TE OGH 1953/9/30 3Ob546/53

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Veröffentlicht am 30.09.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §579
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §585

Kopf

SZ 26/244

Spruch

Zur Umdeutung eines formungültigen schriftlichen Testamentes in ein mündliches.

Voraussetzungen eines mündlichen Testamentes.

Entscheidung vom 30. September 1953, 3 Ob 546/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Karl D., der Bruder des Klägers, ist am 25. Oktober 1950 um 17.45 Uhr imWerkspital K. gestorben. Sein Nachlaß bestand in der Hauptsache aus der Liegenschaft EZ. 338 KG. U., Gemeinde G.

Karl D. hinterließ eine letztwillige Anordnung vom 25. Oktober 1950, in welcher er "das Haus samt Inventar und Vermögen", also sein gesamtes Vermögen, der Beklagten vermachte. Das Testament ist von fremder Hand geschrieben, von Karl D. eigenhändig unterschrieben und von den drei Zeugen Alois W., Johann F. und Ludwig W. unterzeichnet.

Auf Grund dieses Testamentes wurde die Abhandlung nach Karl D. durchgeführt und der Beklagten der Nachlaß mit Einantwortungsurkunde vom 5. Februar 1951 eingeantwortet. Der Kläger, der als nächster gesetzlicher Erbe des verstorbenen Karl D. in Betracht kommt, stellte das Klagebegehren auf Feststellung, daß das Testament vom 25. Oktober 1950 ungültig sei.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens, wobei es über die Errichtung des Testamentes folgendes feststellte: Das Testament wurde amTodestag des Erblassers etwa zwischen 10 und 11 Uhr vormittags errichtet. Die Zeugin S. fragte Karl D., ob er ein Testament errichten wolle, worauf dieser nickte. Auf eine weitere Frage, wem er sein Haus und sein Vermögen vermachen wolle, hat der Erblasser auf die an seinem Bettrand sitzende Beklagte gedeutet. Darauf ist die Niederschrift verfaßt worden, von Karl D. durchgelesen und sodann von ihm unterschrieben worden. Anschließend an die Unterschrift des Karl D. haben zwei im selben Zimmer liegende Patienten als Zeugen gefertigt. Hierauf ist der Bedienstete des Werkspitales Ludwig W. geholt worden und hat auf Verlangen dritter Personen, also nicht des Erblassers, das Testament unterschrieben. Bei der Unterfertigung durch Karl D. war Ludwig W. nicht anwesend. Nach Ansicht des Erstgerichtes war das Testament formungültig, es hat dem Erblasser aber auch die Testierfähigkeit gefehlt.

Über Berufung der beklagten Partei hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück, wobei es die Rechtskraft seines Beschlusses vorbehielt. Das Berufungsgericht teilt zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß das Testament vom 25. Oktober 1950 als schriftliches Testament wegen formeller Gebrechen ungültig sei, hält es aber für erforderlich, noch die Frage zu klären, ob dieses Testament nicht allenfalls als mündliches Testament aufrechterhalten werden könne, und hält weiter für diesen Fall die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers noch einer weiteren Klärung für bedürftig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und beauftragte dieses, über die Berufung der Beklagten unter Umgangnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, daß das der Abhandlung zugrunde gelegte schriftliche fremdhändige Testament der für ein solches Testament vorgeschriebenen Form ermangle, ist zutreffend. Es kommt dabei nicht darauf an, ob unter der im § 579 ABGB. verlangten "ausdrücklichen" Erklärung (daß der Aufsatz den letzten Willen enthalte) eine wörtliche Erklärung zu verstehen ist, wie die Entscheidung SZ. IV/17 annimmt, oder ob die sogenannte "nuncupatio" auch durch allgemein angenommene Zeichen erklärt werden könne (so SZ. XIII/9). Denn die dem Abhandlungsverfahren zugrunde gelegte letztwillige Erklärung ist jedenfalls deshalb mangelhaft, weil der nachträglich zugezogene dritte Testamentszeuge bei der Unterfertigung des Testamentes durch den Erblasser nicht zugegen war und der Erblasser nachher in Anwesenheit dieses dritten Zeugen nicht einmal durch Zeichen sein Einverständnis mit der Aufzeichnung zum Ausdruck brachte.

Das Berufungsgericht hat auch die Frage in den Kreis seiner Erwägungen gezogen, ob die letztwillige Erklärung, wenn sie schon den Formerfordernissen eines von fremder Hand geschriebenen Testamentes nicht genüge, nicht allenfalls als ein mündliches Testament aufrechterhalten werden könne. Nun herrscht allerdings in Lehre und Rechtsprechung die Meinung, daß ein fremdhändiges schriftliches Testament bei Mangel von Formerfordernissen in ein mündliches umgedeutet werden könne und daß selbst der Umstand, daß der Erblasser gerade ein schriftliches Testament beabsichtigt habe, die Umwandlung nicht auszuschließen vermag.

Die funktionelle Bedeutung eines mündlichen Testamentes besteht darin, daß der Erblasser die Feststellung des Inhaltes seiner letztwilligen Verfügung der Aufmerksamkeit und dem Gedächtnis der Zeugen anvertraut (vgl. SZ. XVIII/46); das mündliche Testament muß gehört werden. An dieser Grundvoraussetzung eines mündlichen Testamentes fehlt es aber hier.

Nach der im Schrifttum herrschenden Lehre und auch nach verschiedenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (vgl. beispielsweise SZ. IX/153 und GlUNF. 2731) ist Grundvoraussetzung eines mündlichen Testamentes und damit Voraussetzung der Möglichkeit der Konversion eines ungültigen schriftlichen Testamentes in ein mündliches, daß der Erblasser den Inhalt des Testamentes mündlich bekanntgibt, sei es auch in der Form, daß er das Testament vorliest oder diktiert. Andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes sind weniger streng (vgl. beispielsweise ZBl. 1932 Nr. 267 und SZ. VI/278), sie lassen für das Erfordernis der Mundlichkeit im Sinne des § 585 ABGB. es genügen, daß der Erblasser den ihm vor Zeugen bekanntgegebenen Inhalt der letztwilligen Verfügung in allen Punkten mündlich als seinem Willen entsprechend bestätigt.

Aber auch nach dieser milderen Auffassung fehlt es an der Grundbedingung für die Annahme eines mündlichen Testamentes in doppelter Richtung. Denn im Verfahren ist weder hervorgekommen, daß der Inhalt des Testamentes den Zeugen - auch nur von jemandem anderen als dem Erblasser - mündlich bekanntgegeben wurde, noch weniger aber, daß der Erblasser eine solche mündliche Bekanntgabe des Inhaltes der letztwilligen Anordnung mündlich bestätigt habe. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes konnte der Erblasser zur Zeit der Errichtung des Testamentes überhaupt nicht mehr sprechen. Da keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen sind, daß das Testament den Zeugen irgendwie zu Gehör gebracht und sein Inhalt mündlich vom Erblasser bestätigt wurde, nicht einmal Prozeßbehauptungen der beklagten Partei in dieser Richtung vorliegen, ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes der Rechtsfall zur Entscheidung reif und kann die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers auf sich beruhen.

Anmerkung

Z26244

Schlagworte

Form des schriftlichen Testamentes Letztwillige Verfügung, mündliche - Mundliches Testament Schriftliches Testament, Umdeutung in mündliches Testament Testament, formungültiges schriftliches - Testament, mündliches -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00546.53.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19530930_OGH0002_0030OB00546_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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