 Schritten und eine verschiedene Breite von 10 bis 20 m. Er ist in südlicher Richtung von der Bezirksstraße nach S. und an der gegenüberliegenden Seite von einem Bach begrenzt.

Im Mai 1937 mietete der Kläger eine Wohnung in dem Haus F. Nr. 37 von den damaligen Eigentümern. Zu dieser Wohnung wurde ein Streifen von 80 m2 dieses sogenannten Nordackers, der sich an das Haus unmittelbar anschließt, mitvermietet, jedoch vom Kläger tatsächlich erst im Jahre 1938 in Benützung genommen. Der größere Ackerteil hingegen wurde gesondert gegen einen monatlichen Pachtschilling von 5 S dem Kläger im Jahre 1946 oder 1947 verpachtet.

Am 19. Oktober 1951 richtete der Vertreter des Beklagten ein Schreiben an den Kläger, worin er ihm mitteilte, daß der Beklagte nicht in der Lage sei, dem Kläger den Acker weiterzubelassen, und ihm die Pachtung 6monatig mit 1. November 1951 aufkundige, weil er den Acker selbst bewirtschaften werde. Der Kläger habe den Acker längstens am 1. Mai 1952 zu räumen und zu übergeben. Sollte die Räumung zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgen, werde der Beklagte mit Klage gegen den Kläger vorgehen müssen. Am 22. November 1951 beantwortete der Kläger dieses Schreiben dahingehend, daß er die Kündigung nicht annehme, weil nicht der größere Teil des Ackers erst im Jahre 1944 zur Wohnung hinzugekommen sei, sondern nur ein kleiner Streifen von 80 m2, für den er seither 5 S monatlich bezahle. Diese 80 m2 könne der Beklagte zurücknehmen, nicht aber den größeren Teil des Ackers, der zur Wohnung gehöre. Trotz dieses Widerspruches des Klägers nahm der Beklagte am 2. Mai 1952 den ganzen Nordacker in seinen Besitz und benützt ihn seither ausschließlich.

