TE OGH 1953/11/26 1Ob756/53

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Veröffentlicht am 26.11.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §881
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1284

Kopf

SZ 26/286

Spruch

Zur Klage auf Minderung der Ausgedingsleistungen wegen Unerschwinglichkeit.

Entscheidung vom 26. November 1953, 1 Ob 756/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Freistadt; II. Instanz: Landesgericht Linz - Nord.

Text

Das Erstgericht hat das Klagebegehren des Inhaltes, daß die mit Ausgedingsvertrag vom 24. April 1946 und mit Ausgedingsvertrag-Nachvertrag vom 8. Feber 1949 vereinbarten und mit Kaufvertrag vom 19. Mai 1949 von der Klägerin übernommenen lebenslänglichen Ausgedingsleistungen zugunsten der Beklagten mit Wirksamkeit vom 21. Mai 1949 in der, in der Klage im einzelnen bezeichneten Art und Weise vermindert werden, abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat der von der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Berufung nicht Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zum Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO.:

Es kommt auch der Rechtsrüge keine Berechtigung zu. Die Revisionswerberin führt dazu zunächst aus, daß es richtig sei, daß der Rechtsnachfolger alle jene Einwendungen erheben könne, die der Vormann gehabt hätte. Der Rechtsnachfolger sei jedoch bei einem Vertrage, welcher ein ständiges Rechtsverhältnis begrunde, auch berechtigt, später auftretende rechtliche Möglichkeiten wahrzunehmen, auch wenn diese der Vormann noch nicht gehabt habe. "Unmöglichkeit, d. h. Unerschwinglichkeit der Leistung" liege vor, wenn die für Hugo K. noch erschwinglichen Auszugsleistungen später eben nicht mehr erschwinglich seien. In diesem Zusammenhange bringt die Revisionswerberin ferner vor, daß Auszugsleistungen grundsätzlich aus den Erträgnissen einer Liegenschaft zu erbringen seien, wobei es gleichgültig sei, ob sie in Naturalien geleistet oder durch Geld abgelöst würden.

Wenn die Revisionswerberin vorbringt, daß sie bezüglich der Ertragsfähigkeit und der Bearbeitungsfähigkeit der Liegenschaft auf die Angaben des Hugo K. angewiesen gewesen sei, übersieht sie, daß mit der vorliegenden Klage nicht der zwischen ihr und Hugo K. am 19. Mai 1949 abgeschlossene Kaufvertrag angefochten worden ist. Das bezügliche Vorbringen ist also für die Erledigung dieses Rechtsstreites ohne Bedeutung. Was aber die von der Klägerin behauptete Unerschwinglichkeit der an die Beklagten zu erbringenden Leistungen betrifft, so entspricht die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß Geldleistungen grundsätzlich niemals als "unerschwinglich" angesehen werden können, der Lehre und ständigen Rechtsprechung (vgl. die ausführliche Begründung dieser Ansicht in 1 Ob 346/46, veröffentlicht im EvBl. 1947 Nr. 505). Für Sachleistungen ist allerdings in der Rechtsprechung (vgl. 1 Ob 346/46, a. a. O.) anerkannt, daß derartige Leistungen einem Schuldner unter Umständen infolge geänderter Verhältnisse nicht zugemutet werden können, wenn diese Leistungen vom Schuldner nur unter ungewöhnlichen Opfern erbracht werden könnten. Für den Standpunkt der Revisionswerberin ist aber damit nichts gewonnen, weil sie selbst nicht behaupten kann, daß seit dem Abschluß des Vertrages vom 19. Mai 1949, wodurch sie Schuldnerin der Beklagten geworden ist, eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im bezogenen Sinne eingetreten wäre, derart, daß ihr die Beschaffung der Sachleistungen nicht mehr zugemutet werden könnte. Im Gegenteil ist gerichtsbekannt, daß Naturalien seit Mai 1949 immer leichter erhältlich geworden sind, abgesehen vom Kostenpunkte, der aber nach den obigen Ausführungen außer Betracht bleiben muß. Für das Rechtsverhältnis der Parteien untereinander ist die von der Klägerin vertraglich gegenüber den Beklagten übernommene Schuldverpflichtung weiterhin maßgeblich, zumal der Vertrag vom 19. Mai 1949 auch Elemente eines Glücksvertrages (§ 1269 ABGB.) enthält (vgl. SZ. XXIII/305). Bei der Reallast, worunter das Ausgedinge zu rechnen ist (vgl. Ehrenzweig, Sachenrecht, 1923, S. 400), steht neben der Sachhaftung in der Regel die persönliche Haftung (vgl. Ehrenzweig, a. a. O., S. 393), woran im gegenständlichen Falle schon auf Grund der oben erwähnten Außerstreitstellung kein Zweifel sein kann. Daß die Haftung auf die Erträgnisse der Wirtschaft in der Vereinbarung beschränkt wurde, ist nicht festgestellt.

