Norm
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §19Kopf
SZ 26/266
Spruch
Keine Schadenersatzpflicht des Hirten aus der Tötung eines ein Schaf reißenden Hundes.
Entscheidung vom 4. November 1953, 3 Ob 665/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Gröbming; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Am 30. Oktober 1952 rissen zwei dem Kläger gehörige, von ihm damals nicht beaufsichtigte, reinrassige bayrische Gebirgsschweißhunde ein dem Vater des Beklagten gehöriges, trächtiges Schaf, das sie von der Herde abgedrängt hatten. Der Beklagte erschoß im Auftrag seines Vaters einen der beiden Hunde als sie am Schaf zerrten und bissen, welches im seichten Bachbett am Rücken lag und die Beine hin- und herbewegte. Der Beklagte konnte damals nicht eindeutig feststellen, ob das Schaf schon tot oder noch zu retten war.
Das Erstgericht sprach den Kläger einen Betrag von 1000 S für den vom Beklagten erschossenen Hund zu und wies das auf Zahlung weiterer 2000 S gerichtete Mehrbegehren ab. Der Beklagte habe nicht schuldhaft gehandelt; er durfte, um das Schaf zu retten und um sich einen Beweis für die Verursachung des Schadens durch den Hund zu sichern, diesen erschießen. Trotzdem wurde dem Kläger ein teilweiser Schadenersatz in der Höhe des halben Wertes des getöteten Hundes nach § 1306a ABGB. zugesprochen, weil Beklagter im Notstand einen Schaden verursacht habe, um eine unmittelbar drohende Gefahr vom Eigentum seines Vaters abzuwenden, nämlich die Gefahr der "vollständigen Tötung" des Schafes oder doch einer größeren Wertminderung bzw. des Verlustes eines Schadenersatzanspruches durch Verlust des Beweismittels.
Infolge der Berufungen beider Parteien änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Beklagter habe nicht in einem Notstand, sondern in Notwehr gehandelt, weil sich sein Angriff gegen die Angriffsquelle richtete. Die Bestimmung des § 1306a ABGB. komme daher nicht zur Anwendung. Die Tötung des Hundes sei zulässig gewesen, um eine weitere Beschädigung des angefallenen Schafes zu verhindern. Eine Notwehrüberschreitung liege nicht vor, weil nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes die Hunde auf einen Anruf nicht reagierten und der zweite Hund nach dem Erschießen seines Gefährten dem Beklagten die Zähne zeigte, als er vertrieben werden sollte. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, sich in einen Nahkampf mit wilden Hunden einzulassen und dabei Gefahr zu laufen, selbst verletzt zu werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist in vollem Umfang zulässig, da die Revisionsbeschränkung des § 502 Abs. 3 ZPO. nur für vollständige Bestätigungen gilt (Jud. Nr. 56). Sie ist aber nicht begrundet.
Auch die Rechtsrüge ist nicht begrundet.
Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist, wie sich aus §§ 19, 344 ABGB. ergibt, nicht rechtswidrig. Der Beklagte hat darum den aus seiner Handlung entspringenden Nachteil nicht zu verantworten (§ 1305 ABGB.), sofern sich nur die Abwehr des Angriffes innerhalb der Grenzen der notwendigen Verteidigung gehalten hat (vgl. § 344 ABGB. verbis "angemessene Gewalt"). Auch das ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht zu bejahen. Das von den Hunden des Klägers angefallene Schaf war nach den Feststellungen der Untergerichte bereits zu Fall gekommen. Beide Hunde zerrten und bissen an ihm herum. Auf einen Anruf reagierten sie nicht. In dieser Lage höchster Bedrängnis muß dem Beklagten das Recht zugestanden werden, von der Schußwaffe, die er bei sich trug, Gebrauch zu machen und den einen Hund zu töten. Die Meinung der Revision, daß sich die Hunde auch auf andere Weise hätten vertreiben lassen, entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage. Die Untergerichte haben festgestellt, daß sogar dann, als der eine Hund bereits erschossen war, der andere vom Schaf nicht abließ, dem Beklagten die Zähne zeigte und erst durch Steinwürfe verjagt werden konnte. Bei dieser Sachlage kann die Frage, ob das Erschießen des Hundes auch zu Beweissicherungszwecken zulässig gewesen wäre, auf sich beruhen.
Aus diesen Gründen mußte der Revision der Erfolg versagt werden.
Anmerkung
Z26266Schlagworte
Hirt, Tötung eines wildernden Hundes durch -, Hund, wildernder -, Tötung, Notstand, Tötung eines wildernden Hundes, Notwehr, Tötung eines wildernden Hundes, Selbsthilfe, Tötung eines wildernden Hundes, Tötung eines wildernden Hundes, Wildernder Hund, Tötung einesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00665.53.1104.000Dokumentnummer
JJT_19531104_OGH0002_0030OB00665_5300000_000