Mit der vorliegenden Klage begehrt nun der Kläger, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihm diesen Acker als Bestandnehmer zu übergeben, mit der Behauptung, daß die außergerichtliche Aufkündigung unzulässig gewesen sei, das Bestandverhältnis daher noch fortdauere.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einer stilistischen Änderung zur Gänze statt. Eine außergerichtliche Aufkündigung müsse stets die im § 562 Abs. 1 ZPO. bezeichneten Angaben enthalten. Das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 19. Oktober 1951 enthalte zwar den Auftrag zur Räumung des Bestandgegenstandes unter Einhaltung der hiefür vorgesehenen Frist, es fehle aber sowohl die Exekutionsdrohung als auch die Belehrung über die Erhebung von Einwendungen. Das Schreiben stelle somit keine wirksame Aufkündigung dar. Es bestehe daher das Pachtverhältnis und auch das Mietverhältnis (hinsichtlich Wohnung und eines kleinen Streifens dieses Ackers) noch aufrecht. Der Kläger habe deshalb einen Anspruch auf Überlassung des Ackers.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, daß der Beklagte nur schuldig sei, den an den Hausgarten angrenzenden Streifen des sogenannten Nordackers im Ausmaß von 80 m2 zu räumen und geräumt zu übergeben, das Mehrbegehren jedoch abgewiesen wird. Der Streifen von 80 m2 sei mit der Wohnung, also mit einem einheitlichen Mietvertrag, in Bestand gegeben worden. Diesbezüglich sei eine außergerichtliche Aufkündigung nach § 21 MietG. unzulässig. Hinsichtlich des Teiles, der mit einem gesonderten Pachtvertrag in Bestand gegeben worden sei, sei jedoch eine außergerichtliche Aufkündigung zulässig. Hinsichtlich diesesTeiles sei die Aufkündigung auch wirksam erfolgt, weil mit dem Schreiben Beilage 3 die Absicht des Beklagten, die Auflösung des Bestandverhältnisses herbeizuführen, deutlich zum Ausdruck gebracht worden sei, dieses Schreiben dem Kläger auch zugekommen sei, womit die Auflösung des Bestandvertrages bewirkt wurde. Da der Beklagte am 2. Mai 1952 faktisch der Besitzer dieses Ackers wieder geworden sei, habe für ihn kein Anlaß bestanden, gegen den Kläger mit einer Räumungsklage vorzugehen. Da demnach der Kläger keinen Titel für die Benützung dieses Ackers mehr in Händen habe, sei diesbezüglich das Klagebegehren abzuweisen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der gegen den abweisenden Teil der Berufungsentscheidung gerichteten Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entscheidend ist, ob der Kläger aus einem noch aufrecht bestehenden Bestandvertrag die Übergabe dieses Ackers vom Beklagten begehren kann. Diese Frage ist, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, zu verneinen, weil das Pachtverhältnis seitens des Verpächters wirksam aufgekundigt wurde. Die Aufkündigung ist die einseitige empfangsbedürftige Erklärung, daß das Bestandverhältnis in einem bestimmten Zeitpunkt sein Ende erreichen soll. Einer Annahme durch den Gegner bedarf sie nicht, daher ist auch die Erklärung, die Aufkündigung nicht anzunehmen, bedeutungslos. Eine Form für diese Kündigung ist im § 1116 ABGB. nicht vorgeschrieben. Sie kann daher, wenn nicht eine bestimmte Form ausdrücklich vereinbart wurde, mündlich oder schriftlich erfolgen, wenn nur der Wille klar zu erkennen ist, das Bestandverhältnis in einem bestimmten Zeitpunkt zu beenden. Nur für den Fall der Schaffung eines Exekutionstitels sind nach § 565 ZPO. die strengeren Voraussetzungen des § 562 ZPO. erforderlich, nicht aber zum Eintritt der bloß vertragsmäßigen Folgen (RZ. 1933, S. 217; SZ. XV/158 u. a.). Das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 19. Oktober 1951 bringt nun den Willen des Beklagten, das Bestandverhältnis nicht mehr fortsetzen zu wollen, klar zum Ausdruck. Es enthält auch die Aufforderung, den Bestandgegenstand innerhalb einer bestimmten Frist geräumt zu übergeben. Mit diesem Schreiben wurde daher das Bestandverhältnis mit 1. Mai 1952 wirksam zur Auflösung gebracht. Der einzige Einwand des Klägers gegen die außergerichtliche Aufkündigung, daß diese deshalb unzulässig gewesen wäre, weil dieser Acker gemeinsam mit der Wohnung in Bestand genommen worden sei, daher ein einheitlicher Mietvertrag vorliege, auf welchen die Bestimmung des § 21 MietG. Anwendung zu finden habe, hat sich im Zuge des Verfahrens als nicht stichhältig herausgestellt, da festgestellt wurde, daß dieser Teil des Ackers nachträglich mit gesondertem Pachtvertrag in Bestand genommen worden ist. Eine dem § 21 MietG. entsprechende Bestimmung für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke fehlt aber, sodaß die außergerichtliche Aufkündigung auch zulässig war.

Nun hat allerdings der Kläger am 1. Mai 1952 den Bestandgegenstand nichtübergeben, vielmehr hat der Beklagte ihn eigenmächtig an sich gebracht. Sicherlich hätte der Kläger gegen dieses Vorgehen einen possessorischen Schutz in Anspruch nehmen können (er hat ihn auch in Anspruch genommen, wurde allerdings aus formalen Gründen abgewiesen). Einen petitorischen Anspruch vermag aber der Kläger nicht durchzusetzen, da nach Auflösung des Pachtverhältnisses hinsichtlich dieses Teiles des Nordackers dem Kläger jeder Titel für einen solchen Anspruch fehlt.

Anmerkung

Z26236

Schlagworte

Außergerichtliche Kündigung, formlose - Bestandvertrag, formlose außergerichtliche Kündigung Kündigung formlose außergerichtliche -, Landwirtschaftlicher Pachtvertrag, formlose außergerichtliche Kündigung Pachtvertrag, formlose außergerichtliche Kündigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00602.53.0923.000

Dokumentnummer

JJT_19530923_OGH0002_0030OB00602_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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