Der Hinweis der Revisionswerberin auf ihr Vorbringen in der Berufung bezüglich der Preisregelungs-Verordnung 1945 stellt nach ständiger Praxis des Obersten Gerichtshofes keine genügende Ausführung des geltend gemachten Revisionsgrundes dar. Selbst wenn aber davon abzusehen wäre, käme der Rechtsrüge auch in diesem Punkte keine Berechtigung zu, weil die Vereinbarung des Ausgedinges in dem zwischen Hugo K. und seinen Eltern, den beiden Beklagten am 24. April 1946 bzw., 8. Feber 1949 geschlossenen Vertrage jedenfalls dann kein Gegenstand derPreisregelung gewesen ist, wenn die Übernahme des Ausgedinges nicht das Entgelt oder Teil des Entgeltes für die Liegenschaft war. Andernfalls muß die Bestimmung des § 3 der Grundverkehrsnovelle 1946 (BGBl. 123/1946) berücksichtigt werden, derzufolge die Entscheidung einer Grundverkehrskommission über die Erteilung der Zustimmung nach demGrundverkehrsgesetz als Unbedenklichkeitsbescheinigung der Preisbehörde anzusehen ist. Daß aber die Zustimmung der Grundverkehrskommission versagt worden wäre, hat die Klägerin selbst nicht behauptet. Hinsichtlich des Kaufvertrages zwischen Hugo K. und der Klägerin ist wieder auf § 3 der Grundverkehrsnovelle 1946 zu verweisen, wonach der Grundverkehrskommission die Aufgaben der Preisbehörde zukommen. Daß diese Kommission aber bereits die Genehmigung dieses Kaufvertrages versagt hat, wurde von der Klägerin ebenfalls nicht behauptet. Wäre dies der Fall, so wäre aber der Kaufvertrag nichtig und die Klägerin dann zu ihrem Klagsbegehren überhaupt nicht befugt. Die Revisionswerberin bringt ferner vor, daß es gegen die guten Sitten verstoße, "wenn sich die Beklagten Auszugsleistungen versprechen lassen, von denen sie wissen, daß sie überhaupt nicht erbracht werden können". In dieser Hinsicht ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, da die Vorinstanzen eine Feststellung dahingehend, daß den Beklagten bekannt sei, daß die Auszugsleistungen nicht erbracht werden könnten, nicht getroffen haben. In diesem Zusammenhange ist vielmehr auf die Feststellung der Untergerichte zu verweisen, daß dem Vorgänger der Klägerin, Hugo K., die Erbringung der Ausgedingsleistungen möglich gewesen wäre. Die von der Klägerin behauptete Äußerung der Zweitbeklagten, sie habe eine Schweizer Bank "umigehoben", ließe die Feststellung der in der Revision geltend gemachten Kenntnis der Beklagten, daß die Auszugsleistungen nicht erbracht werden könnten, keineswegs zu.

Schließlich wird in der Rechtsrüge ausgeführt, daß Hugo K. zum Unterhalt der Beklagten, seiner Eltern, verpflichtet sei. Es wäre ihm ohne weiteres möglich gewesen, die Feststellung zu erwirken, daß er aus dem Titel des Ausgedingsvertrages zu einem Teil der Leistungen nicht verpflichtet sei, sondern nur aus dem Kindschaftsverhältnis für den Fall der Notlage. Der Klägerin stehe ohne weiteres die Einrede der Unerschwinglichkeit der Leistung zu, da "bei ihr das Rechtsverhältnis zwischen Kind und Eltern in Wegfall komme". Auch dieses Vorbringen der Rechtsrüge ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, als es von der Feststellung der Vorinstanzen, daß dem Hugo K. die Erbringung der Ausgedingsleistungen möglich gewesen wäre, abweicht. Im übrigen hat die Klägerin die Verpflichtung zur Leistung des gesamten Ausgedinges vertraglich übernommen, so daß es für die Beurteilung ihrer Leistungspflicht nicht maßgeblich wäre, daß Hugo K. bei Festsetzung der Ausgedingsleistungen auf seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Beklagten Bedacht genommen hätte. Aus diesem Vorbringen der Revision ergibt sich also kein neuer für die Entscheidung rechtlich erheblicher Umstand. Bei dieser Rechtslage sind auch die in der Revision gerügten Feststellungsmängel nicht gegeben. Der Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. liegt nicht vor.

Aus diesen Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z26286

Schlagworte

Ausgedinge, Unerschwinglichkeit, Minderung des Ausgedinges, Reallast, Unerschwinglichkeit, Unerschwinglichkeit des Ausgedinges

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0010OB00756.53.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19531126_OGH0002_0010OB00756_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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