TE OGH 1953/11/11 3Ob554/53

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Veröffentlicht am 11.11.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §216
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §233
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §810
Außerstreitgesetz §128
Außerstreitgesetz §145

Kopf

SZ 26/276

Spruch

Für die Beurteilung der Frage, in welchem Umfange dem Abhandlungsgericht die Überwachung des Verlassenschaftssequesters obliegt, sind sowohl die Bestimmungen des § 233 ABGB. als auch die des § 216 ABGB. heranzuziehen.

Entscheidung vom 11. November 1953, 3 Ob 554/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Schwechat; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Erbinnen erachten sich zunächst dadurch beschwert, daß das Rekursgericht die Berechtigung des Sequesters Ing. S., für die Verlassenschaft Wechsel zu zeichnen und von der Erblasserin gezeichnete und akzeptierte Wechsel zu prolongieren, an die jeweilige Genehmigung des Abhandlungsgerichtes gebunden hat (ON. 23).

Auch die Aufhebung der Beschlüsse ON. 22 und 25, womit dem Sequester dieVerfügung über zwei Bankkonten und ein Sparkassenkonto eingeräumt wurde, sowie die Anordnung weiterer Erhebungen fechten die Rekurswerber an. Sie führen aus, daß die in Betracht kommenden Geschäfte zum ordentlichen Wirtschaftsbetriebe gehören, weshalb gemäß § 233 ABGB. eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich sei. Außerdem sei zu beachten, daß jede unnötige Erschwerung der Verwaltertätigkeit eine Schädigung des Unternehmens zur Folge haben könne; oft müßten rasche Entscheidungen getroffen werden und es sei nicht immer möglich, rechtzeitig die Genehmigung des Gerichtes einzuholen.

Die Rekurse wenden sich auch gegen die Zurückweisung des Antrages, dem auf den Rechtsweg gewiesenen Erben Eugen H. sen. die Herausgabe von Wagenpapieren sowie der Schlüssel des Hauses in G. an den Sequester aufzutragen (ON. 33, 42, 46). Hiezu wird ausgeführt, daß der Kraftwagen, den die strittigen Papiere betreffen, sich am Todestage im Besitze der Erblasserin befunden habe. Eugen H. sen. sei nicht als ein Dritter zu behandeln, daher könne ihm im außerstreitigen Verfahren der Auftrag erteilt werden, die widerrechtlich an sich genommenen Papiere herauszugeben. Das gleiche gelte für die erwähnten Hausschlüssel. Die Behauptung des Eugen H. sen., es stunden ihm an der Hälfte des Hauses außerbücherliche Eigentumsrechte zu, sei unbeachtlich.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Erbinnen zum Teil Folge, hob Punkt 3 des angefochtenen Beschlusses und den Beschluß der ersten Instanz ON. 23 auf, verwies die Sache im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurück und bestätigte im übrigen den angefochtenen Beschluß des Rekursgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für die Beurteilung der Frage, in welchem Umfange dem Gerichte die Überwachung eines Sequesters obliegt, kann nicht allein § 233 ABGB. herangezogen werden, in dem die Geschäfte aufgezählt werden, die unbedingt der gerichtlichen Genehmigung bedürfen. Es ist vielmehr auch die in § 216 ABGB. getroffene grundsätzliche Vorschrift zu beachten, daß der Vormund in wichtigen und bedenklichen Angelegenheiten erst die Genehmigung und die Vorschriften des vormundschaftlichen Gerichtes einzuholen hat. Dem Rekursgerichte ist beizupflichten, daß zu solchen Angelegenheiten auch die Übernahme von Wechselverpflichtungen und die Verfügung über Konten gehören, falls ungewöhnlich hohe Beträge in Frage kommen. Das Erstgericht wird daher zu überprüfen haben, von welcher Grenze an es die Fertigung von Wechseln an seine Genehmigung knüpft. Die Überwachungspflicht des Gerichtes ist im Gesetze vorgesehen; daher können Argumente, mit denen die Rekurswerber die Nachteile einer solchen Überwachung darzutun suchen, keine Berücksichtigung finden.

Das Gericht erster Instanz hat die Herausgabepflicht des Eugen H. sen. bezüglich der Wagenpapiere damit begrundet, daß der Kraftwagen Zugehör des Unternehmens in Schwechat, S.gasse ist, das im Besitze der Erblasserin stand. Der Wagen gehöre daher zur Verlassenschaft; die Behauptung des Eugen H. sen., daß er Eigentümer des erwähnten Betriebes sei, könne im außerstreitigen Verfahren keine Berücksichtigung finden.

Dem Rekursgericht war beizupflichten, daß die Herausgabepflicht davon abhängt, wer Eigentümer des Kraftwagens ist. Diese Frage zu prüfen, ist nicht Aufgabe des Abhandlungsgerichtes. Daher war wohl der Sequester legitimiert, den Eugen H. sen. zur Herausgabe der Papiere aufzufordern, das Abhandlungsgericht durfte aber keinen Exekutionstitel schaffen, da ihm die Entscheidung der Eigentumsfrage nicht zusteht. Das gleiche gilt vom Begehren der Rekurswerber auf Ausfolgung der Schlüssel zu dem Hause, das im bücherlichen Eigentume der Erblasserin stehe. Der Witwer Eugen H. sen. hat eingewendet, er habe mit der Erblasserin einen Gesellschaftsvertrag geschlossen, demzufolge er zur Hälfte außerbücherlicher Eigentümer des Hauses sei.

Das Gericht erster Instanz trug dem Eugen H. sen. auf, die Schlüssel beiExekution dem Sequester zu übergeben. Das Rekursgericht hat den Antrag wegen Unzuständigkeit des Abhandlungsgerichtes zurückgewiesen.

Den Ausführungen der Revisionsrekurse, Eugen H. sei nicht Dritter, sondern Miterbe, und die Behauptung eines außerbücherlichen Rechtes verdiene keine Beachtung, vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizutreten.

Eugen H. sen. macht vertragliche Rechte auf die Mitbenützung des Hauses geltend und folgert daraus, daß er nicht zur Herausgabe der Schlüssel verpflichtet sei.

Ob er sein Recht als außerbücherliches Eigentum oder als Gesellschafterrecht qualifiziert, ist nicht entscheidend. Das Abhandlungsgericht war in keinem Falle zuständig, über diesen Anspruch des Eugen H. abzusprechen. Daher durfte es auch keinen Exekutionstitel auf Herausgabe der Schlüssel schaffen.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Beschluß zum Teile zu bestätigen. Der Oberste Gerichtshof pflichtet dem Rekursgerichte auch darin bei, daß zur Frage, in welchem Umfange dem Sequester ein selbständiges Geschäftsführungsrecht einzuräumen wäre, ein Sachverständiger zu vernehmen ist.

Das gleiche gilt für die Befugnis, Wechsel zu unterfertigen. Auch hier wäre unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse zu prüfen, in welchem Umfange die Inanspruchnahme von Wechselkredit in den Rahmen der ordentlichen Geschäftsführung fällt und nicht als eine wichtige und bedenkliche Angelegenheit zu gelten hat.

Anmerkung

Z26276

Schlagworte

Abhandlungsgericht, Überwachung des Verlassenschaftssequesters, Nachlaß-Sequester, Überwachung des -, Sequester, Überwachung des - durch Abhandlungsgericht, Überwachung des Verlassenschaftssequesters, Verlassenschaftssequester, Überwachung des -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00554.53.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19531111_OGH0002_0030OB00554_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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